Startseite | Impressum | Zeitung | Beiheft | Archiv nach Autoren | Archiv nach Rubriken








Zeitung << 1/2001 << Im Namen Allahs, des Allbarmherzigen, des Allgültigen


Im Namen Allahs, des Allbarmherzigen, des Allgültigen
Was sagt der Islam zu Krieg und Frieden?

Autorinnen: Anita Fekete, Andrea Tóth

Diese Frage beschäftigt gerade heutzutage viele Menschen. Darauf eine zutreffende sachliche Antwort zu erhalten, ist nicht leicht. Das Wort Islam ist in aller Munde, ebenso der Krieg. Fast automatisch stellt sich da eine Verbindung her. Viele Politiker, Medien und sogenannte Nahost-Experten tun ein Übriges, indem sie Ängste schüren vor dem Islam und seinem „Heiligen Krieg”.

Islam heißt Friedenmachen

Zwar redet heutzutage fast jeder vom Islam, doch weiß kaum jemand, was das Wort in Wirklichkeit bedeutet. Für die meis-ten Menschen ist es einfach der Name einer Weltreligion. Darüber aber, dass schon der Name das Wesentliche über diesen Glauben mitteilt, macht man sich meist keine Gedanken. Dabei beruht gerade auf dieser Unkenntnis der wirklichen Bedeutung des Wortes Islam wohl der größte Teil der Vorurteile und Miss-verständnisse, die dem Islam entgegengebracht werden. Das Wort Islam, ins Deutsche übertragen, bedeutet: Friedenma-chen. Der Islam versteht sich als die Religion und Lebenswei-se des Friedenmachens. Das Friedenmachen, wie schon der Name sagt, ist das Programm des Islam. Der Islam will Frie-den machen in allen Bereichen, die für den Menschen von Bedeutung sind. Der Mensch soll Frieden machen mit Gott und mit sich selbst, mit seinem Mitmenschen und mit Gottes Schöpfung. Ein Mensch, der dies verwirklichen will, ist Muslim, d.h. „einer, der Frieden macht”.


Kein "Heiliger Krieg"

Nun fragt man sich vielleicht: Wie passt sich das zusammen mit dem „Heiligen Krieg”? Die Antwort darauf ist sehr ein-fach: Der „Heilige Krieg” hat nichts mit dem Islam zu tun. Dieser Begriff kommt im Koran, der Heiligen Schrift des Is-lam, überhaupt nicht vor. Er ist dem Islam fremd. Ursprüng-lich stammt dieser Begriff wohl aus dem Mittelalter, der Zeit der Krezzüge, als man im christlichen Abendland aufrief zu einer Kriegsfahrt in den Orient, auch damals gegen den Islam und die Muslime. Das nannte man einen „Heiligen Krieg”. Wie wir heute wissen, waren die Kreuzzüge alles andere als „heilig”. Kaum jemand im Abendland würde sich heute noch mit jenem Missbrauch von religiösen Gefühlen von Men-schen identifizieren wollen. Aber der Begriff des „Heiligen Krieges” hat sich erhalten. Nun wird er, wie nach dem Motto „Haltet den Dieb!”, jetzt dem Islam und den Muslimen aufgestülpt, gegen die er sich in Wirklichkeit ja ursprünglich zuallererst gerichtet hatte.


Und was ist dann Dschihad?!

Die ist die nächste Frage, die sich hier anschließt. Nun gut, wird man vielleicht sagen, der „Heilige Krieg” steht so nicht im Koran, aber der Dschihad, der steht es doch da, und ist das denn nicht dasselbe? Nein, es ist nicht dasselbe!!! Dschihad ist kein Wort aus dem Koran, aber es bedeutet we-der „heilig” noch „Krieg”. Es ist nicht einfach zu übersetzen. Am besten drückt man es im Deutschen so aus: „etwas mit großem Einsatz tun” oder „sich voll und ganz einset-zen”. So ist eigentlich alles, was ein Muslim (einer, der Frie-den macht) „mit ganzem Einsatz” tut: Dschihad. Sein Ein-treten für Frieden und Gerechtigkeit wäre ohne Dschihad, d.h. ohne ganzen Einsatz, nur halbherzig und unaufrichtig. Der Prophet Muhammad hat gesagt: „Der beste Dschihad ist, das Wort der Wahrheit (und des Rechts) vor einer ungerechten Herrscher zu sprechen.” Man sieht an dieser Aufforderung sehr deutlich, welche Art von „ganzem Ein-satz” hier gemeint ist: die persönliche Überwindung von Angst, Eigeninteresse und Egoismus. Dieser Dschihad ist auch Kampf – und zwar ein Kampf gegen das eigene Ich. So wird dem Propheten Muhammad der Ausspruch zugeschrie-ben, als er einmal mit seinen Gefährten von einem Feldzug zurückkehrte: „Wir kehren zurück vom kleinen Dschihad zum großen Dschihad.” Der Kampf mit der Waffe be-zeichnete er also im Vergleich mit dem Kampf gegen das Ich als den kleineren Einsatz. Das sollte man im Blick behalten, wenn man über Krieg und Frieden im Islam spricht.

STREIT UND KRIEG UM DIE GÜTER DIESER WELT ABER BRINGEN KEINEN FRIEDEN!
(Deshalb rät der Koran zu bestimmten Wegen, den Krieg zu verhindern und den Frieden zu sichern.)

Dies sind kurz zusammengefasst die wichtigsten Grundsätze über Krieg und Frieden im Islam. Wer sie berücksichtigt, kann sich nun selbst eine Meinung darüber bilden, wann für die Muslime Widerstand gegen einen Angriff auf Freiheit und religiöses Bekenntnis erlaubt und gefordert ist, und wann die religiösen Gefühle der Menschen zu ganz anderen Zwe-cken missbraucht werden.


Reportage

Wir haben Láving Orsolya Leila nach ihrer Religion gefragt:

F.T.: Wie kann man sich den Islam als Religion annehmen?
L.O.L.: Man muss einen Satz vor zwei erwachsenen muslimen Männern oder vor einem Mann und zwei Frauen vorsagen: "Lá ilána il-Alláh wa Mohammad rászul ul-lah". (Es gibt keine Götter, nur Allah und sein Prophet Muhammad.) Das nennt man den Beweis.

F.T.: Was bedeutet für Dich diese Religion?
L.O.L.: Für mich ist es vor allem eine solche Kraft, die die ganze Menschheit aus diesem Durcheinander zu einer fröhlicheren und humanischeren Zukunft führt. Seelisch gab mir der Islam kaum mehr, aber ich glaube, dass die auf den Islam basierende Gesetzgebung, das Weltbild und die Lebensanschauung für jeden Menschen, so auch für die europäischen mit gutem Beispiel vorangehen könnte.

F.T.: Wurde dein Name verändert, und wenn ja, dann wie?
L.O.L.: Es ist eine Gewohnheit, dass die neuen Muslime einen arabischen oder türkischen Namen auswählen. Ich haben den Namen Leila genommen, die die Bedeutung "Nacht" hat.

F.T.: Seit wann bist Du Muslime?
L.O.L.: Seit zwei Jahren bin ich Muslime, aber erst vor einem Jahr bin ich in Anwesenheit von Zeugen konvertiert. Bisher wusste ich nämlich nicht, dass Zeuge auch nötig sind, so habe ich den Beweis nur mir selbst vorgesagt. Für Allah war es bestimmt genügend.

F.T.: Welche Religion hattest Du vorher?
L.O.L.: Ich war früher Taoist. Ich bin der Meinung, dass der Taoismus und der Islam sehr ähnlich sind, aber der Taoismus nimmt die Verantwortung von den Schultern der Gläubigen. Nach dem Islam haben wir die Pflicht, für unseren Mitmenschen und für uns selbst alles bestmöglich zu machen.

F.T.: Was für Vorschriften muss man behalten, und wie schwer ist es für Dich?
L.O.L.: Für das Alltagsleben gelten nicht so viele Vorschriften. Bei der Bekleidung darf z.B. nur die Hand und das Gesicht sichtbar sein. Bei der Ernährung sind Schweinfleisch (Hund, Katze, Frosch, usw.) und Alkohol verboten zu konsumieren. Die sind keine großen Veränderungen, erst die Benutzung des Kopftuches ist ein wenig umständlich. Außerdem muss man noch täglich fünfmal beten, natürlich unter entsprechenden hygienischen Umständen.

F.T.: Wie hast Du es bemerkt? Sind die Menschen gegen Vertreter anderer Religionen tolerant? Hattest Du schon Schwierigkeiten deswegen?
L.O.L.: Die Jugendlichen und die Menschen mittleren Altersklassen akzeptieren es fast in jedem Fall, aber es gibt natürlich auch negative Beispiele. Einmal ist es passiert, dass meine Untermiete wegen meiner Religion aufgehoben wurde. Aber das ist nur ein einziges Beispiel, sonst hatte ich noch keine Probleme. Die Älteren akzeptieren es im Allgemeinen auch, aber offenbar nicht alle. Zum Beispiel weiß es die Großmutter meines Mannes auch nicht, weil wir keinen Mut hatten, es ihr mitzuteilen.

F.T.: Weißt Du vielleicht, ungefähr wie viele Muslime in Szeged leben? Stehst Du die in Kontakt mit ihnen?
L.O.L.: Ich meine, ungefähr 30-40 türkische, einige iranische und eine Menge von arabischen Studenten (vorwiegend aus Syrien und Ägypten) leben in Szeged. Es gibt auch noch andere ungarische Muslime, aber ich habe keinen Kontakt mit ihnen. Mit den türkischen Mädchen treffe ich mich oft, aber mit anderen nicht.

F.T.: Beobachtest Du die Geschehnisse, die nach 11. 08. 2001 passiert sind?
L.O.L.: Ich probiere es, gut informiert zu sein.

F.T.: Was meinst Du dazu?
L.O.L.: Ich bin der Meinung, dass diese Situation viel zu kompliziert ist. Einerseits kann es nicht toleriert werden, dass die USA ein Land mit verschiedenen Gründen angegriffen hatten. Afghanistan ist daran nicht schuld, dass die Regierung den Terroristen Hilfe leistet. Ich glaube, dass Amerika nur seine Schande verbergen will, dass die Terroristen so leicht sein Sicherheitssystem überlisten konnten. Amerika will mit den Bombenangriffen gegen Afghanistan außer vielen anderen Gründen zeigen, dass die USA noch immer die erste Weltmacht sind, sie wollen die neuen Waffen testen und die nach Vietnam verbliebenen Anti-Kriegs-Stimmen neutralisieren. Der Kampf gegen den Terrorismus ist nur ein sehr durchsichtiger Grund und alle Mächte wollen ihre Kräfte bewegen, um je den größeren Teil aus Afghanistan zu be-kommen. Es ist komisch, wie England, Italien und Deutsch-land rennen, um nicht aus diesem Kampf auszubleiben. Und das Beste ist, dass Japan auch beteiligt ist. Andererseits ist es für das afghanische Volk nicht unbedingt schlecht, weil sie so vielleicht die Möglichkeit haben, die Taliban-Regierung zu entfernen. Diese Regierung hat sie nämlich regelmäßig ge-schlachtet, so ist es egal, ob sie im Kampf oder durch die Taliban getötet werden. Eigentlich hätte es nicht passieren können, wenn die Weltmächte damals Hilfe geleistet hätten, um die Taliban nicht in die Regierung zu lassen. Ich muss auch noch erwähnen, dass Osama Bin Laden auch von Amerika ausgebildet und bewaffnet wurde, noch in der Zeit der sowjetischen Besetzung. Und was die Flüchtlinge betrifft, ist es unglaublich, dass mehr als 400 Menschen zwei Wochen lang von einem Ort zum anderen „geschickt” wurden, und kein Arzt zu den Flüchtlingen gelassen wurde, trotz kranker Kinder und schwangerer Frauen. Ich frage, WARUM? Und was die Menschen in Kalocsa dachten, als sie gegen die Flüchtlinge protestierten?! Fressen die Flüchtlinge etwa kleine Kinder? Ich weiß es auch nicht, ob das die christliche Liebe, der Sozialismus oder die großartige Zivilisation den Menschen lehrt. Als Menschen sollen wir uns schämen.