Startseite | Impressum | Zeitung | Beiheft | Archiv nach Autoren | Archiv nach Rubriken








Zeitung << 2/2003 << „Bologna” nach Piliscsaba mitbringen


„Bologna” nach Piliscsaba mitbringen
DAAD-Alumniseminar in Piliscsaba vom 12.-14.9.2003

Autorin: Katinka Gutai

Mitte Herbst hatte ich die Möglichkeit an einem interessanten DAAD-Alumniseminar in Piliscsaba auf dem wunderschönen Campus der Katholischen Péter-Pázmány-Universität teilzunehmen. Die Teilnehmer des Seminars waren DAAD-Alumni, also ehemalige DAAD-Stipendiaten, und prominente deutsche und ungarische Experten des Themas Bildung.

Rektoren deutscher und ungarischer Hochschulen (z.B. BME, ELTE, FH Karlsruhe), Vertreter des ungarischen Bildungsministeriums (z.B. politischer Staatssekretär Dr. Tamás Szabados) und des DAAD (z.B. Generalsekretär Dr. Christian Bode) nahmen an den Diskussionen teil. Zwei Experten aus den Themenfeldern Arbeitsmarkt– und Berufsforschung (Prof. Dr. Jutta Allmendinger) und kindliche Entwicklung (Dr. Donata Elschenbroch) waren auch präsent.
Die ganze Veranstaltung war sehr gut organisiert und vorbereitet. Bereits Mitte Juli sollten wir die ausgefüllten Anmeldeformulare mittels Internet zurückschicken. Der DAAD hat nämlich eine große Datenbank, wo die Daten von ehemaligen DAAD-Stipendiaten aufgelistet sind. Die Organisatoren dachten an alles: sie haben schon damals nachgefragt, an welcher Arbeitsgruppe wir in der Diskussion mitmachen möchten, ob wir Unterkunft brauchen, ob wir gänzlich oder nur teilweise an dem Programm teilnehmen können. Das ganze Programm mit den Rednern und Themen der Vorträge war bereits damals vorhanden, man konnte sich also über die ganze Veranstaltung ein klares Bild schaffen. Die Rahmenprogramme waren auch interessant: Es gab ein Orgelkonzert und einen Ausflug zum Freilichtmuseum in Szentendre. Die Versorgung war erstklassig.
Im Mittelpunkt der Diskussionen stand die hochaktuelle Reform des Hochschulwesens, der sog. „Bologna Prozess”, dessen nächster Konferenz auf Ministerebene ein paar Tage später am 19.9.2003 in Berlin stattfand. Die Geschichte dieser Reform geht auf das Jahr 1999 zurück, als sich 29 Bildungsminister in Bologna trafen, um ein einheitliches System für die europäische Bildung auszuarbeiten. Ziel war für Transparenz, Mobilität und nicht zuletzt Qualität im System zu sorgen. Die Zuständigen trafen sich 2 Jahre später in Prag wieder und bestimmten weitere Prioritäten. Sie entschieden sich für die Einführung eines zweistufigen Systems (Bachelor - Bakkalaureus oder abgekürzt BA, Master – Magister oder MA + evtl. Doktoranden-Studium), und des Diploma Supplements, das die wichtigsten Inhalte der Ausbildung auflisten soll. Diese Schritte sollten leicht verständliche und vor allem vergleichbare Abschlüsse sichern. Aus demselben Grund sollte ein europaweites System von Leistungspunkten, dem „European Credit Transfer System” (ECTS) und eine Art Akkreditierung – TÜV-Prüfung – eingeführt werden. Die Mobilität des Systems soll dadurch gewährleistet werden, dass die Leistungen und Bafög-Zahlungen der Studenten auch in die „Bologna-Länder" mitgebracht werden können. Die deutschen Studenten verfügen auch jetzt über diese Möglichkeit nach zwei Semestern. Diese Veränderungen sollten insgesamt dazu beitragen, dass das Hochschulwesen in Europa weltweit wettbewerbsfähiger sein kann, und den Zielen qualitätsvolle Forschung und lebenslange Weiterbildung dienen kann. Die wichtigsten Termine des Reformpakets wurden schon damals festgelegt: bis zum Jahr 2010 soll ein einheitlicher Europäischer Hochschulraum verwirklicht werden, aber bereits bis zum Jahr 2005 sollen alle Universitäten begonnen haben, ein zweistufiges System von Bachelor- und Master-Studiengängen einzuführen.
Das schöne Konzept scheint allerdings in der Praxis zu scheitern. Aus den Diskussionen der Veranstaltungen ging immer wieder hervor, dass diese Idee von allen für äußerst wichtig gehalten wird, alle bereit sind es einzuführen, trotzdem kann man auch in Deutschland nur wenige Beispiele für Bakkalaureus- und Magister-Studiengänge finden. Die Verzögerungen in Deutschland und Ungarn können teilweise in beiden Fällen mit finanziellen Problemen und Angst um die Qualität der Ausbildungen erklärt werden. Der Bund förderte zwar bereits mit über 100 Millionen Euro die Einführung, aber das deutsche Hochschulwesen leidet seit 20 Jahren unter finanziellen Problemen. In Ungarn liegt das Problem auch darin, dass die Hochschulen auch über Master-Studiengänge verfügen wollen, weil diese besser vom Staat gefördert werden. Diese Verzögerung kann aber nicht allein mit Geld erklärt werden, viele Universitäten und Hochschulen wollen einfach an den „bewährten Abschlüssen” festhalten, und haben auch Angst vor einer „Amerikanisierung” des Hochschulwesens.
Zur Zeit geht es also sowohl in Ungarn als auch in Deutschland um eine Grauzone, wo alte und neue Abschlüsse nebeneinander existieren. Meiner Meinung nach kann die Mehrheit der Studenten zwischen dem alten und neuen System überhaupt nicht unterscheiden, aber da kann man sich nicht wundern, weil man das leider auch von vielen Zuständigen des Hochschulwesens behaupten könnte.
Die deutsche Delegation hat auch darauf hingewiesen, dass man einen Etikettenschwindel im Zusammenhang mit der Einführung der neuen Abschlüsse unbedingt vermeiden sollte, man soll also nicht auf den alten Studiengang einen neuen Namen kleben. Der ganze Inhalt des Studiums soll geändert werden, damit die Studenten auch nach dem Bakkalaureus-Abschluss eine Arbeit finden können. Dr. Donata Elschenbroch meinte außerdem, dass diese Reformen eine gute Möglichkeit bieten, die Lehramts- und Kindergärtnerausbildung praxisorientierter zu machen.
Mehrere Vertreter der ungarischen Universitäten betonten, dass diese Reform im Fall von einigen Studiengängen kaum vorstellbar sei, wie z.B. Jus, Medizin. Die Diskussionen waren sehr fachbezogen. Ohne die ganzen Regelungen besser zu kennen, konnte ich sie nicht immer ganz verfolgen. Trotzdem freue ich mich, dass ich an diesem Seminar teilnehmen konnte, weil mein Interesse erweckt wurde, und ich später bisschen mehr nachforschen konnte.
Ich finde es schade, dass nur ca. 70 Alumni an der Veranstaltung teilnahmen, obwohl allein im Jahre 2002 43 Personen mit einem Jahresstipendium, 92 Personen mit einem Hochschulsommerkursstipendium, 58 Personen mit Studienpraktika in Ungarn vom DAAD gefördert wurden, und diese Liste ist noch lange nicht vollständig. Der DAAD fördert auch Partnerschaften ungarischer-deutscher Unis (z.B. Szeged - Siegen), er unterstützt sogar die Alumnivereine überall auf der Welt. In Ungarn konnte der Alumniverein leider noch immer nicht gegründet werden, obwohl bei der Veranstaltung noch viele begeistert davon waren und Anlaß zu Hoffnungen gaben. Eins steht aber fest, in ca. 10 Jahren gibt es wieder ein Alumnitreffen in Ungarn, und wenn es geht, möchte ich dabei sein.