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Zeitung << 1/2005 << Der „edle und glänzende Gräuel“


Der „edle und glänzende Gräuel“
Interview mit Prof. Dr. Albrecht Greule

Autorin: Emilia Bata

Dr. Albrecht Greule aus Regensburg ist zu uns nach Szeged gekommen, weil er als Gastprofessor des PhD-Programms eingeladen wurde, und hielt vom 1. bis 3. März 2005 Vorlesungen über deutsche Sprachgeschichte.

Sie sind Professor an der Universität Regensburg. Wie viele Stunden unterrichten Sie in der Woche und was für Stunden sind das?
Wir müssen wöchentlich 9 Stunden unterrichten; bisher waren es nur 8 Stunden, die Stundenzahl ist vor kurzem erhöht worden. Ich unterrichte im ganzen Bereich der germanistischen Linguistik: zum Beispiel Syntax, Textgrammatik, Lexikologie und Sprachgeschichte. Die Stunden verteilen sich folgendermaßen: 2 Stunden Vorlesung, 2 Stunden Proseminar und 2 Stunden Hauptseminar. Ein zweites Hauptseminar zur Computerlinguistik teile ich mir im nächsten Semester mit einem Kollegen. Damit ist auch die eine zusätzliche Stunde „untergebracht“. Das sind dann insgesamt 9 Stunden Unterricht pro Semesterwoche.

Wie lange forschen Sie schon? Haben Sie auch als Student geforscht?
Meinen Sie damit, wie viel ich forsche? Forschung ist neben Lehre und Verwaltung leider zur Privatsache geworden. Sie nimmt ungefähr ein Drittel meiner Zeit in Anspruch. Diese Zeit ist mir aber sehr wichtig. Es ist schwer zu sagen, wie viel Zeit man für die eigentliche Forschung braucht, denn Forschungsprojekte brauchen ja auch eine lange Vorbereitungszeit. Man muss zum Beispiel Anträge schreiben. (er denkt einige Minuten nach) Ich sage lieber so: während des Semesters steht die Lehre im Vordergrund und die Forschung kommt in der vorlesungsfreien Zeit zu ihrem Recht. Als Student habe ich keine Forschungen betrieben, wie ich sie jetzt betreibe. Es gab keine Zeit dafür. Man musste sich auf die Examina vorbereiten. Aber nach dem Staatsexamen war ich in Freiburg im Breisgau, wo ich studiert habe, Mitglied einer Forschungsgruppe zur geschichtlichen Landeskunde. Daraus ging auch meine Dissertation hervor. Am Institut für geschichtliche Landeskunde in Freiburg war ich wissenschaftliche Hilfskraft, meine Dissertation befasste sich mit der Namensforschung des Elsass, der Schweiz und Baden-Württembergs. Etwas wie Ihren TDK (Wissenschaftlicher Studierendenwettbewerb) gab und gibt es bei uns nämlich nicht.

Was ist Ihr Lieblingsbereich? Namensforschung? Sprachgeschichte?
Natürlich Namensforschung.

Haben Sie schon Ihren eigenen Familiennamen „Greule“ untersucht? Hat es etwas mit dem Wort „Gräuel“ zu tun?
Ja. Mein Familienname stammt vermutlich aus der Schweiz und hat etwas mit „gräulich“ zu tun. Er geht zurück auf eine Gegendbezeichnung am Thuner See in der Schweiz.

Wie fertigen Sie ein Projekt an? Teilen Sie die Aufgaben, Bereiche auf oder setzen Sie sich zusammen und diskutieren über die verschiedenen Themen?
Sprechen wir zum Beispiel über das Projekt „Datenbank Sprachkulturen in Osteuropa“. Die bayerischen Universitäten wurden vor vier Jahren durch das Wissenschaftsministerium aufgefordert, an dem Forschungsverbund Ost (abgekürzt ForOst) mitzuwirken. Wir haben uns in Regensburg entschlossen, für ForOst eine Datenbank über die Sprachkulturen Osteuropas zu schreiben. Man kann sich darin zum Beispiel informieren, welche Sprachen in einem Land Osteuropas gesprochen werden, ob es Wörterbücher und Grammatiken gibt oder ob es sprachliche Streitigkeiten gibt, usw. Die Datenbank ist dazu gedacht, der bayerischen Wirtschaft Hilfestellung in sprachlichen Dingen zu geben, wenn sie im Ausland tätig werden will. Um ein konkretes Beispiel zu geben: Wenn ein bayerisches Unternehmen nach Lettland expandieren möchte, kann es durch die Datenbank Infos über die Sprachen des Landes bekommen (Wie viele Sprachen spricht man dort? Wird Deutsch gesprochen?).

Wie fertigt man ein Projekt an?
Man braucht zuerst eine Idee, zum Beispiel: wir machen eine Datenbank zu den Sprachkulturen in Osteuropa. Daraus entwickeln wir nach den Vorstellungen des Auftraggebers (in unserem Fall ForOst) ein konkretes Projekt und formulieren einen Antrag, damit das Projekt finanziell gefördert wird. Oder ein Doktorand wird arbeitslos. Dann kreiert man für ihn ein Projekt, das er bearbeiten soll, und formuliert einen Projektantrag. Über die laufenden Projekte diskutieren wir immer wieder am Lehrstuhl und mit interessierten Kollegen auch an anderen Unis. Die Projektanträge werden von anderen Kollegen auch gegengelesen und evaluiert, bevor man sie bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) einreicht. Die wichtigste Frage ist dabei immer, woher das Geld kommt, und wir warten oft viele Monate darauf, ob das Geld für ein Projekt bewilligt wird oder nicht.

Was braucht man für jedes Projekt?
Kraft und Begeisterung!

In der „Datenbank Sprachkulturen in Osteuropa“ kann man natürlich auch Ungarn finden. Haben Sie sich früher mit der ungarischen Sprache beschäftigt?
Tamás Forgács hat in der Datenbank über das Ungarische geschrieben, weil jede Sprache einen kompetenten Verfasser, möglichst einen Muttersprachler haben sollte. Ich habe mich leider noch nicht ausführlich mit der ungarischen Sprache beschäftigt, ich kenne aber einige Wörter wie igen, nem, kettõ, három und köszönöm.

Wie viele Sprachen beherrschen Sie?
Ehrlich? Keine. (er lacht) Kann man eigentlich eine Sprache beherrschen? Na ja, ich habe Latein, Englisch, Französisch und Italienisch gelernt oder mir angelernt.

Was ist mit Deutsch?
(er lacht wieder) Ja, das ist meine Muttersprache! Sie beherrsche ich natürlich.

Bei welchen Organisationen, Forschungs­gruppen sind Sie Mitglied?
Ich bin zurzeit einer der beiden Vize-Präsidenten des International Council of Onomastic Sciences (kurz ICOS). ICOS ist eigentlich keine Forschungsgruppe, sondern die weltweit größte Organisation der Namensforscher. ICOS veranstaltet alle drei Jahre einen Internationalen Kongress (der nächste ist in diesem Jahr in Pisa) und gibt die Zeitschrift ONOMA heraus. (Im Jahre 2003 war Herr Prof. Greule der Organisator des Treffens des ICOS-Boards in Regensburg). Dann bin ich Mitglied der Gesellschaft für Namenskunde in Leipzig und Mitglied im Gesamtvorstand der Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden und – wie schon gesagt – Mitglied des Bayerischen Forschungsverbundes Ost. Ich bin auch beratendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Mainz und der Sächsischen Akademie der Wissenschaft in Leipzig. In Regensburg haben wir eine Forschungsgruppe NAMEN, die in jedem Semester Lehrveranstaltungen zur Onomastik veranstaltet und Bücher herausgibt. Im letzten Semester (Winter 2004/05) haben wir eine neue Forschergruppe mit dem Titel „Sprache und Recht“ gegründet. Hier geht es um den Zusammenhang zwischen Rechts- und Sprachwissenschaft. Ich bin Mitglied in so vielen Organisationen…In einer bin ich zusammen mit Herrn Bassola, aber ihr Name fällt mir nicht ein..., - Was war das, Herr Bassola? - wir haben davon eben gestern gesprochen. (er wendet sich an Professor Bassola, der bisher hinter uns arbeitete)

Herr Bassola: Sie meinen die Internationale Vereinigung für Kanzleisprachenforschung.

Eine Frage noch zu ONOMA. Wie konnten Sie schon vorher festlegen, dass es um die Themen „Name Studies and Teaching“ (2004), „Literary Onomatics“ (2005) und „Name Theory“ (2006) gehen wird?
Das ist notwendig. Im ICOS-Board of Directors übernimmt eine Gruppe die Redaktion von ONOMA. Sie legt die Themen der nächsten drei Hefte für drei Jahre fest und bestimmt einen Gasteditor. Dieser sammelt die Beiträge für sein Themenheft und legt sie der Redaktionsgruppe im ICOS-Board zur Begutachtung vor. Zum Beispiel ist der Gasteditor des Heftes „Name Studies and Teaching“ der Norweger Botolv Helleland. Wenn man nicht so vorgehen würde, könnte jeder Namenforscher über irgendwelche Themen schreiben, wodurch die internationale Zeitschrift ONOMA nicht attraktiver werden würde.