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Zeitung << 2/2004 << Heute im ehemaligen KZ Auschwitz


Heute im ehemaligen KZ Auschwitz
Wo der Ausweg nur durch das Grauen des Krematoriums zu finden ist

Autorin: Renáta Récsi

Während des II. Weltkrieges rief das Gerücht des Konzentrationslagers in Auschwitz fünf Jahre lang Furcht in den Völkern der von Hitlers Deutschland besetzten Länder hervor. Das Lager wurde vor genau sechzig Jahren befreit. Es dient heute als Museum, um die Entsetzlichkeiten der Vergangenheit zu zeigen. Im Sommer 2003 besuchte ich das Lager mit einer größeren Gruppe. Schon von vornherein weckte das Gebiet des Lagers ein beklemmendes Gefühl in uns.

Nach Abschluss der Kämpfe im September 1939 wurden die polnische Stadt Oœwiêcim und deren Umgebung Teil des Dritten Reichs und die Stadt wurde zu Auschwitz umbenannt. Der Befehl zur Errichtung des Lagers wurde im April 1940 ausgegeben. Die Wahl fiel auf diese vor dem Krieg leer stehende Kaserne, weil ihre Lage verkehrsgünstig und dieses Gebiet leicht einzuzäunen war. Das Lager wurde ursprünglich für polnische politische Gefangene eröffnet, das der Einschüchterung und Vernichtung des polnischen Volks dienen sollte. Später wurden Gefangene aus ganz Europa hierher transportiert: Tschechen, Jugoslawen, Franzosen, Ungarn; hauptsächlich Juden, sowjetische Kriegsgefangene und Zigeuner. Alle Länder, die am stärksten betroffen waren, bekamen eine eigene Baracke. Wir schauten uns die Baracke der Ungarn an. Durch mehrere Filme, Fotos und elektronische Texte gewannen wir einen Einblick ins dürftige Leben der Ungarn. Es ist nicht zu beschreiben, aber ich hielt es ein bisschen für Effekthascherei: ein Teil der Baracke sah so aus wie ein Zug. Man konnte hineingehen und sich so fühlen wie ein damaliger Gefangener auf dem Weg nach Auschwitz.
Die durchschnittliche Zahl der Gefangenen bewegte sich zwischen 13.000-16.000. Im Jahre 1942 stieg sie aber auf über 20.000. Der Bau des zweiten Lagers begann im Jahre 1942 und es wurde KZ Auschwitz II Birkenau genannt. Später wurden noch vierzig kleinere Lager in der Umgebung gebaut, in erster Linie in der Nähe von Gruben und Fabriken, wo die Gefangenen als billige Arbeitskräfte eingesetzt wurden. Am Haupttor des Lagers verkünden die zynischen Worte bis heute: „Arbeit macht frei!“. Durch dieses Tor gingen die Gefangenen jeden Tag hinaus und kamen zurück, nach mehr als zehnstündiger Arbeit. Die meisten Juden wurden sofort in die Gaskammer gebracht, ohne sie zu registrieren oder sie mit einer Lagernummer zu versehen. Auch darum ist es sehr schwer, die Zahl der hier umgebrachten Juden zu bestimmen. Die Mehrheit der Historiker legt diese Zahl auf etwa 1,5 Million Personen fest. Viele wurden erschossen oder erhängt, andere starben an Hunger, Infektionen, Schwäche und Torturen. Als Beweis dieser verbrecherischen Tat sahen wir uns das so genannte Todesbuch an. Es sind die Zeilen sehr beachtenswert, in denen die fiktiven Todesursachen angegeben sind.
Die Mehrheit der ins KZ Auschwitz transportierten Juden ist in der festen Überzeugung angekommen, dass sie in Osteuropa angesiedelt werden. Nicht existierende Bauplätze und Geschäfte wurden ihnen verkauft, Arbeitsplätze wurden ihnen in nicht existierenden Fabriken empfohlen. Die Gefangenen wurden in Güterzügen ins Lager transportiert. Sie waren in den voll gepfropften Waggons 7-10 Tage lang ohne Lebensmittel und Wasser eingeschlossen. Viele sind schon vor der Ankunft im Lager gestorben. Die anderen wurden von Ärzten selektiert: die Arbeitsfähigen wurden ins Lager, die Arbeitsunfähigen in die Gaskammer gebracht. Die in der Kammer angekommenen Gefangenen waren durchweg ruhig, weil ihnen von den SS-Wächtern versichert wurde, dass sie ins Bad gingen. Sie wurden ausgezogen und in einen Saal geführt, an dessen Decke Brausen montiert waren. Aus diesen Brausen floss aber nie Wasser. Durch die Spalten kamen Zyklon-B Gaskristalle in den Saal, die die Menschen in 15-20 Minuten umbrachte. Die Goldzähne wurden aus dem Mund der Toten herausgenommen, die Haare abgeschnitten, die Juwelen weggenommen und die Körper in dem Ofen des Krematoriums verbrannt. Die das Lager befreiende Rote Armee fand in den Magazinen etwa 7000 Kg in Säcke gepackte Menschenhaare, die die Leitung des Lagers nicht mehr verkaufen konnte.
Zunächst wurden alle Gefangenen nach der Ankunft aus drei Einstellungen photographiert. Die Tätowierung wurde 1943 – und nur in Auschwitz – eingeführt. Je nachdem, warum die Gefangenen deportiert wurden, waren sie mit einem Dreieck aus verschiedenen Farben gekennzeichnet, die zusammen mit der Lagernummer auf die Kleidung der Gefangenen genäht wurden. Die Unterwäsche wurde oft nur monatlich gewechselt, was zur Verbreitung verschiedener Epidemien führte. Eine der Qualen des Lagerlebens war die Versammlung, wenn die Gefangenen gezählt wurden. Es dauerte oft mehr als zehn Stunden, z.B. am 16. Juli 1940 neunzehn Stunden.
Die Verpflegung der Gefangenen betrug täglich 1300-1700 Kalorien. Der normale Tagesbedarf liegt bei so harter Arbeit bei 6400-7000 Kalorien. Sie aßen Suppe ohne Fleisch und fast schimmeliges Brot. Im Museum stellen mehrere Bilder Frauen nach der Befreiung dar, deren Gewicht 23-25 kg betrug. Es gab einige Zimmer nur über das Leben der Kinder. Dort sah ich ein Bild von einem vierjährigen ungarischen Jungen. Er war nackt und sehr dünn. Seine Augen waren nass vom Weinen. Dieser Anblick war für mich der Traurigste. Sofort stiegen mir Tränen in die Augen. Im Lager wurden die Kinder genauso behandelt wie die Erwachsenen. Auch die Mehrheit von ihnen ging nach der Ankunft sofort in die Gaskammer. Andere, besonders Zwillinge, waren Objekte „ärztlicher“ Experimente, andere leisteten eine harte Arbeit. Prof. Dr. Carl Clauberg, der an der „wissenschaftlichen“ Methode des schnellen biologischen Ausrottens der Slawen arbeitete, führte Sterilisationsexperimente an jüdischen Frauen durch. Dr. Joseph Mengele führte genetische Experimente an Kindern, besonders an Zwillingen und Krüppeln, durch. Das Krematorium liegt außerhalb des eigentlichen Zauns des Lagers. In den Öfen wurden bald 350 Körper täglich verbrannt. Vor dem Eingang der Gebäude steht der Galgen, mit dem am 16. April 1947 die Todesstrafe am ehemaligen Kommandanten des KZ Auschwitz Rudolf Höss vollstreckt wurde.
Auf die Nachricht der Annäherung der Roten Armee entleerte das SS-Personal die Magazine panisch und zündete sie an. Aber auch so wurden noch Schuhe, Kleider, Koffer, Brillen, Prothesen und Handtücher zu Tausenden gefunden. Die SS-Trupps, die die Spuren der Grausamkeiten verschwinden ließen, vernichteten einige Objekte völlig.
Das Museum konnte einige Gebäude auf seinem Originalplatz restaurieren und aufstellen. Das Krematorium und mehrere Baracken wurden restauriert, die Hinrichtungswand und der Galgen wurden auf seinem Originalplatz aufgestellt. In Birkenau wurden auch die Gleise in völliger Unversehrtheit gelassen. Das Museum tut alles, um uns die Schrecklichkeiten der Vergangenheit näher zu bringen. Die Erinnerung des muffigen Geruchs der Wände, des Anblickes der Gleise, des Geräusches des Ratterns der Züge bleiben in den Besuchern bis zum Lebensende.