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Zeitung << 1/2004 << Die 54. Internationalen Filmfestspiele Berlin 2004
Die 54. Internationalen Filmfestspiele Berlin 2004
Türkischer Sieg
Autorin: Gabriella Szabó
Die Eröffnungsgala der 54. Berlinale fand im Berlinale-Palast am 5. Februar 2004 statt. Moderatorin Anke Engelke und der Festival-Direktor Dieter Kosslick waren die Gastgeber während des Abends. Eröffnet wurden die Internationalen Filmfestspiele Berlin durch die Kulturstaatsministerin Christina Weiss und den regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit. Berlinale-Fans, die sich nicht auf den Weg in die Hauptstadt machen konnten, hatten dennoch einen besonderen Grund zur Freude: In München, Nürnberg, Köln, Dettelbach und Hamburg wurde die feierliche Eröffnung erstmals seit Bestehen der Berlinale in ausgewählten Kinos live übertragen.
„Cold Mountain” war ein würdiger Eröffnungsfilm für die Berlinale. Antony Minghellas Film handelt von einer Liebesgeschichte in den Wirren des amerikanischen Bürgerkrieges mit so namhaften Schauspielerinnen und Schauspielern wie Nicole Kidman, Renée Zellweger und Jude Law. Dieses Jahr konkurrierten 23 Filme um die Bären. Die Wettbewerbsfilme stammten aus 18 verschiedenen Ländern, nur zwei davon kamen aus Deutschland: „Gegen die Wand” und „Die Nacht singt ihre Lieder”. Selten lagen fürs deutsche Kino bei einer Berlinale Triumph und Niederlage so nah beieinander wie im Jahre 2004. Die Jury, die dieses Jahr mit 18000 Teilnehmern die größte bisher war, fand Romuald Karmarkars „Die Nacht singt ihre Lieder” schlecht. Dafür wurde „Gegen die Wand” mit dem goldenen Bären ausgezeichnet (vgl. die GeMa-Rezension zu diesem Film nach diesem Beitrag). Fatih Akin, der türkisch-deutsche Filmemacher, erzählt in seinem Film von einem Liebes- und Eifersuchtsdrama in der zweiten Migrantengeneration in Deutschland. Akin sagt: „Meine Generation und die meiner Eltern haben viel gearbeitet und dieses Land wirtschaftlich und kulturell mit aufgebaut.” Er habe nicht mit der Auszeichnung gerechnet, das Filmteam sei schon froh gewesen, auf der Berlinale dabei zu sein. Nach 18 Jahren gewann damit wieder eine „deutsche” Produktion die höchste Auszeichnung der Berlinale. 1986 zeichnete man den Film „Stammheim” von Reinhard Hauff mit dem goldenen Bären aus. Das deutsche Jury-Mitglied, der Produzent Peter Rommel stand für unabhängig produzierte Filme, und die anderen Mitglieder begünstigten auch die kleineren, risikofreudigeren Produktionen. So war es keine Überraschung, dass aufwendige Hollywood-Filme wie „The Missing” keine Bestätigung bekamen. Der silberne Bär ging nach Argentinien an Daniel Burman für „Lost Embrance”. Das ist ein komisches und sehr anrührendes Werk über die schwierige Selbstfindung eines jungen Mannes in Buenos Aires. Auch der Hauptdarsteller, Daniel Hendler, ein liebenswerter Looser-Typ, erhielt einen Bären als bester männlicher Darsteller. Neben dem amerikanischen mit dem Oscar ausgezeichneten Superstar Charlize Theron, die in dem Serienkiller-Film „Monster” überzeugte, bekam auch die junge Kolumbianerin Catalina Sandlino Moreno aus „Maria voll der Gnade” den Bären für die beste Schauspielerin. Sie spielte sehr glaubwürdig eine Arbeiterin am Rande Bogotas, die hofft, sich mit Drogenschmuggel aus ihrer bedrückenden Lebenssituation befreien zu können.
Die 54. Internationalen Filmfestspiele Berlin prämierten den argentinischen Filmemacher Fernando Solanas mit einem Goldenen Ehrenbären für sein Lebenswerk. Seit über 30 Jahren betrachtet Fernando Solanas sein Heimatland Argentinien, dessen politische und soziale Realität, mit den Mitteln des Kinos. Sein jüngster Dokumentarfilm „Memoria del saqueo” (Geschichte einer Plünderung) wurde aus diesem Anlass am 10. Februar 2004 im Kino International gezeigt. „Mein Film”, so Regisseur Solanas, „soll als lebendiges Bild einen Beitrag zur dringend notwendigen Diskussion leisten, die in meinem Land, in Lateinamerika und in der ganzen Welt über die menschenunwürdige Globalisierung stattfindet. Gleichzeitig soll er aufzeigen, dass eine andere Welt möglich ist.” Der Friedensfilmpreis ging an die kroatische Produktion „Die Zeugen” von Vinko Bresan. „Die Existenz dieses Filmes und sein Entstehen beenden die Sprachlosigkeit des Nachkrieges und ermöglicht Dialog und Hoffnung”, hieß es in der Jurybegründung. Die Geschichte spielt in einer kroatischen Kleinstadt im Kriegsherbst 1992.
Dieses Jahr verlieh die Jury erstmals einen gläsernen Bären für den besten Jugendfilm. Im Rahmen des Kinderfilmfests soll das neue Programm die Lücke zwischen Filmen für Kinder und nur Erwachsenen zugänglichen Filmen füllen. Die Verleihung des Bären für den besten Jugendfilm erfolgte durch eine fünfköpfige Jury im Alter von mindestens 14 Jahren. Der gewachsene politische Anspruch der Berlinale spiegelte sich in den vielen Nebenveranstaltungen, Diskussionen und Foren wieder, die langsam zu einer neuen Unübersichtlichkeit führt. Aber das Publikum ließ sich davon nicht abhalten. An fast allen Berlinale-Tagen strömten die Zuschauer in die meist überfüllten Säle (zu der 52. Berlinale 2002 vgl. GeMa 1/2002).
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