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Zeitung << 1/2005 << Eine literarische Reportage aus der Feder von Robert Steinle


„Leise nach Kroatien“
Eine literarische Reportage aus der Feder von Robert Steinle

Autorin: Szilvia Gál

Robert Steinle hat Ende Februar 2005 eine Lesung aus seinem Werk „Leise nach Kroatien“ in der ehemaligen Lehrstuhlbibliothek gehalten. Der erste Teil seiner Schrift ist schon in der literarischen Zeitschrift „Perspektive“ erschienen. Der Verfasser Steinle ist von dem GeMa interviewt worden.

Sie haben jahrelang an unserer Uni gearbeitet. Wie erinnern sie sich an diese Jahre, was für Erfahrungen haben Sie gemacht?
Ich habe nur gute Erinnerungen an diese Zeit. Es waren noch die Jahre, in denen es mir als Europäer aus dem Westen besonders spannend schien, zu sehen, wie der Reformationsprozess nach der Wende verlaufen würde. Ich fühlte mich als Beobachter dessen und war noch dazu mittendrin. Dazu muss man wissen, dass mich die „osteuropäischen“ Länder schon früh interessierten. Es fing damit an, dass ich 1988 über DDR-Autoren schrieb, als sich noch wenige an der Uni in Salzburg, wo ich studierte, dafür interessiert haben. Dem folgten dann Reisen nach Rumänien, in die damalige Tschechoslowakei und nach Polen. Ungarn aber kannte ich damals praktisch nur von einigen Büchereinkaufsfahrten in die DDR-Buchhandlung in Budapest, wo es sehr viele Klassiker für unsere Begriffe fast umsonst gab. Um nicht abzuschweifen, das Allerbeste war, dass ich mich an der Szegeder Universität als Lektor hundertprozentig aufgenommen fühlte. Ich wurde unterstützt, wo es nur ging und es wurde mir auch für meine Unterrichtstätigkeit freie Hand gelassen. Ich fühlte mich, obwohl Ausländer, gleichberechtigt neben allen anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Lehrstuhls. Auch privat war es eine schöne Zeit. Szeged kenne ich praktisch in- und auswendig. Die Theiß bin ich wohl stundenlang an den Dämmen mit dem Fahrrad hinauf- und hinuntergefahren. Und im JATE-KLub verbrachte ich gern so manchen schönen Abend. Ich war schon etwas sentimental, nachdem diese Zeit zu Ende war. Zum Glück habe ich auf dem Weg nach Österreich dann noch 11 Jahre Station in Budapest gemacht, sodass der Abschied dann doch nicht so abrupt war.

Wenn ich mich nicht irre, sind Sie im theoretischen Bereich tätig. Wie kamen Sie eigentlich zur Idee zu schreiben? Seit wann beschäftigen Sie sich mit dem Schreiben?
Eigentlich kam das literarische Schreiben zuerst. Ich habe erst sehr viel später zu studieren begonnen. Mit dem Schreiben beschäftige ich mich schon seit 20 Jahren, nur gab es auch immer wieder Pausen dazwischen. Regelmäßig publiziere ich seit etwa 12 Jahren. Für mich ist die strikte Trennung zwischen theoretischem und literarischem Schreiben nicht so scharf wie für viele andere. In vielen meiner Texte kann man das bemerken. Auch in dem, aus dem ich hier in Szeged gelesen habe.

Wie und unter welchen Umständen entstand dieses Werk?
Der Text entstand recht spontan aus einer Stimmung heraus. Ich hatte etwas Zeit, kehrte gerade nach Österreich zurück und war dort noch nicht wieder so richtig heimisch geworden. Ich spürte, dass ich verreisen musste und plante, diese Reise dann zu dokumentieren oder sie irgendwie zu verarbeiten. Mehr hatte ich noch nicht vor.

Warum haben Sie gerade diese(s) Land/Länder als Reiseziel gewählt?
Ich fuhr nach Kroatien und eine Strecke entlang, auf der ich mit einer damaligen Freundin vier Jahre zuvor gemeinsam unterwegs war. Es war gewissermaßen auch so eine Art, nennen wir es ruhig privater „Schmerztest“. Auf der anderen Seite interessierte mich die Gegend, weil ich wissen wollte, inwieweit die Wunden des Krieges noch sichtbar waren, ob das Leben sich wieder normalisiert hat. Und zuletzt wollte ich auch einfach ein wenig ans Meer fahren.

Worauf bezieht sich in dem Titel das Wort „leise“?
Darin stecken zwei Bedeutungen. Einerseits ist es tatsächlich keine laut tönende Fahrt mit großen Erlebnissen. Es geschieht eigentlich nichts, sodass ich mich von jedem erzählenden Autor fragen lassen müsste, wo denn nun die Story sei, ohne die es nun mal nicht ginge, wie dieser mir erklären würde. Darum ging es mir jedoch nicht. Und andererseits ist hier nur der Buchstabe ‚r‘ durch den Buchstaben ‚l‘ ausgetauscht. Ein Wortspiel also.

Ist es eine erlebte, wirkliche oder teilweise fiktionale Reise?
Muss ich da ganz ehrlich sein? Ich sage es mal so, das Gerüst ist eine erlebte Reise. Die Stationen sind real, vieles andere aber wurde aus den Notizen, aus allem möglichen Material, das ich auf der Reise an mich nahm, aus den geschossenen Fotos und aus Erinnerungen genommen und entwickelt. Aber mit dem Realitätsbegriff habe ich da so meine Probleme. Selbst als Videodokumentation wäre die Reise noch nicht real, selbst wenn man sie in Echtzeit bringen würde.

Was sind diese Schriften? Mag es eine Dokumentation einer Reise sein oder kann bzw. darf sie irgendwie bezeichnet werden?
Sie sind für mich eine mögliche Herangehensweise, um Reiseliteratur neu zu definieren. Es geht um die Erweiterung des Dokumentierens, das sich mit dem Kommentieren und der gleichzeitigen Reflexion dessen, was geschieht, einen neuen Horizont erschließt. Eigentlich ist es ein Selbstgespräch, das dann so weit geht, für Fragen, die aufgetaucht sind, auch noch in anderen Quellen Antworten zu finden. Deshalb auch die vielen zitierten Textteile.

Wann wird dieses Werk fertig sein und wann wird es erscheinen?
Im Herbst 2005 wird auch der zweite Teil in der Zeitschrift „Perspektive“ erscheinen. Dann sollte diese Reise abgeschlossen sein. Wohin die nächste gehen wird, dürfte sich dann wieder spontan entscheiden.

Was sind Ihre zukünftigen Pläne?
Ich arbeite gerade sehr viel, leider weniger literarisch, sondern eher praktisch, in der Sprachvermittlung. Als Projektleiter für ein großes österreichisches Bildungsinstitut organisiere ich in Niederösterreich spezielle Deutschkurse für integrierte AusländerInnen. Dazu kommen noch weitere kleine Projekte, auch an eine Expansion nach Ungarn ist dabei gedacht. Vielleicht komme ich ja auf Umwegen wieder zurück in das Land, das ich gern als meine zweite Heimat bezeichne.