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Studium in Regensburg mit Erasmus
Eine Reise zu sich selbst
Autorin: Dorottya Csernai
1. Oktober 2004. Flug nach Deutschland mit einem einzigen Rucksack, große Neugier und Freude im Herzen. 700 km in anderthalb Stunden: Budapest-München-Regensburg. An der Uni, Auslandsamt, netter Empfang von Susanne Gschnaidner, der neuen Ausländertutorin. Schlüssel zu dem Zimmer bekommen. Das Melanchtonwohnheim ist außerhalb der Stadt in West-Regensburg. Zwölf Mitbewohner, nur ein Mädchen aus Tschechien, so sind wir eigentlich zu zweit. Leider sind unsere Mitbewohner überhaupt nicht kommunikativ, trotz aller Anstrengung. Am Anfang habe ich gedacht, na ja, sie wohnen schon seit zwei, drei Jahren zusammen, sind daran gewöhnt, dass ein Ausländer kommt und nach paar Monaten wieder geht, aber trotzdem, wenn ich in die Küche gehe, sollte man schon „Hallo“ sagen, meine ich.
Mein Zimmer musste möglichst schnell gemütlich gemacht werden. Die Wände waren kahl, alles leer, der Schrank grün, der Boden blau, die Tür gelb. Das einzige Positivum war, dass die eine Wand nur aus Fenstern besteht, so ist das Zimmer wenigstens hell. Aber heute ist mein Zimmer für mich wie eine Insel des Friedens. Sehr heimelig, ein paar Fotos, Bücher, Landkarte an der Wand, Blumen, und man fühlt sich schon viel wohler. Beim Betreten des Zimmers war ich kurz davor, einfach alles wieder in meinem Rucksack zu verstauen und so schnell wie möglich zu verschwinden. Heute bin ich froh, dass ich nicht so einfach das Handtuch geworfen habe. In dem Wohnheim, nach den ersten leidvollen Erfahrungen wusste ich schnell, nach 23 Uhr sollte man nicht unbedingt duschen gehen, weil es nämlich kein heißes Wasser mehr gibt. Waschen geht auch nicht so einfach, man muss in der Verwaltung, die nicht immer offen hat, Waschmarken kaufen, und die Wäsche wird nach 23 Uhr tatsächlich aus der Waschmaschine geworfen, damit das Nachtleben in dem Studentenheim auf keinen Fall gestört wird.
Die Erasmus-Gesellschaft hat sich schnell herausgebildet, zu verdanken dem Akademischen Auslandsamt, das für die Studenten- und Studentinnen eine Menge von Veranstaltungen organisiert hat. Im Oktober hatten wir Orientierungsveranstaltungen wie kunsthistorische Stadtführung, Führung durch den Dom, durch die Universität oder sogar einen Kneipenbummel. Die Studienfahrten nach Erfurt und Weimar, nach München oder zu den beiden Königsschlössern Bayerns, Neuschwanstein und Hohenschwangau, boten gute Möglichkeiten, uns besser kennen zu lernen und dabei gemeinsam Erlebnisse zu sammeln.
Nach drei Monaten habe ich schon einige Erlebnisse gesammelt, deren Wirkungen schon jetzt meine Persönlichkeit beeinflussen. Beispielsweise die sechs Wochen Arbeit in einem Dekorations- und Großfloristenhandel, mit drei deutschen Chefinnen und Tausenden von Bayerischen Kunden und Kundinnen, die immer so etwas gesucht haben, das ich mir nicht einmal vorstellen konnte. Wenn sie nach solchen komischen Sachen im Geschäft gefragt haben, habe ich nach einigen Tagen nur die Antwort gegeben: „Hamma nimma!“, was auf Bayerisch so viel bedeutet wie: „Haben wir nicht mehr“. Mit der Zeit verbesserte ich mich sprachlich, lernte Leute aus der ganzen Welt kennen, von Kasachstan bis Schottland, und wurde noch selbständiger.
Eine so genannte ungarische Identität fehlte mir. Aber nach einigen Wochen in Regensburg stellte es sich heraus, warum ich so reagierte, und was ich verstehen oder eben nicht akzeptieren konnte, weil ich nicht aus meiner Haut konnte. Diese Zeit, die noch gar nicht zu Ende ist, fasse ich so auf, wie eine Reise zu mir selbst. Und ich weiß, viel werde ich erst später richtig erfassen können, weil ich schon längst in Ungarn bin, oder wieder irgendwo im Ausland. Man kriegt ein genaueres Bild von dem, was man kann, wie man auf bestimmte Situationen reagiert, in die man zu Hause nie gekommen wäre. Ich kann nur allen raten sich zu bewerben.
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