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Zeitung << 1/2003 << Ja zur EU
Ja zur EU
Autorin: Beatrix Tóth
Am 12. April 2003 wurde mit einer überwältigenden Mehrheit für den EU-Beitritt Ungarns gestimmt. Dazu führte aber ein langjähriger und harter Weg.
Am 16. Dezember 1991 unterzeichnete Imre Antall, der damalige Ministerpräsident, den Assoziierungsvertrag mit der Europäischen Gemeinschaft, der am 1. Februar 1992 in Kraft trat. Noch in diesem Monat wurde Ungarn in den Nordatlantischen Kooperationsrat der NATO aufgenommen. 1994 stellte der neue Ministerpräsident Gyula Horn den Beitrittsantrag zur EU. Nach drei Jahren wurde Ungarn zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union anlässlich der Sitzung des Europäischen Rates in Luxemburg eingeladen. Drei Tage danach fand die Unterzeichnung des Beitrittsprotokolls zur NATO statt. Schon im März 1998 begann die erste Phase der Beitrittsverhandlungen mit der EU, und noch im selben Jahr begann der neue Ministerpräsident Viktor Orbán die Beitrittsverhandlungen. Am 12. März 1999 trat Ungarn offiziell der NATO bei. Während dieser Zeit hatten Ungarn und die anderen kandidierenden Beitrittsländer mehrere Kriterien zu erfüllen, um der EU überhaupt beitreten zu können. EU-Kommissionen wurden gegründet, um die Erfüllung der Kriterien zu überwachen.
Die EU-Kommission bescheinigte Ungarn in ihrem letzten Bericht, dass das Land die politischen Kriterien für die Aufnahme erfüllt habe. Das Land habe seine demokratischen und rechtsstaatlichen Institutionen ausgebaut. Das gilt auch für Institutionen, die die Achtung und den Schutz der Minderheiten garantieren sollen. So wurden Finanzmittel aufgestockt, um die Rechte der Roma wirksamer schützen zu können. Auch die Reform der öffentlichen Verwaltung wurde vorangebracht. Der öffentliche Dienst hat an Anziehungskraft gewonnen, weil die Bezahlung und Aufstiegsmöglichkeiten verbessert wurden. Durch Fortbildungen des Personals und Computersysteme hat sich auch die Leistungsfähigkeit der Gerichte verbessert. Der Kampf gegen die Korruption steht auf der Prioritätenliste der ungarischen Regierung weiterhin an erster Stelle. Eine Verschärfung der Strafgesetzgebung soll helfen, das Problem zu bewältigen. Die EU fordert, dass strengere Gesetze in die Tat umgesetzt werden, um den Kampf gegen die Korruption erfolgreicher durchzuführen. Nach Ansicht der EU-Kommission ist die Wirtschaftsentwicklung zur Zeit ausreichend. Die Marktwirtschaft funktioniert. Das Land wird in absehbarer Zukunft dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften in der Union standhalten können. Das setzt aber voraus, dass Ungarn seinen Reformkurs konsequent durchführt. Als alle Maßnahmen überprüft wurden und Ungarn allen vorgeschriebenen Kriterien entsprach, und einigen anderen in ein paar Jahren entsprechen wird, konnte die Wahl zur EU stattfinden.
Bei der Volksabstimmung am 12. April 2003 haben sich 83,76 % der Wähler für den geplanten Beitritt 2004 zur Europäischen Union ausgesprochen. Bis zum späten Abend waren die Stimmen so gut wie vollzählig ausgezählt. Die Wahlbeteiligung lag aber nach Auskunft des zentralen Wahlbüros nur bei 44,13 Prozent. Die Leiterin des zentralen Wahlbüros, Emilia Rytko, erklärte die geringe Beteiligung damit, dass die Abstimmung am Samstag und nicht wie üblich am Sonntag statt fand. Die Wahlbeteiligung lag um fünf Prozentpunkte niedriger als bei der Abstimmung über den NATO-Beitritt im Jahr 1997. Die Volksabstimmung in Ungarn war das dritte EU-Referendum in den zehn ost- und südosteuropäischen Beitrittsländern. Die Bevölkerungen von Malta und Slowenien haben dem Beitritt bereits zugestimmt. Ungarns Ministerpräsident Péter Medgyessy sagte Folgendes nach dem Wahlergebnis: „Es ist sehr gut, dass wir zu einer Familie gehören werden, zu einer großen Familie, in der es wahre Werte gibt“, „Ich erwarte, dass Ungarn ein wohlhabendes Land mit besseren Perspektiven wird.“ Auch Außenminister László Kovács begrüßte das Ergebnis mit folgenden Worten: Sein Land habe „Geschichte geschrieben“ und der Weg in die EU sei nun geebnet, aber es werde „nicht leicht“ sein.
Danach, am 16. April, feierte die EU in Athen die größte Erweiterung in ihrer Geschichte. Zehn Kandidatenländer besiegelten die offiziellen Beitrittsverträge. Die europäischen Staats- und Regierungschefs sowie ihre Außenminister haben in einer feierlichen Zeremonie am Fuß der Akropolis den EU-Erweiterungsvertrag mit den zehn Beitrittsstaaten (Ungarn, Polen, Slowenien, die Slowakei, Litauen, Tschechien, Estland, Lettland, Zypern und Malta) unterzeichnet.
Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder würdigte die Erweiterung in Athen am Fuße der Akropolis, als Überwindung der Teilung Europas, bevor er gemeinsam mit Außenminister Josef Fischer den EU-Erweiterungsvertrag für Deutschland unterschrieb. Die Deutschen seien besonders froh, dass die Teilung Europas endgültig überwunden wurde. Schröder erinnerte daran, dass Deutschland den Zweiten Weltkrieg begonnen hat und unter seinen Folgen sehr gelitten hat, und sagte „Europa ist für Deutschland und die Deutschen weit mehr als nur ein Markt “.
Der österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel bezeichnete die Unterzeichnung des EU-Beitrittsvertrags mit zehn ost- und südosteuropäischen Staaten in Athen unmittelbar vor der Besiegelung der Beitrittsakte als einen „wirklich historischen Moment in der Geschichte der Europäischen Union“. Danach fuhr er fort: „Damit wird eigentlich der Fall des Eisernen Vorhangs, dieses magische Jahr 1989, abgeschlossen“. Außenministerin Benita Ferrero-Waldner, die den EU-Vertrag gemeinsam mit dem Kanzler für Österreich unterzeichnet hat, würdigte diesen Schritt als „Taufe des neuen Europas im 21. Jahrhundert“.
Der EU-Kommissionspräsident Romano Prodi rief zur Dankbarkeit an die zehn neuen Mitglieder auf. Lange vor dem Fall der Berliner Mauer hätten sie bereits ihr Verlangen danach gezeigt, in Frieden und Demokratie mit den anderen Europäern zu leben. Die Erweiterung um die zehn Länder bereitet zugleich den Weg für den für 2007 vorgesehenen Beitritt Bulgariens und Rumäniens. Über Verhandlungen mit der Türkei soll im kommenden Jahr entschieden werden.
Die größte Erweiterungsrunde in der Geschichte der Europäischen Union wird dann am 1. Mai 2004 vollzogen. Nach diesem Ereignis wird es eine neue, aus 25 Mitgliedstaaten bestehende Europäische Union geben, in der 450 Millionen Europäer leben werden.
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