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Zeitung << 2/2004 << Freude an der Linguistik


Freude an der Linguistik
Projektseminar Deutsche Grammatik 1650-2000

Autorin: Barbara Horváth

Das ehemalige Projekt- und Diplomandenseminar von Herrn Vilmos Ágel und Frau Mathilde Hennig war für mich ein wunderschönes Beispiel dafür, dass ein Linguistikseminar interessant und bezaubernd sein kann. Ich habe in dieser Lehrveranstaltung nur gute Erfahrungen gemacht. Ich möchte jetzt also die schöne Seite der Linguistik vorstellen und die Aufmerksamkeit derjenigen erregen, die für die Sprachwissenschaft vielleicht nicht so sehr schwärmen.
Ich habe diese Lehrveranstaltung drei Semester lang besucht, so verfüge ich über eine Menge von Erlebnissen. Das Zeitintervall im Titel des Seminars zeigt die Epoche, mit der sich Professor Ágel und die Projektteilnehmer in seinem Projekt „Neuhochdeutsche Grammatik 1650-2000“ beschäftigen. Aus dieser Epoche stand uns eine bestimmte Zahl von Korpustexten zur Verfügung, je ein Text aus den verschiedenen Jahrhunderten. Es war höchst interessant, dass wir mit Texten aus dem 17. Jahrhundert gearbeitet haben. Die Textsorten sollen hier auf jeden Fall erwähnt werden. In einem war beispielsweise über Hexenprozesse, in einem anderen über das Leben eines Elsässer Kannengießers zu lesen. Während des Semesters sollten bestimmte Teile dieser Korpustexte aufgearbeitet werden. Im Allgemeinen gab es einen bestimmten Gesichtspunkt, zum Beispiel Adjektivdeklination, Reflexivum, Constructio ad sensum oder etwas Ähnliches, nach dem eine bestimmte Passage des Korpus unter der Anleitung unserer Dozenten untersucht wurde. Jede(r) Studierende sollte eine Textpassage prüfen und die Ergebnisse der Forschungsarbeit kurz zusammenfassen. Im Fall der Adjektivdeklination sollten zum Beispiel alle Belege des Korpustextes gesucht werden, in denen es ein dekliniertes Adjektiv gab. Diese Belege wurden nach Numerus, Genus und Kasus gruppiert. So bekamen wir am Ende des Semesters eine mehr oder weniger vollständige Tabelle der Adjektivdeklination der deutschen Sprache des 17. Jahrhunderts. Das schriftliche Festhalten der Ergebnisse war für eine Unterschrift am Ende des Semesters ausreichend. Diejenigen, die nicht nur eine Unterschrift, sondern auch eine Note brauchten, sollten noch ein Kurzreferat halten und eine Seminararbeit schreiben.
Diese Aufgabe schien zuerst furchtbar schwer zu sein. Was kann ich eigentlich mit einem Text aus dem 17. Jahrhundert tun? Wie soll eine Seminararbeit verfasst werden? Diese Aufgabe bedeutete aber für mich eine sehr beeindruckende Erfahrung. Zum ersten Mal machte ich im Laufe meines Studiums eine praktische Forschungsarbeit, zum ersten Mal hatte ich das Erlebnis, dass ich selbst fähig bin, solch eine Arbeit durchzuführen. Gleichzeitig bin ich zu dem Entschluss gekommen, meine Diplomarbeit in diesem Bereich zu schreiben.
Diese positive Erfahrung ist der Methode von Herrn Ágel und Frau Hennig zu verdanken. Sie beide lehren, dass man alles kritisch sehen und logisch und klar aufbauen soll. Nach dem Ausschluss der Widersprüche sollte man schließlich seine eigene Meinung, seine eigenen Gedanken zu einem Thema formulieren. Meines Erachtens wäre es für jede(n) Studierende(n) sehr wichtig ein ähnliches Seminarerlebnis zu erfahren, weil man nur so am Studentendasein Freude haben kann. Meine besten Studienerlebnisse wurden also durch dieses Linguistikseminar hervorgerufen. Leider kann ich euch dieses Seminar nicht mehr empfehlen. Herr Professor Ágel und Frau Dr. Hennig sind nämlich im September 2004 nach Kassel gegangen (vgl. GeMa 1/2004). Sie arbeiten nunmehr an der Universität Kassel und bieten dort ähnlich interessante Lehrveranstaltungen an. Ich möchte euch alle ermutigen, solche Linguistikseminare zu besuchen. So kann man die Angst vor dem Verfassen einer eigenen linguistischen Seminararbeit vergessen und nur so kann man die schöne Seite der Linguistik kennen lernen.