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Zeitung << 2/2002 << Funny Games
Funny Games
Autorin: Petra Vratarics
Eine durchschnittliche österreichische Familie kommt in ihrem Landhaus an, das neben einem Teich steht. Idyllische Familienverhältnisse, Vati repariert etwas, Mutti kocht, dem Hund geht es auch gut. Dann kommt ein Junge mit unschuldigem Gesicht und sagt, er komme, um um ein Ei zu bitten. Er bekommt sein Ei, lässt es fallen, bekommt ein neues und lässt es wieder fallen. In der Zwischenzeit gesellt sich noch ein witziger Junge zu ihnen, der den Golfschläger ausleihen will. Dann folgt ein gut gezielter Schlag auf das Knie des Vaters. Die Bewohner des Hauses führen den Mordtanz als Marionetten auf, komponiert von den beiden Jungen. Es scheint so, als ob ein Virus in den reibungslos funktionierenden Mechanismus der Wohlfahrtsgesellschaft geraten wäre. Was beabsichtigen die zwei Jungen? Sie wollen natürlich die Familie niedermetzeln, es ist aber nicht egal wie. Was sie vorhaben, ist den Vorstellungen eines durchschnittlichen Zuschauers von einer Bluttat ähnlich. Die Geschichte muss effektiv und schockierend sein. Aufregende Verfolgungsszenen, Blut und Striptease, und natürlich ergreifende Augenblicke sind erwünscht. Wie auch die besten Werke, zeichnet sich Funny Game durch seine Simplizität aus. Auf eine schockierende Weise zieht der Film den Boden der Gewohnheit unter uns weg, und es bleibt nichts übrig, was uns Halt bieten kann. Die Frau ist kein Fotomodell, der Mann ist kein Superman und der Sohn ist kein Wunderkind. Sie sind unansehnlich, ratlos und der Situation ausgeliefert. Dieser Film ist ein waschechter anarchischer Minimalfilm, was uns Zuschauern die Möglichkeit der Katharsis entzieht, aber dennoch provoziert. In dem Film gibt es keine blutigen Szenen, er nimmt ja an, dass der Zuschauer eine beflügelte Phantasie besitzt, so dass er sich vorstellen kann, wie eine entkleidete, erniedrigte Frau oder ein zersplitterter Kindskopf aussieht. Es ruft eine virtuelle Verwirrung hervor, als der eine Mörder keck in den Zuschauerraum zwinkert und uns fragt, was er tun, wie es nun weitergehen solle, als ob er es als vollkommen natürlich ansieht, dass wir in Ermangelung eines Besseren mit dem Bösen identisch wären. Haneke baut auf unsere Grundideale. Er zerbricht die Sicherheitsillusionen unserer Konsumgesellschaft und zeigt uns damit, dass wir nur dessen sicher sein können, dass sich der Tod über unsere hohen Zäune und durch unsere geschlossenen Türen frei bewegen kann. Funny Game ist so ein Computerspiel, das zu den nicht zu vergessenden Kinoerlebnissen gehört. Vielleicht sind wir empört, wenn wir das Kino verlassen und sagen: das ist ja abartig, aber die Geschichte nistet sich unbemerkt in unserem Kopf ein, und wir können uns nicht mehr einen Film mit den gleichen Augen ansehen, wie früher.
Funny Games
Österreich, 1996, 103 Min.
Regie: Michael Haneke
Mit Arno Frisch, Frank Giering, Susanne Lothar, Ulrich Mühe
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