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Zeitung << 2/2002 << Kodewechsel zwischen Deutsch und Englisch


Kodewechsel zwischen Deutsch und Englisch
Interview mit Csilla Weninger

Autor: Ádám Gács

Wir haben es vor allem Csilla Weninger zu verdanken, dass der Vortrag „German Studies in den USA” von Peter Höyng an der Universität Szeged zustande kam. Csilla Weninger hat ihr Germanistikstudium vor zwei Jahren an der Universität Szeged abgeschlossen. Die Studien ihres zweiten Faches, Anglistik, hat sie noch nicht abgeschlossen. Sie hatte die Gelegenheit, zwei Jahre lang an der University of Tennesse Germanistik zu studieren. Wie sie dieses Stipendium erhalten hat, wie ihre Eindrücke sind, stellt sich im folgenden Gespräch heraus.

Wie wurdest Du auf das USA-Stipendium aufmerksam, warum hast Du dich zur Bewerbung entschlossen?
Im Sommer vor meiner Bewerbung war ich schon in Amerika zu Besuch, da habe ich mich bei der Graduate School dieser Universität für eventuelle Stipendienmöglichkeiten für ausländische StudentInnen erkundigt. Durch meinen Freund, der da studiert hat, wurde ich eigentlich darauf aufmerksam gemacht. Ich erfuhr dann, dass mein Diplom aus Szeged als Bachelor’s Degree (auf Deutsch B.A.) anerkannt werden kann, und dass ich mich durchaus für ein Magisterabschluss (M.A.) bewerben kann. Nach einem Jahr Studium stellte es sich heraus, dass der Lehrstuhl mich auch gerne für ein Ph.D-Studium gehabt hätte (mein Abschluss in Szeged hatte doch mehr Gewicht, und sie sahen, dass ich gut qualifiziert war), aber das habe ich dann abgelehnt, weil ich mich mehr für die englische Linguistik zu interessieren anfing. Übrigens studiert noch eine andere Person momentan Germanistik da, sie hat auch hier ihren Abschluss gemacht, und sie wurde dann sofort in den Ph.D-Studiengang aufgenommen. Ich habe mich für die Bewerbung entschlossen, teils, weil ich mein Englisch verbessern wollte, teils weil ich die amerikanische Kultur und Lebensweise aus der nächstmöglichen Perspektive kennen lernen wollte. Das kann man nur, wenn man da für eine längere Zeit lebt.

Was alles musste man zur Bewerbung einreichen?
Sehr wichtig sind die Empfehlungen (2-3), am besten von Professoren. Dann kommt das Forschungsvorhaben und die Motivation für die Bewerbung. Man soll sich vorher erkundigen, was die Universität alles bieten kann. An dieser Uni gibt es sieben Professoren. Die meisten beschäftigen sich mit Literatur, aber es gibt auch Lingustik mit Schwerpunkt historische Linguistik und Zweitspracherwerb.
Dann muss auch die TOEFL-Prüfung (Test Of English as a Foreign Language) abgelegt werden, die man immer braucht, wenn man in Amerika studieren will. Heutzutage kann man sich bereits online bewerben und erhält da auch weitere Informationen.

Du hast in Szeged bereits eine Diplomarbeit geschrieben. Hast Du dein Forschungsinteresse da weiter verfolgt?
Hier habe ich im Bereich der Lexikologie meine Abschlussarbeit geschrieben und wollte mich weiter mit der Linguistik beschäftigen. Ich habe aber auch Literaturkurse belegt, besonders aus der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts, wofür ich hier nicht die Möglichkeit gehabt habe, z.B: Holocaust-Literatur. Aber der Schwerpunkt lag auf der Sprachwissenschaft. Mein Forschungsthema war Kodewechsel: ich habe ja oft das Dilemma gehabt, welche Sprache (Deutsch/Englisch) ich mit den Professoren und den anderen Studenten benutzen soll. Ich habe dann dieses Phänomen zur Untersuchung ausgewählt, durch Interviews Daten gesammelt und schließlich in meiner Arbeit („Code choice in a multilingual academic setting”) ausgewertet. Ich habe meine Ergebnisse auch auf einer Konferenz vorgetragen.

Hast Du schon vorher irgendwo ein Stipendium erhalten, denn 2 Jahre im Ausland zu lernen ist eine lange Zeit, und ich denke, ohne Erfahrung ist es gar nicht so einfach, sich für so etwas zu entscheiden.
Ich habe durch den DAAD schon ein Semester in Rostock studiert. Ich habe da eine sehr positive Erfahrung gemacht, und so kam dann die Idee für weitere Bewerbungen. Ich reise sowieso gerne, und mag es längere Zeit in anderen Ländern zu verbringen.

Könntest du dem GeMa von deinen Erlebnissen und Erfahrungen erzählen, die Du während dieses Studienaufenthaltes gesammelt hast?
Ja, gerne. Ich hatte am Anfang wirklich einen Kulturschock gehabt, die ganze Kultur und das Leben ist zuerst fremd, neu und anders. Man muss sich daran gewöhnen und es zu akzeptieren versuchen. Ich wohnte in einem Wohnheim, das mir mit der Hilfe der Uni angeboten wurde. Es gibt da ein sogenanntes „International House”, sie betreuen die Ausländer und waren immer bereit zur Unterstützung. Die Kosten muss man selber von dem verdienten Geld bezahlen, denn ich habe nebenbei gearbeitet: ich habe hospitiert bei einem Professor, d.h. ich habe ihm beim Kurs geholfen. Dadurch wird man ins Unterrichten eingeführt, denn im zweiten Jahr unterrichtet man die „undergraduate” Studenten, normalerweise zwei Anfängerkurse, wofür man auch bezahlt wird. Ich fand diese Einführung sehr nützlich, denn Amerikaner zu unterrichten ist anders. In den USA fangen die Studenten übrigens oft erst an der Uni an die jeweilige Fremdsprache zu lernen. Mir hat es sehr viel Spaß gemacht, und es war eine echte Herausforderung. Die „graduate” Kurse dauern zweimal anderthalb Stunden per Woche, das ist effektiv mehr Zeit als hier. Deswegen wird es auch empfohlen nicht mehr als drei Kurse zu belegen. Ich konnte also Anglistik nicht mehr studieren, aber ich durfte doch ein paar interessante Vorlesungen besuchen, und das wurde mir sogar für mein Germanistikstudium angerechnet.

Welche Unterschiede fandest Du bei den amerikanischen Studenten im Vergleich zu den ungarischen Verhältnissen?
Die Motivation Fremdsprachen zu lernen ist natürlich ganz anders. Die amerikanischen Studenten sind viel weniger motiviert, denn die Chancen, die Fremdsprache auch aktiv zu benutzen, sind viel geringer. Aber sie sind sehr offen fürs Neue, und es macht Spaß mit ihnen zu experimentieren.

Wie hast du den 11. September 2001 erlebt?
Auch bei uns gab es natürlich Panik und Verzweiflung, der Unterricht fiel auch für mehrere Tage aus. Als Ausländer fühlte ich mich komisch. Ich hatte zwei Sichtweisen: meine eigene, und ich sah, wie die Amerikaner es erlebt haben (Eskalierung des Patriotismus). Sie tolerierten alternative Meinungen nicht sehr gut, obwohl sie auch von einigen Amerikanern geteilt worden waren. Ich kannte aber ihre Geschichte, wusste, woher das Ganze kam, und habe versucht es nachzuvollziehen. Ich war noch vor dem Attentat in NY und habe die Twin Towers gesehen. Es war wirklich schockierend im Fernsehen dann gesehen zu haben, was da passierte. Für die meisten Studenten war es das erste Mal überhaupt, dass sie Krieg und Zerstörung im eigenen Land zu Gesicht kamen.

Inwieweit hat sich dein Deutsch und Englisch verbessert?
Für viele Jahre war Deutsch meine stärkere Sprache, aber als ich dann nach Amerika zog, veränderte sich das. Im gesprochenen Englisch habe ich sehr große Fortschritte gemacht, und dadurch einiges auf Deutsch vergessen, aber es war gut, dass ich Germanistik studierte und Deutsch auch unterrichtet habe, denn so blieb ich ständig in Kontakt mit der Sprache. Mein Englisch war schon ziemlich gut damals, als ich ankam, und das war natürlich ein Vorteil, aber an den schönen „Southern Accent” musste ich mich gewöhnen.

Hat man da die Möglichkeit Informationen aus den deutschen Medien (vom Internet einmal abgesehen) zu erhalten?
DW TV (Deutsche Welle) war der einzige Sender, den man in der Bibliothek und im Sprachlabor empfangen konnte, aber zu Hause nicht. Überhaupt gab es kaum fremdsprachliche Sender im Angebot. Zeitungen waren schon besser zugänglich.

Wie sehen deine zukünftigen Pläne aus?
Ich habe vor, ein Ph.D. in englischer Linguistik zu machen, im Bereich Soziolinguistik (language shift, language maintenance), ich habe mich schon bei diversen Universitäten beworben.

Was schlägst du denjenigen vor, die eventuell für das Stipendium Interesse zeigen und sich bewerben möchten?
Da ich wirklich keine Minute davon bereut habe, denn ich reise gerne und bin offen fürs neue, rate ich allen Interessenten: GO FOR IT!