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Zeitung << 2/2004 << Interview mit der DAAD-Stipendiatin Szilvia Hajdu


Drei Wochen im Jenaer Sommerkurs
Interview mit der DAAD-Stipendiatin Szilvia Hajdu

Autorin: Orsolya Birta

Der Deutsche Akademische Austauschdienst ist ein Programm, mit dessen Hilfe jährlich etwa 120 ungarische Studenten die Möglichkeit haben, eine geraume Zeit in Deutschland zu verbringen. Dieses Programm scheint unter anderem auch für die Szegediner Germanistikstudentinnen eine attraktive Möglichkeit darzustellen, nach Deutschland zu kommen (vgl. die bisherigen Interviews mit den Szegediner DAAD-Stipendiatinnen im GeMa sowie das Interview mit der ehemaligen DAAD-Lektorin der Universität Szeged, Mathilde Hennig im GeMa 2/2003). Meine Gesprächspartnerin, Szilvia Hajdu hielt es auch für eine gute Möglichkeit, deswegen bewarb sie sich im Oktober 2003 um ein DAAD Hochschulsommerkursstipendium. Nach vier Monaten erhielt sie die erfreuliche Antwort vom DAAD. Sie bekam das Stipendium, mit dem sie drei Wochen in den Sommerferien, vom 17. Juli bis 7. August 2004 in Deutschland verbringen konnte. Nun sitzt sie mit strahlendem Gesicht mir gegenüber und ist bereit uns über ihre Erlebnisse zu berichten.

Hat die in Deutschland verbrachte Zeit einen positiven oder eventuell auch einen negativen Eindruck auf dich gemacht?
Es war absolut positiv und toll, dass ich dort sein konnte. Ich könnte nichts Negatives bezüglich dieser drei Wochen erwähnen. Was vielleicht ‘negativ’ am nächsten käme (war es aber nicht!), war die Dichte der Veranstaltungen und die Abgespanntheit, die diese verursachte. Es bedeutet aber auch etwas Positives, da es keinen Mangel an Veranstaltungen gab.

Du bist jetzt im fünften Studienjahr und warst im vierten, als du dich um dieses Stipendium bewarbst. Hast du auch früher versucht, mit Hilfe eines internationalen Programmes nach Deutschland zu fahren?
Nein. Ich hatte immer das Gefühl, dass das kaum zu schaffen ist, so machte ich mir nie die Mühe diesem nachzugehen. Ich wollte auch nicht ein halbes Jahr im Ausland verbringen und hörte erst voriges Jahr davon, dass es auch ein Hochschulsommerkursstipendium gibt.

Man muss bei der Bewerbung ein Motivationsschreiben einreichen, das eigentlich der ausschlaggebendste Faktor ist. Was stand in deinem Motivationsschreiben, das den DAAD überzeugte?
Als Interessensgebiet bezeichnete ich Landeskunde. Ich dachte, es muss überzeugend wirken, denn ein Lehrer muss auch über landeskundliche Kenntnisse verfügen. Deutsche Landeskunde ist ein Bereich, den man ausschließlich in Deutschland richtig gut kennen lernen kann. Vielleicht war auch der DAAD dieser Meinung. Um ehrlich zu sein, gab es auch andere Studentinnen, die die Landeskunde als Zielbereich angaben und doch nicht nach Deutschland kamen. Wahrscheinlich trug auch die Tatsache, dass ich am Ende meines Studiums bin, zu der für mich positiven Entscheidung des DAAD bei. Der Titel des Kurses, an dem ich teilnahm, war „Lehren und Lernen. Landeskunde und Kultur erleben“.

Hat dir die Stadt Jena viele Möglichkeiten in deiner Freizeit geboten?
Die Stadt hat zwei Gesichter. Die Innenstadt bietet ein mittelalterliches Bild, sie ist sehr stimmungsvoll. Der Stil des Stadtrandes ist typisch DDR. Interessant ist der Wechsel von modernen und alten Gebäuden. Die Stadt bietet eine Menge an kulturellen Veranstaltungen. Es gibt u.a. eine Openair Kulturarena, ein Freizeitbad und einen botanischen Garten in Jena. Die Berge in der Nähe sind großartig für die, die gerne Fahrradtouren machen.

Hattest du für deine Unterkunft selbst zu sorgen oder wurde sie dir angeboten?
Es bestand die Möglichkeit privat eine Unterkunft zu suchen, aber die Organisatoren boten uns ein klimatisiertes Zweibettzimmer in einem Viersterne-Hotel für 120 Euro für drei Wochen an, wo sonst eine Nacht neunzig Euro kostet. Es wäre Unsinn gewesen, dieses Angebot abzulehnen. Die Benutzung der Sauna, des Dampfbades und des Schwimmbeckens war gratis. Außerdem erhielten wir einen Teilnehmerausweis, mit dem wir die gleichen Möglichkeiten hatten wie die Jenaer Studenten. Mit diesem Ausweis bekam man beispielsweise ein Menü für 1,5-2 Euro. Überdies erhielten die Stipendiatinnen eine Fahrkarte gratis.

Wie schaute dein Tagesplan aus?
Ab neun Uhr morgens hatten wir Sprachübung in Gruppen von etwa fünfzehn Personen. Hier beschäftigten wir uns mit verschiedenen Erscheinungen der deutschen Sprache, mit Kultur und Literatur. Danach kam eine Vorlesung. Bis zwei Uhr nachmittags hatten wir dann Mittagspause, anschließend trafen wir uns in Arbeitsgemeinschaften. Ich besuchte die Arbeitsgemeinschaften, die Kreatives Schreiben und Neudeutsch als Schwerpunkt hatten. Nach den beiden Arbeitsgemeinschaften gab es eine Abendvorlesung, die solche Themen wie Deutschland in der Krise oder den deutschen Humor behandelte und bis 20.30 Uhr dauerte. Danach waren wir so erschöpft, dass wir keine Lust hatten, am Abend auszugehen. Abends trafen wir uns noch im Hotel in der Sauna. Wer von einem Hochschulsommerkurs nur Partys und Unterhaltung erwartet, sollte diesen Kurs auf keinen Fall wählen. Hier ging es wirklich um die Erweiterung der Kenntnisse.

An einem Hochschulsommerkurs nehmen Leute aus verschiedenen Ländern teil. Das bedeutet die Möglichkeit, andere Kulturen kennen zu lernen. Hast du in Jena Freundschaften mit Jugendlichen aus anderen Ländern geschlossen?
Studentinnen und Lehrer bzw. Dozenten aus 29 Ländern, die sich nicht nur mit der Germanistik befassen, nahmen an diesem Kurs teil. Ich lernte eine Schwedin, eine Griechin und eine Tschechin näher kennen. Ab und zu wechsle ich auch noch heute E-Mails mit einer Ungarin aus Budapest, mit der ich mein Zimmer teilte. Interessant war die Ausdehnung der Teilnehmerländer: die west-östliche Ausdehnung reichte von Kanada bis Japan, und die nord-südliche von Schweden bis Marokko. Das Beste dabei war die Offenheit der Jugendlichen: es gab keine Clique, jeder wollte jeden kennen lernen, jeder war offen für die anderen.

Hat dieser Kurs zum Schreiben deiner Diplomarbeit beigetragen?
Unmittelbar kann ich beim Schreiben meiner Diplomarbeit aus diesem Kurs keinen Nutzen ziehen. Ich konnte zum Beispiel nicht in die Bibliothek, um dort zu forschen. Aber didaktisch half es mir sehr viel. Einige Neuigkeiten, die ich mitbekam, kann ich später als Lehrer verwenden. Schwerpunkt dieses Kurses war nämlich Didaktik. Dazu gab es Vorlesungen über aktuelle deutsche Spielfilme im DaF-Unterricht und die Rolle des Märchens im DaF-Unterricht. Die Arbeitsgemeinschaft „Kreatives Schreiben“ gab mir eine Menge Tipps, die ich beim Lehren anwenden kann.

Konntest du die Zeit in Jena gut ausnutzen?
Ja, ohne Übertreiben kann ich behaupten, dass jede der sechs ungarischen Studentinnen während dieses dreiwöchigen Aufenthalts in Jena ihren „Mann stand“. Ich erinnere mich mit großer Freude an diese drei Wochen und ich kann jedem wärmstens empfehlen, sich um ein Hochschulsommerkursstipendium des DAAD zu bewerben. Hiermit möchte ich mich für diese Erlebnisse bei allen bedanken, die es für mich möglich machten, nach Deutschland zu fahren.