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Zeitung << 1/2005 << Fächervielfalt im ETR


Möglichkeiten für Germanistikstudenten: Fächervielfalt im ETR
Soziolinguistik bei der DAAD-Lektorin Dr. Ellen Tichy

Autorin: Barbara Horváth

Wenn man das Lehramtsstudium wählt, muss man in der fünfjährigen Germanistikausbildung an der Universität Szeged im vierten Studienjahr in beiden Semestern am Fachdidaktik-Seminar teilnehmen. Obwohl es verpflichtend ist, ist es sehr nützlich und interessant. Im Gegensatz zu meinen negativen Vorurteilen übertraf das Didaktikseminar alle meine Vorstellungen.

Die Studierenden, die das Germanistikstudium an der Universität in Szeged gewählt haben, können Semester für Semester aus einer großen Zahl von Seminaren und Vorlesungen nach ihrem eigenen Geschmack wählen. Viele wissen aber wahrscheinlich nicht, dass dies nicht so selbstverständlich ist, dass ein Student eines fremdsprachigen Lehrstuhls selbst entscheiden kann, welche Lehrveranstaltungen er im Bereich der Literatur oder der Linguistik besuchen möchte. Am Lehrstuhl für Romanistik gibt es zum Beispiel nur 5-6 Pflichtlehrveranstaltungen pro Semester, und erst nach dem dritten Studienjahr kann man auch einige Spezialfächer belegen. So konnte ich als Romanistikstudentin, die aber ein großes Interesse für Linguistik hat, bis jetzt nichts von Soziolinguistik hören.
In dem Sommersemester 2005 bemerkte ich aber mit Freude, dass ein Soziolinguistikseminar von Frau Dr. Ellen Tichy angekündigt war. Da ich um Mitternacht bei der Öffnung des ETRs vor meinem Computer saß, konnte ich sofort freie Plätze für mich finden und mich auch für dieses Seminar anmelden. Wegen des späten Zeitpunkts der Lehrveranstaltung, Dienstag abend von 6 Uhr bis halb 8, blieb die Zahl der Teilnehmer nach der dritten Woche auch gering – wir waren nur zu zehnt.
Die Stimmung des Seminars war also familiär, schade war allerdings, dass es im Irinyi 108 gehalten wurde. In diesem Lehrsaal gibt es nämlich große und schwere Bänke, die kaum zu bewegen sind, deshalb mussten wir dahinter sitzen. Es wäre meiner Meinung nach besser gewesen, wenn wir nahe einander im Kreis sitzen hätten können, um entsprechend der allgemeinen guten Stimmung, offener und direkter sprechen zu können. Die Seminare begannen ja dank der freundlichen Seminarleiterin im Allgemeinen mit einem kurzen und freimütigen Gespräch – wir betrachteten Themen, die soziolinguistisch oder mindestens soziologisch interpretierbar sind, zum Beispiel das Jubiläum des Endes des zweiten Weltkrieges oder Unterschiede zwischen ungarischer und deutscher Gastfreundschaft. Diese Gespräche dauerten aber viel zu kurz – sie dienten bestimmt dem Wachmachen der Studenten –, man musste da­nach mit der Arbeit beginnen.
Dieses Muss war aber nicht so schrecklich, da die Arbeit zum größten Teil etwas Interessantes bedeutete. Unsere Hauptthemen standen im Zusammenhang mit uns: Nach einer allgemeinen Einleitung in die Soziolinguistik sprachen wir über die Unterschiede zwi­schen Männersprache und Frau­ensprache und über die Sprache der Jugendlichen. Als wir uns mit der Jugendsprache beschäftigten, bat uns Frau Tichy, einige typische Wörter oder Ausdrücke zu erwähnen, die wir Ungarn verwenden. Wir sollten also Synonyme für „schönes Mädchen“, „bei einer Prüfung Glück haben“, „anstatt auf die Uni zu gehen, zu Hause bleiben“ und ähnliche Ausdrücke finden. Wir sollten also feste Verbindungen, wie „jó bõr“ [Ungarischer Ausdruck für ’schönes Mädchen’ (in der gesprochenen Sprache)] ins Deutsche übersetzen. So entstanden die folgenden Lösungen: „gute Haut“, „bei einer Prüfung Mohn haben“, und „von der Uni hängen“ – ich wollte hier nur das Best Of zitieren. Ihr könnt mir glauben, dass wir uns sehr gut unterhielten.
Unsere weiteren Themen wurden auch interessant betrachtet. Wir erfuhren die Unterschiede zwischen Männersprache und Frau­ensprache der Deutschen anhand einer linguistischen Arbeit und verglichen diese mit der Situation in Ungarn. Als Anschauungsmaterial dienten einige Nummern von Cosmopolitan und Men’s Health. Dann sollte nachgeschlagen werden, wie die Situation der Ungarndeutschen bei uns aussieht. Es wur­de klar, dass obwohl die deutsche Nationalität über eine relativ gute Stellung verfügt – und zwar sowohl aus rechtlichem als auch aus kulturellem Gesichtspunkt – es noch vieles zu erledigen gibt.
Ich freue mich also sehr darüber, dass ich endlich mehr über Soziolinguistik und auch über die Ungarndeutschen hören konnte, und ich hoffe, dass ich noch an weiteren linguistischen Seminaren unserer DAAD-Lektorin teilnehmen kann. Allen gegenwärtigen und zukünftigen Germanistikstudenten kann ich es recht herzlich empfehlen.