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Zeitung << 1/2003 << Die Goethe-Sammlung Elischers und das Goethe Institut


Die Goethe-Sammlung Elischers und das Goethe Institut
Eine literarische Studienreise nach Budapest

Autorin: Barbara Horváth

Als Besucher des Faust-Seminars, das Prof. Dr. Árpád Bernáth im Sommersemester 2003 hielt, eröffnete sich mir eine vielversprechende Möglichkeit: Mit unserem Institut nach Budapest zu fahren und dort die Ungarische Akademie der Wissenschaften und das Goethe Institut zu besichtigen. Dass sich diese Möglichkeit am 11. April 2003 erfüllte, ist Herrn Prof. Bernáth, der uns begleitete, der HÖK, die unsere Reise finanzierte, und Brigitta Szabó, die die Formalitäten erledigte, zu verdanken.

An einem Freitagmorgen fuhr unsere kleine Germanistengruppe von sieben Personen mit Professor Bernáth nach Budapest. Schon während der Fahrt handelte es sich natürlich um Goethe und sein Hauptwerk, wie wir, echte Faustfans, es erwarten konnten. In Budapest angekommen spazierten wir am Ufer der Donau zum Gebäude der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, wo wir herzlich begrüßt wurden. Von Frau Martha Hildegard bekamen wir zuerst einen kurzen Einblick in das Leben dieses Instituts. Gleich danach stellte sie uns die berühmte Goethe-Sammlung vor. Diese europaweit bekannte Kollektion enthält nicht nur schriftliche Dokumente, sondern auch Mineralien und verschiedene Gegenstände, die etwas mit Goethe zu tun haben, wie z.B. einen Spazierstock. Die Sammlung wurde von Gyula Elischer, dem Neffen des Rechtsanwaltes Boldizsár Elischer, der sie zusammen gestellt hatte, der Akademie geschenkt. Neben dem Goethe-Haus in Frankfurt oder dem Weimarer Goethe-Museum und dem Goethe-Schiller Archiv, ist auch diese ungarische Sammlung, mit mehr als 34 Autographen Goethes, etwa 144 Handschriften seiner Zeitgenossen, ungefähr 400 Stichen, 1056 Broschüren und 360 Noten sehr bedeutend. Sogar eine Handschrift Beethovens, die der Vertonung der Dichtung Karl Lappes “Nord oder Süd”, ist hier zu finden. Was sie von den oben erwähnten Archiven und Museen unterscheidet, sind die Bücher, die hier zu finden sind, durch die sowohl das ganze Werk des Autors als auch seine Familie, das Milieu, das Zeitalter und der Hof von Weimar kennen zu lernen sind.
Einige Beispiele aus der sehr beeindruckenden Kollektion: Über die Kindheit und das Heim des Verfassers können wir in Goethes Vaterhaus und im Goethe Bilderbuch lesen. Um seine Lehrjahre geht es in August von Goethes Heidelberger Studentenjahre. Auch in die Korrespondenz, die er nach seiner persönlichen Begegnung mit Herder geführt hat, kann man sich mithilfe des Bandes Briefe aus den Freundenkreise von Goethe, Herder, Höpfner und Merck (Lpzg. Fleischer, 1847) vertiefen. In derselben vielseitigen Sammlung sind auch zeitgenössische Übersetzungen zu bewundern, z.B. die erste in ungarischer Sprache gedruckt erschienene Variante Der Leiden des jungen Werthers, Arbeit des Dichters und Dramaschreibers Jenõ Bajza, oder die Übersetzung Döme Horváths: Die Geschwister. Um die Vollständigkeit der Sammlung zu veranschaulichen, seien hier noch zwei Bücher erwähnt: Römische Elegien (1795) und Das Römische Carneva (1789), in denen die Erlebnisse der italienischen Reisen zu lesen sind.
Nach dieser bezaubernden Sammlung besuchten wir die Bibliothek des Goethe Instituts, wo viele wertvolle und nützliche Bände, Wörterbücher, Nachschlagewerke und Zeitschriften zu lesen und auszuleihen sind. Da diese Bibliothek in enger Verbindung mit dem deutschen Goethe Institut steht, sind hier sehr viele Materialien zum Germanistikstudium vorhanden. Auch ihre Lage ist nützlich, sie befindet sich in der Nähe des Westbahnhofs in Budapest. Nach einem angenehmen Mittagessen kehrten wir zum Institut zurück und nahmen an dem fantastischen Vortrag Goethes Modernität im 21. Jahrhundert teil, der ursprünglich der Zweck unserer Reise war. Den Vortrag hielt der Generalsekretär der Alexander von Humboldt-Stiftung Dr. Manfred Osten.

Sein Vortrag wurde auf Grundlage seines Buches “Alles veloziferisch” oder Goethes Entdeckung der Langsamkeit gehalten. Osten betonte die Zeitlosigkeit und Aktualität der Gedanken unseres Autors zu Themen, die das gerade begonnene neue Jahrhundert bewegen und beunruhigen: religiöser Fanatismus, die Entschlüsselung des menschlichen Genoms, die globale Beschleunigung in Wirtschaft und Gesellschaft. Als Ergänzung hörten wir Osten am Anfang und am Ende seines Vortrages zwei Klavierstücke selbst spielen.
Die Studienreise war sehr interessant und nützlich. Es wäre wünschenswert, viele solche Reisen zu organisieren und daran teilzunehmen, um unsere Studien noch interessanter und fruchtbarer zu machen.

Manfred Osten studierte von 1959 bis 1964 Rechtwissenschaften, Philosophie, Musikwissenschaften und Literatur in Hamburg und München. 1969 promovierte er zum Dr. jur. und trat anschließend in den Auswärtigen Dienst ein, wo er u.a. in Frankreich, Kamerun, Tschad, Australien und Ungarn tätig war. Von 1986 bis 1992 war er an der deutschen Botschaft in Tokyo. 1993/94 leitete er das Osteuropa-Referat im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. Im Laufe seiner Karriere erhielt er zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen (z.B. Order of the Rising Sun, Japan).