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Zeitung << 1/2004 << Gender Studies


Gender Studies
Eine mögliche Lehrveranstaltung für Germanisten

Autorin: Anita Fekete


Schon die alten Griechen beschäftigten sich mit der Definition des weiblichen Geschlechts, aber bis heute ist es nicht gelungen, eine einheitliche These aufzustellen, was als weiblich gilt und was eigentlich das „Weib“ ist. Sind wir damit einverstanden? Ist die Frau etwas Untergeordnetes, etwas Fehlerhaftes? Über Frauen forschten fast ausschließlich Männer, kein Wunder also, dass sie die Frauen als untergeordnete Wesen dargestellt haben. Später erschien die „Frauenforschung”, die eine auf Erfahrungen der Frauen basierende Theoriebildung anstrebte und so ein realistischeres Bild darstellen konnte.

Wir hören von „Gender Studies” immer öfter, aber nur wenige von uns wissen genau, womit sich dieses Fach beschäftigt, und „zu welchem Ende“ man es studiert. Es ist ein modernes Thema, über die Frauen und deren Rolle in der Gesellschaft zu reden, zahlreiche Filme und Bücher handeln von dem „Problem” der Emanzipation. Wahrscheinlich gibt es niemanden, der den Film „Bridget Jones” nicht kennt (vgl. auch die Rezension zu „Ildikó von Kürthy: Mondscheintarif” im GeMa 1/2003).
Die Vorstellung über die Frauen verändert sich schnell, heute haben wir schon eine ganz andere Sichtweise auf die Frauen als vor hundert Jahren. Es ist eine Tatsache, dass Frauen immer, so wie auch die Männer, aktiv am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben in der Geschichte der Menschheit teilgenommen haben. Allerdings wurden sie in den unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen und Forschungsbereichen weitgehend vernachlässigt. Die Damen spielten in den früheren Zeiten gar keine oder nur eine geringe Rolle in der Geschichtsschreibung. Sind nur Männer ein Geschlecht? Im 19. Jahrhundert hatte der Mann eine freie und autonome Beziehung zu Staat, Ökonomie und Gesellschaft. Sein Leben war nach außen hin orientiert und mit dem Allgemeinen verhaftet. Auch die Institutionen, in denen er sein Leben verbrachte, verstanden sich nicht als männlich, sondern als allgemeinmenschlich. Diese Gleichsetzung von Mann und Mensch rief seit dem späten 19. Jahrhundert großen Widerspruch hervor.
Die erste Frauenbewegung in Deutschland wurde 1865 mit dem Namen „Allgemeiner Deutscher Frauenverein” (ADF) gegründet und kämpfte unter anderem für die Verbesserungen im Frauenrecht und in der weiblichen Erziehung und für den Zugang zu Berufen. Dieser Organisation folgten noch viele andere. Neue Verbände kamen zustande und dank ihrer Arbeit hat sich die Stellung der Frau zwischen 1870 und 1914 zwar noch nicht radikal, aber doch wesentlich verändert. Fragen wie Sexualität, Familie und Frauen standen immer mehr im Vordergrund und stehen es auch heute noch. Mit der sexuellen Revolution des 20. Jahrhunderts im bürgerlichen Bereich veränderte sich die ganze Auffassung von der Ehe, der Scheidung und von der Partnerschaft im Allgemeinen.
Man hört immer, dass Männer männlich und Frauen weiblich sein sollen. Es ist aber schwer zu entscheiden, was männlich und weiblich ist. Ist das natürliche, körperliche oder das soziale Geschlecht von bedeutender Rolle? Ist ein kleines Kind von Geburt an dem eigenen Geschlecht spezifisch oder verwandelt es sich durch seine Sozialisation in der Gesellschaft zu einem Mann oder einer Frau? Was gilt als Normalität und was nicht? Ist Homosexualität abnormal? Diese Fragen versuchen die Gender-Forscher zu beantworten, eine einheitliche Antwort gibt es aber nicht. In jeder Gesellschaft haben die Frauen und die Männer eine unterschiedliche Stellung, die durch viele äußere Bedingungen und Kategorien beeinflusst werden. Eine Eskimofrau ist anders weiblich als z.B. eine europäische Frau. Lebensort, soziale Klasse, „Rasse”, Ethnizität, Nationalität, Alter und Sexualität spielen also eine große Rolle.
Gender Studies können nur und ausschließlich interdisziplinär behandelt werden, weil sie sehr eng mit den verschiedenen Fachbereichen in Verbindung stehen. Die Sprachwissenschaft, Soziologie, Geschichte, Literaturwissenschaft, Rechtswissenschaft und noch viele andere Wissenschaften können mit der Untersuchung der Geschlechter-Fragen eine neue Betrachtungsweise herstellen. In erster Linie sind sie an die Kulturwissenschaft zu knüpfen (vgl. das Interview mit Prof. Dr. Wilhelm Voßkamp in diesem Heft). An unserem Institut sind noch keine Veranstaltungen zu Gender Studies zu belegen, aber vielleicht werden solche Seminare und Vorlesungen einmal unser Wissen erweitern.