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Zeitung << 2/2004 << Interview mit Ágnes Havasi


Deutschlehren als Job und als Hobby
Interview mit Ágnes Havasi

Autorin: Melinda Vecseri

Ich habe das Abitur in Szentes, im Horváth-Mihály-Gymnasium gemacht, in dem ich unter den vielen guten Lehrerinnen auch eine zukünftige Freundin hatte. Ágnes Havasi hatte ihr Germanistikstudium an der Universität Szeged abgeschlossen. Sie wohnt in Szeged und unterrichtet Deutsch im Szenteser Gymnasium.

Warum wähltest du das Germanistikstudium an der Universität Szeged?
Ehrlich gesagt wählte ich keine Uni, sondern eine Stadt. Szeged war seit meiner Kindheit meine Lieblingsstadt. Ich wollte immer hier studieren, leben und eine Familie gründen. Inzwischen gewann ich das Germanistikstudium auch lieb und heute bin ich stolz darauf, dass ich Studentin der Universität Szeged war.

Dein anderes Fach ist Mathematik. Konntest du Germanistik und Mathematik gut in Einklang bringen?
Das war sehr schwer für mich. Es gab viele Probleme, weil Mathematik an der Uni zur Naturwissenschaftlichen Fakultät und Germanistik zur Philosophischen Fakultät gehört. Manchmal hätte ich gleichzeitig ein Mathe- und ein Deutschseminar besuchen müssen. Ab und zu konnte ich gar nicht wählen. Die Administration der Fächer war auch ziemlich chaotisch.

Wie waren deine Erwartungen, als du mit dem Germanistikstudium begonnen hast?
Ich konnte mir das Germanistikstudium nicht vorstellen, weil ich keine Verwandten oder Bekannten hatte, die an einer Uni studierte haben. Meine Eltern wollten, dass ich eine Fremdsprache studiere und deshalb wählte ich das Germanistikstudium. Der Unterricht überraschte mich in dem Sinne nicht, weil ich zum Beispiel wusste, dass ich nicht nur die Sprache lernen, sondern auch noch Sprach- und Literaturwissenschaft studieren muss.

Kannst du die Kenntnisse, die du im Germanistikstudium in Szeged erworben hast, im Unterricht anwenden?
Die Sprachübungen und Grammatikseminare waren sehr hilfreich für mich. Ich interessierte mich weniger für die Literatur, deshalb beschäftigte ich mich mehr mit der Linguistik. Das erworbene Wissen in der Sprachwissenschaft ist für mich sehr nützlich, wenn zum Beispiel meine Schülerinnen mehr über den Ursprung der deutschen Sprache wissen möchten. Anhand dieses Wissens kann ich meistens verständliche Antworten geben.

Was findest du schwer am Studium? Welche Ratschläge kannst du den jetzigen GermanistikstudentInnen geben?
Das erste Jahr war sehr anstrengend. Wir mussten in einem ganz anderen System lernen als früher im Gymnasium. Wir versuchten aber natürlich die Vorteile dieses Systems gut zu nutzen. Ich konnte beispielsweise frei entscheiden, welche Vorlesung oder welches Seminar ich wählen möchte. Aber die Erwartungen waren nicht nur höher, sondern auch anders. Im Tausch für diese Freiheit musste man gute Leistungen bringen. Die jetzigen GermanistikstudentInnen sollten so bald wie möglich „die Schönheit, die Freiheit des Uni-Lebens“ erkennen, denn im vierten Studienjahr ist es schon ziemlich spät, das jeweilige Interessengebiet in der Germanistik und auch in anderen Bereichen zu entdecken.

Wolltest du nie an der Universität unterrichten?
Nein. Ich wollte nie Wissenschaftlerin werden. Ich möchte mich immer mit Menschen, mit Teenagern, und nicht nur mit der Wissenschaft der Germanistik beschäftigen.

Wir konnten kaum einen Termin für dieses Interview finden. Hast du immer so viel zu tun als Lehrerin? Hast du dir das auch früher, noch an der Uni, ähnlich vorgestellt?
Ich habe mir das genauso vorgestellt. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn ich eine Stelle in Szeged gefunden hätte, obwohl ich keine dort gesucht habe. So muss ich jeden Tag nach Szentes fahren, vierzig Kilometer von Szeged. Das ist ein bisschen anstrengend, aber meine Kollegen sind sehr nett, hilfsbereit und freundlich. Wir leben wie eine große Familie. Das Wichtigste ist, dass ich sehr gern lehre. Das ist sowohl mein Job als auch mein Hobby. Ich habe immer viel zu tun, aber ich genieße es. Ich mag das Leben so, wenn es bewegt ist und deshalb genoss ich das Leben an der Uni auch sehr.

War es für dich selbstverständlich, dass du in das Gymnasium, in dem du gelernt hast, als Lehrerin zurückkehrst?
Das war für mich nicht ganz selbstverständlich. Ich wollte zwar im Horváth-Mihály-Gymnasium arbeiten, aber erst nach dem Abschluss des Studiums. Die Direktorin des Gymnasiums hat mich aber gebeten, schon als Studentin dort Mathe und Deutsch zu unterrichten. Und es war mir eine große Ehre, deshalb sagte ich natürlich froh Ja. Ich mag in Szeged leben und möchte auch in keiner anderen Stadt wohnen, aber lehren möchte ich noch einige Jahre in Szentes. Wenn ich eine Familie haben werde, kann sich das ändern.

Gibt es große Unterschiede zwischen dir als Schülerin und deinen SchülerInnen?
Die Schülerinnen von heute sind viel bequemer. Es ist nicht nur ihre Schuld, sondern auch die Schuld der modernen Welt. Sie können alles einfach vom Internet herunterladen, was zwar sehr nützlich ist, aber es macht einen viel fauler. Sie gehen nicht mehr in die Bibliothek, sie recherchieren nur noch im Internet. Und sie beginnen das Interesse für das Lernen zu verlieren. Beispielsweise nehmen immer weniger Schüler an deutschen Wettbewerben teil. Und das ist ein bisschen traurig. Deshalb möchte ich alles versuchen, um ihre Aufmerksamkeit zu erwecken.

Empfiehlst du das Germanistikstudium deinen SchülerInnen?
Ich empfehle es denjenigen, die die deutsche Sprache und Literatur gründlich studieren möchten. Ich finde, dafür ist die Universität Szeged eine sehr gute Universität und meiner Meinung nach kann man in Ungarn nirgends ein besseres Studienangebot und bessere Professoren finden.

Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg und Spaß beim Unterricht!