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Zeitung << 2/2004 << Wewelsburg


Wewelsburg
Kult- und Terrorstätte der SS

Autorin: Emilia Bata

Wer hat schon von der Wewelsburg gehört, wo sich „der Mittelpunkt der Welt“ befindet? Ich habe diese Frage allen Lehrenden unseres Instituts gestellt, die ich durch E-Mail erreichen konnte. Viele von ihnen kennen diese Burg nicht, was kein Wunder ist. Markus Kóth wusste als einziger, dass die Wewelsburg eine Ordensburg der SS war. Man nennt die Wewelsburg immer Wewelsburg an Paderborn, weil Wewelsdorf nur ungefähr 1000 Einwohner hat. Wie kann dann ein so kleines Dorf „der Mittelpunkt der Welt“ sein, der Ort, wo alle Studenten gern studieren möchten oder woher sich „hohe“ Kultur und Wissen nach Osteuropa verbreitet haben?

Wir, einige Austauschstudenten der Gesamthochschule Paderborn, machten am 26. November 2004 einen Ausflug zur Wewelsburg. Zuerst schauten wir uns einen Dokumentarfilm über das Wewelsburger KZ an, dann kam ein Geschichtslehrer, der uns das Museum vorstellte und die interessante, aber tragische Geschichte der Lagerbewohner erzählte. Er fügte auch persönliche Erlebnisse hinzu. Er macht auch heute noch viele Interviews mit Menschen, die ihm etwas zu sagen haben. Man hatte zu wenig Zeit, die schrecklichen Erlebnisse des zweiten Weltkrieges zu verarbeiten. Man mag nicht darüber sprechen, dass man Nazi- sogar SS-Verwandte hatte. Aber wo hätten sonst so viele Soldaten stecken können? Dann denken wir nach: In einem kleineren Lager kennen alle Wächter alle Gefangenen, man kann sich in der Menge der Menschen nicht verstecken. Stellen wir uns die folgende Szene vor: Der dicke Vater sitzt abends in einem Sessel, trinkt Bier, sieht eine blöde Folge von Big Brother und streitet sich mit seiner Frau, die in der Küche kocht. Vor 60 Jahren lagen da Tote, die auf dem Abtransport warteten. In diesem Gebäude leben jetzt zwei Familien, es war vorher das Eingangsgebäude des Lagers.
Wewelsburg sollte der Ausgangspunkt des Krieges gegen die Sowjets sein. Fast alle Russen – und natürlich alle andere Völker zwischen dem deutschen Reich und der Sowjetunion – sollten ausgerottet werden, nur diejenigen nicht, die man als Arbeitskraft brauchte und diejenigen, die des „Arisierens“ würdig waren, also groß und stark waren, blaue Augen und blonde Haare hatten. Nach dem Museumsbesuch gingen wir zum „SS-Obergruppenführersaal“ und zur „Gruft“. Alles sieht so aus, wie man das im fiktiven Tagebuch lesen kann (vgl. den Rahmentext).
Später fuhr ich noch einmal mit meiner Freundin zur Burg zurück, weil ich noch einige gute Fotos machen wollte. Wir besuchten dann auch das Kreismuseum Wewelsburg, das sehr interessant ist. Dieses Museum ist in den Räumen der Burg untergebracht. Diese Räume gehören nicht zur Jugendherberge. Die Ausstellung umfasst Tausende, Millionen von Jahren, von der Urzeit über das Mittelalter bis heute. Allerdings handelt es sich hier nicht nur um Wewelsburg, sondern um den Kreis Paderborn.

Die wahre Geschichte der Wewelsburg

Von 1604 bis 1607 ließ der Fürst Theodor von Fürstenberg die alten Ruinen der Wewelsburg erbauen. Eigentlich heißt diese Burg erst seitdem Wewelsburg. Früher hieß sie Wallburg, und wurde im neunten oder zehnten Jahrhundert gebaut. Sie hatte schon damals eine ungewöhnliche Dreiecksform wegen natürlicher Bebauungsmöglichkeiten. Während des 30-jährigen Krieges blieb die Wewelsburg verschont, aber 1654 ließ Fürstbischof Theodor Adolf von der Recke die größtenteils zerstörte Burg wieder aufbauen und damit wurde sie der Treffpunkt von Jagd und Spiel. 1802 wurde das Fürstbistum Paderborn und damit Wewelsburg ein Teil von Preußen und nach dem Tode des letzten Rentmeisters im Jahre 1821 erstarb alles menschliche Leben auf der Wewelsburg. Der preußische Staat ließ 1832 eine Wohnung in dem Ostteil des Südflügels der Burg restaurieren, hier wohnten dann mehrere Pfarrer.
1925 wurde der Kreis Büren der Besitzer der Wewelsburg. Er ließ die ganze Burg neu bauen und die Wewelsburg wurde eröffnet. Sie wurde so ein kultureller Mittelpunkt des Kreises Büren und überregionales Zentrum der Jugend- und Heimatpflege. In ihr bekamen ein Heimat- und naturwissenschaftliches Museum, viele verschiedene Ausstellungen und ein Jungmännerherberge Platz. Die Wewelsburg diente auch als Versammlungs- und Tagungsort des Kreises Büren. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland fand am 30. Januar 1933 statt. Es begann dann eine große Suche nach einem geeigneten Ort zur Errichtung einer „Reichsführerschule“ für die Spitze der SS. Am 3. November 1933 besuchte der Reichsführer-SS, Heinrich Himmler zum ersten Mal die Burg von Wewelsburg. Er war von der Burg begeistert. 1934 wurde die Burg für eine symbolische Gebühr bis zum 31. Dezember 2033 an die NSDAP überschrieben.
Die „Reichsführerschule“ wurde SS-Schule Haus Wewelsburg genannt, der Leiter dieser Stelle ist „der Burghauptmann von Wewelsburg“. Die Schule hatte ab ihrem Aufbau bis zu dem Ende des zweiten Weltkrieges zwei Burghauptmänner: Manfred von Knobeldorf und Siegfried Taubert. Bis 1935 arbeiteten die Männer des Freiwilligen Arbeitsdienstes an der Burg und später der Reichsarbeitsdienst, aber sie waren immer zu wenig, man brauchte dringend neue Arbeitskräfte. 1938 kam das erste Kontingent von Schutzhäftlingen und 1940 wurde am Außenrand von Wewelsburg ein festes Barackenlager, ein KZ gebaut, deren Auflösung im Mai 1943 stattfand. Das Dorfgemeinschaftshaus wurde von Walter Franzinus 1938 geplant, nachdem 1935 der Reichsführer SS den Bau des „würdigen Raumes“ bestimmt hatte. „Der Hauptpunkt ist der Versammlungsplatz und die Versammlungshalle, die kein Kultraum sein will und nicht das mystische orientalische Halbdunkel kennt, sondern erfüllt sein muss von klarem, hellem, lebensbejahendem Geist. Hieran sollen sich die Heim- und Bastelräume der Hitlerjugend schließen, daran die Stätten des Sportes, der Gesundheitspflege und des Kinderhortes, wie die Dorfbücherei, die Diensträume der Partei und ihrer Untergliederungen wie die kommunalen Verwaltungsräume.“ (Wewelsburg 1933 bis 1945. Kult- und Terrorstätte der SS. Eine Dokumentation, Hg. Kreis Paderborn, Paderborn 1987, S. 86). Das schwarz-weiße Fachwerk des Hauses fügt sich in das Dorfbild perfekt ein. Die SS-Männer arbeiteten täglich nach ihrem Dienst am Bau, Hitlerjungen deckten das Dach, Mädel vom BDM schrubbten und putzten. Der SS wollte eine große wissenschaftliche Bibliothek auf der Wewelsburg einrichten. Die Schwerpunkte der wissenschaftlichen Arbeiten waren die folgenden Themenbereiche: Urgeschichte aus geistesgeschichtlicher und naturwissenschaftlicher Sicht, Vor- und Frühgeschichte, insbesondere die der germanischen und indogermanischen Völker, Geschichte und geschichtliche Hilfswissenschaft unter besonderer Berücksichtigung der Religions-, Mythen- und Kirchengeschichte, der Kultur, Kunst-, Literatur- und Rechtsgeschichte sowie der westfälischen Landesgeschichte. Die Bibliothek hatte 1938 mehr als 16.000 Bände. Eine vor- und frühgeschichtliche Abteilung, archäologische Ausgrabungen, Sippenforschung und Genealogie waren noch geplant. All dies sollte Himmlers pseudohistorischen Germanen- und Ahnenkult begründen. Das Museum der SS-Schule Haus Wewelsburg hatte eine geologisch-frühgeschichtliche Abteilung, deren ausgegrabene Funde man heute im Kreismuseum Wewelsburg beobachten kann. Ich fand noch interessant, dass die Wewelsburg auch von Wissenschaftlern verschiedener Forschungsbereiche besucht wurde, die keinesfalls von Himmler selbst eingeladen waren. Was die Begegnungen zwischen Himmler und seinen höheren SS-Führern auf der Burg betrifft, so ist es jedoch wichtig klarzustellen, dass es sich bei solchen Zusammenkünften nicht um Gruppenführerbesprechungen handelte. In einer Rede vom 8. Januar 1938 in München sagt er: „Ich habe vor, in Zukunft zwei ständig große Gruppenführerbesprechungen anzusetzen und einzuführen … eine jedes Jahr im Frühjahr auf der Wewelsburg“. Sein anderes Vorhaben war noch, dass er die Vereinigungszeremonien der Gruppenführer auf der Burg abhalten wollte. Die im Volksmund „Walhalla“ genannte Krypta war als Austragungsort irgendeiner Art von Zeremonien oder Feiern gedacht, aber es gibt keinen Hinweis darauf, dass sie jemals für derartige Feierlichkeiten benutzt wurde. Nur eine Bedeutung der Krypta kennen wir: Himmler wollte in ihr begraben wurden. Wewelsburg sollte als geistiges und weltanschauliches Zentrum, als Austragungsort der für die Zukunft geplanten SS-Feierlichkeiten dienen. Im März 1936 besuchte der Stellvertreter des Führers Rudolf Hess die Wewelsburg, der Führer selbst aber nie. Himmler wollte immer ein „H-Sonderkommando“ als eine Untergruppe der SS schaffen, wobei sich der Buchstabe „H“ sich auf „Hexe“ bezieht. Der „Hexenkeller“ der Wewelsburg diente in der Nacht vom 10. zum 11. November 1938 im Gefolge der „Reichskristallennacht“ für etwa zwanzig Salzkottener Juden als Gefängnis. Von hier aus ging der Transport zum Konzentrationslager Buchenwald.
1944 wurden wegen eines befürchteten Luftangriffs viele wertvolle Gegenstände versteckt oder eingemauert. Bis heute ist das Gespräch von „verborgenen Schätzen“ im Umkreis der Burg nicht verstummt. 1945 bekam Siegfried Taubert den Befehl, die Burg zu räumen und zu vernichten: die Wewelsburg und alle Nebengebäude zu sprengen. Die Wewelsburg brannte ab, wurde aber nicht zu sehr beschädigt. Heute gibt die Wewelsburg dem Kreismuseum Wewelsburg und einem Jugendherberge Platz.