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Zeitung << 2/2004 << Interview mit Dr. Márta Horváth
Inspirierende Atmosphäre für Lehre und Forschung
Interview mit Dr. Márta Horváth
Autorin: Katalin Zámbori
Es ist Dienstag Nachmittag, der verabredete Zeitpunkt ist ein wenig vorüber, meine Gesprächspartnerin, die neulich promovierte Oberassistentin und Leiterin des Aufbaustudiums, Dr. Márta Horváth, kommt schon in großer Eile, aber ich beruhige sie, da ich mich auch verspätet habe. Dann sitzen wir einander gegenüber in ihrem Arbeitszimmer an der Universität. Wir beide sind in Aufregung und denken still nach, wer eigentlich beginnen sollte und wie. Eine interessante Situation mit einem banalen Bild. Die Dozentin und die Studentin sitzen mäuschenstill im Arbeitszimmer, in der Luft steckten Erwartung und Neugier, fast wie bei einer Prüfung, aber es gibt diesmal einen großen Unterschied: Die Neugier geht jetzt hauptsächlich von mir aus.
Zum ersten Mal habe ich ein Seminar bei Ihnen im vorigen Jahr belegt. Schon in der ersten Sitzung war ich von Ihrer Energie und von Ihrer Begeisterung bezaubert, mit denen Sie ihr Wissen vermitteln. Ich dachte, das muss eine richtige Berufung sein. Wann haben Sie sich für diesen Beruf entschieden?
Ich wusste schon immer, dass ich Lehrerin werden möchte. Ich habe aber nie daran gedacht, dass ich zum Schluss an der Universität unterrichten werde. Den ersten Schritt in diese Richtung bedeutete eigentlich ein Stipendium, das ich im vierten Studienjahr bekam. Damals wurde gerade ein Vertrag zwischen Österreich und Ungarn abgeschlossen, der auch ein Förderungsprogramm für ungarische Germanistikstudenten beinhaltete. Ich gehörte zu den ersten Glücklichen, die mit diesem Stipendium der Aktion Österreich-Ungarn ein Semester an einer österreichischen Universität verbringen konnten. Im Zusammenhang mit diesem Stipendium bekam ich die Möglichkeit, eine Arbeit über einen modernen österreichischen Autor zu schreiben und sie auf einer Konferenz vorzustellen. Das war eigentlich meine erste ernsthafte wissenschaftliche Arbeit, durch die meine Verpflichtung für diesen Beruf entstand.
Sie haben das Studium an der Szegediner Universität absolviert. Sehen Sie Unterschiede zwischen den früheren und den heutigen Methoden des Lehrens oder zwischen dem damaligen und gegenwärtigen Niveau der Ausbildung?
Es gibt sowohl positive als auch negative Änderungen in der gegenwärtigen Ausbildung. Einer der größten Unterschiede, die ich als einen Verlust ansehe, ist, dass es heute erlaubt ist, das Studium mit einem Fach zu absolvieren. Wir mussten damals zwei Fächer belegen. Ich habe zum Beispiel neben Germanistik Ungarische Sprache und Literatur studiert. Die Studenten denken, dass zwei Fächer eine zweifache Belastung bedeuten. Das ist aber nicht richtig. Einerseits mussten wir natürlich zweimal so viele Lehrveranstaltungen absolvieren, andererseits erbrachte das zweite Fach einen großen Gewinn. Man bekam Informationen aus den verschiedenen Fächern, man sah bestimmte Phänomene aus verschiedenen Perspektiven, man konnte dadurch Kenntnisse in einem breiteren Horizont erwerben, also insgesamt ein vielseitigeres und tieferes Wissen erwerben. Und auch auf dem Arbeitsmarkt hatte man natürlich größere Chancen. Ein weiterer Unterschied im Vergleich zu meiner Zeit ist, dass heute viel mehr Studenten aufgenommen werden. Ungefähr dreimal so viele studieren heute Germanistik. Das bedeutet eine Niveausenkung für den Durchschnitt. Aber jene zwei-drei Leute, die sich ernsthaft für das Thema interessieren und auch aktiv an den Gesprächen teilnehmen, sitzen auch weiterhin in den Seminaren. Ich denke also, dass man in diesen Gruppen insgesamt genauso gut arbeiten kann wie früher.
Sie arbeiten am Lehrstuhl für Österreichische Literatur und Kultur und seit Juni 2004 sind Sie auch promoviert. Wie war der Weg bis dahin?
Als ich an der erwähnten Konferenz mit meiner Arbeit teilnahm, beschäftigte ich mich mit Peter Handke, einem zeitgenössischen österreichischen Autor. Auch meine Diplomarbeit schrieb ich über ihn. Nach dem Abschluss des Studiums habe ich den „gewöhnlichen Weg“ gewählt: ich habe mich um ein PhD-Stipendium beworben. Das Studium dauert drei Jahre, die wirklich sehr nützlich sind, um eine größere wissenschaftliche Arbeit zu erschaffen. In dieser Periode kann man ein Thema auswählen und man kann die Arbeit theoretisch und methodisch vorbereiten. Nachher, wenn man Glück hat – und ich hatte Glück – wird man am Lehrstuhl angestellt. Eine Dissertation kann man auch neben einem anderen Job schreiben, was aber eine viel größere Anstrengung bedeutet, da man sich dann auf zwei verschiedene Gebiete konzentrieren muss. Am Lehrstuhl kann man die Lehre und die Forschung verbinden, man hat die Bibliothek und man kann in einer sehr inspirierenden Atmosphäre arbeiten. So schrieb ich neben dem Unterricht meine Doktorarbeit und legte das Rigorosum ab. Nach der Abgabe der Dissertation muss man noch die Arbeit verteidigen. Wenn man die Verteidigung hinter sich und die Doktorurkunde in der Hand hat, dann bekommt man den Titel, dass man Doktor eines Wissenschaftsgebietes ist.
Sie halten im Wintersemester 2004 eine Vorlesung über die Romane der Zwischenkriegszeit, ein Seminar über Kulturkritik, eine Einführung in die Literaturwissenschaft und ein Diplomandenseminar. Warum halten Sie Veranstaltungen gerade in diesen Themenbereichen?
Die „Einführung in die Literaturwissenschaft“ ist eine theoretische und methodische Einführung, die ich immer sehr gerne mache, weil ich hier den Studenten eine für sie meistens ganz neue Herangehensweise an literarische Texte beibringen kann. Das Thema allerdings, das mir am nächsten steht, ist die Romanliteratur und die Kulturkritik der Zwischenkriegszeit. Diese Epoche der Literaturgeschichte habe ich darum besonders gern, weil ich denke, dass bestimmte kulturelle Erscheinungen, die heute unsere Kultur bestimmen, ihren Ursprung, ihre Wurzeln in der Jahrhundertwende, beziehungsweise in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts haben. Ich denke, dass ich dadurch nicht nur eine bestimmte Epoche der Kulturgeschichte kennen lernen, sondern auch meine zeitgenössische Kultur besser verstehen kann.
Haben Sie Vorstellungen, Pläne für die nähere Zukunft?
Ich möchte weiterhin bei dieser Epoche bleiben, aber das Spektrum meiner Themen insoweit ausbreiten, dass ich neben literarischen Texten noch kulturkritische und kultursoziologische Essays und Studien hinzunehme und über die schriftliche Kultur der Epoche hinaus auch die bildende Kunst und Architektur näher kennen lernen und unterrichten möchte. Ich hatte schon einige Veranstaltungen zur Kultur der Jahrhundertwende, wo wir philosophische und psychologische Texte lasen, Musik hörten und Bilder analysierten. Diese Richtung möchte ich weiter verfolgen.
Welche Rolle spielt die Literatur in Ihrer Freizeit?
Geschichten-Lesen habe ich darum sehr gern, weil ich dadurch verschiedene Lebensmodelle, verschiedene Möglichkeiten der Lebensführung erfahren kann. Die Geschichten mag ich aber nicht nur gelesen, sondern ich schaue mir zum Beispiel auch sehr gern Filme an. In der letzten Zeit interessieren mich besonders solche Geschichten – sowohl Filme als auch Romane – die sich mit dem Menschen aus dem Aspekt beschäftigen, wie er in der Zukunft biologisch ausschauen könnte, ob und wie er als eine Art Intelligenz produzierbar ist. Mich interessieren Weltentwürfe, in denen das biologische Wesen des Menschen manipulierbar ist oder in denen ein von uns grundverschiedenes Wesen entsteht. Sie sind auch als wissenschaftliche Fiktionen sehr interessant, werfen aber auch wichtige ethische Fragen auf, die vielleicht einmal tatsächlich aktuell sein werden. Ich möchte hier gleich die Gelegenheit ergreifen und den Studenten einen sehr interessanten Film in diesem Themenbereich empfehlen: den Film „Gattaca“. Wer ihn noch nicht gesehen hat, sollte ihn sich unbedingt ansehen.
Danke schön für das interessante Gespräch.
Ich danke ebenfalls.
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