Zeitung << 2/2004 << Rammstein


Rammstein
Neonazi-Rebellen oder Propheten der Wahrheit
Autorin: Barbara Horváth

Seit den Scorpions und Kraftwerk hat es keine so populäre deutsche Gruppe gegeben wie Rammstein – schreibt Metal Hammer, das vielgelesene Rock- und Heavy-Metal-Magazin Ungarns. Wenn man ein Konzert des Sextettes besucht, kann man feststellen, dass diese Aussage begründet ist. Und wenn man sich dafür interessiert, warum diese Gruppe so beliebt ist, soll man sich einfach eine CD, zum Beispiel ihr neues Album „Reise, Reise“ gründlich anhören. Christian „Flake“ Lorenz, Christoph Schneider, Oliver Riedel, Paul H. Landers, Richard Kruspe-Bernstein und Till Lindemann haben nämlich etwas ganz Neues und ganz Begeisterndes geschafft. Sie wagten ja in unserer völlig globalisierten und Amerika nachäffender Welt etwas Originelles, etwas Deutsches zu machen. Sie wollen die Aufmerksamkeit von allen erwecken, sie wollen schockieren und provozieren. Es ist kein Zufall, dass sie dadurch harte, negative Kritik bekommen haben. Wegen ihres militärischen und technischen Stils und wegen der deutschen Texte ihrer Lieder wurde die brutale Band sogar als rassistisch und neonazistisch von den Kritikern bezeichnet. Die Wahl ihres Namens verstärkt auch diese Annahme. Rammstein war eine Basis der amerikanischen Luftwaffe, wo im Jahre 1988 bei einer Luftshow drei Flugzeuge in der Luft zusammenstießen. Eines fiel in die Zuschauer. Siebzig Menschen starben, mehr als hundert Teilnehmer wurden verletzt. Dennoch tragen ihre Lieder keinen politischen Inhalt, obwohl sehr viele das meinen. In ihren Texten handelt es sich wirklich um keinen ‚schneeweißen Jaguar’ (Hinweis auf ein ungarisches Pop-Lied; der Text des Liedes enthält keine tiefen Gedanken) oder um ähnliche gehaltleere Sachen, die gar keine reale Message aufweisen. Sie wollen uns mit ihren Liedern unter anderem darauf aufmerksam machen, dass die Lügen der Welt (Werbung, Talkshows, und andere Erscheinungsformen des sogenannten american dreams), die sich aus den Medien auf uns ergießen, endlich begrenzt werden sollen. Ein schönes Beispiel dafür ist ein Zitat aus dem Song Amerika: “Wenn getanzt wird will ich führen/auch wenn ihr euch alleine dreht/Lasst euch ein wenig kontrollieren/Ich zeige euch wie es richtig geht/We’re all living in Amerika/Amerika ist wunderbar/We’re all living in Amerika/ Amerika, Amerika“. Meines Erachtens ist es eher eine Sozialkritik als die Offenbarung ihrer politischen Einstellung. Sie zeigen mit ihren skandalösen Texten auch, dass sie eine andere Meinung über die Beziehung zwischen Mann und Frau haben, als z.B. Modern Talking. Sie beschreiben die Liebe ein bisschen realistischer als die zeitgenössischen Pop-Gruppen. In ihrem Song „Amour“ sind folgende Zeilen zu hören: „Die Liebe ist ein wildes Tier/Sie atmet dich sie sucht nach dir/Nistet auf gebrochenen Herzen/Geht auf Jagd bei Kuss und Kerzen/Saugt sich fest an deinen Lippen/Gräbt sich Gänge durch die Rippen/Lässt sich fallen weich wie Schnee/Erst wird es heiß dann kalt am Ende tut es weh.” Diese Sätze brauchen keinen weiteren Kommentar. Diese ungewöhnliche Formulierung der Gefühle könnte sogar als modernes Gedicht erscheinen. Es lohnt sich also, sich eine CD von Rammstein anzuhören und auf die Texte des Sextetts zu achten. Es gibt schon eine schöne Auswahl von Alben. Im Jahre 1995 erschien Herzeleid, dann 1997 Sehnsucht, 2001 Mutter, schließlich 2004 Reise, Reise. Diese Gruppe ist natürlich nichts für diejenigen, deren musikalischer Geschmack abseits von Heavy Metal liegt. Die stampfenden Rhythmen, heftigen Gitarren und das monotone Organ Till Lindemanns brauchen solche Ohren, die Rockmusik gern und aus vollem Herzen hören.