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Zeitung << 1/2005 << Ephraim Kishon (1924-2005)


Ephraim Kishon (1924-2005)
„Ich träume hebräisch, aber mit ungarischen Untertiteln”

Autorin: Györgyi Turóczi

Ein berühmter und sehr erfolgreicher Mann ungarischer Abstammung ist für immer von uns gegangen. Er war ein echter Europäer, lebte außer in Ungarn in der Schweiz, in Deutschland und in Israel. Leider musste auch er, wie so viele andere Genies auch, in der Nazizeit die Heimat verlassen. Nicht ohne Grund.

Kishon wurde am 23. August 1924 in Budapest als Ferenc Hoffman geboren, wo er 25 Jahre lang lebte. Er wurde ein hochintelligenter, in verschiedenen Künsten ausgebildeter Mann. An einer Budapester Hochschule studierte er Kunstgeschichte und Bildhauerei, weil er wegen seiner jüdischen Abstammung nicht an der Universität aufgenommen wurde. Bereits in jungen Jahren schrieb er Artikel für Tageszeitungen, später eine Vielzahl von Satiren, Romanen, Erzählungen, Theaterstücke. Mehr als 50 von ihm geschriebene Bücher wurden herausgegeben und in 37 Sprachen übersetzt. Er war in Deutschland ein hochgeschätzter Schriftsteller, da sein Hauptthema die Versöhnung der Deutschen mit den Juden war. „Er war ein Entwicklungshelfer im besten Sinne, der vielen Deutschen half, ihre antisemitischen Verblendungen zu überwinden.“ – sagte Christina Weiss, die Kultusministerin von Berlin. In der ganzen Welt wurden 43 Millionen Bücher von ihm verkauft, und man nennt ihn den meistgelesenen Satiriker überhaupt.
Es ist ein Wunder, dass er den Holocaust überleben konnte, der die meisten Mitglieder seiner Familie in die Gaskammern von Auschwitz führte. Ihm half seine Schach-Begabung zu überleben in einem Arbeitslager, dessen Kommandant diesen Sport ebenfalls mochte. Mit 20 Jahren wurde er von den Nazis verhaftet und nach Polen deportiert zum Arbeitsdienst. In einem Konzentrationslager wurde er fast um ein Haar erschossen. Kishon hatte aber Glück und blieb am Leben. „Sie machten einen Fehler, sie ließen einen Satiriker am Leben“, schrieb Kishon später. 1945 flüchtete er aus dem Lager Jolsva mit falschem Ausweis und kam ein paar Tage später mit der Bahn nach Budapest. In der Nachkriegszeit versteckte er sich vor den Kommunisten, fälschte Urkunden, Stempel und übersiedelte 1949 nach Israel. Nach der Ankunft in Israel arbeitete er eine kurze Zeit in der Landwirtschaft, dann begann er für verschiedene ungarische Zeitungen zu schreiben („Ludas Matyi“, „Szabad Száj“, „Új Kelet“). Über 32 Jahre schrieb er für die jüdische Zeitung „Maariv“. 1957 eröffnete Kishon sein Kabaretttheater in Tel-Aviv (Grüne Zwiebel), zwischen den Jahren 1967 und 1974 wurde er regelmäßig in Hollywood beschäftigt. Er schrieb insbesondere Alltagsgeschichten, Familiengeschichten, und sein Film „Sallah Shabati“ wurde 1964 für einen Oskar nominiert. Seit den 90er Jahren lebte der Schriftsteller in Israel und in der Schweiz.
Wie bekam er seinen neuen Namen? Als er 1949 auf einem Flüchtlingsschiff in Israel ankam, gab er sich den Namen Kishont. Der Beamte im Hafen von Haifa schrieb aber einfach Kishon, ohne „t“. Dann meinte er, den Vornamen Ferenc gäbe es nicht, und schrieb einfach Ephraim ins Dokument. Der Schriftsteller behielt seinen Namen in dieser Form – „Ich bin 1949 in Israel wiedergeboren“.
Von seinen in Ungarn erschienen Büchern waren vor allem die Humoreskenbände („Az eszed tokja, hogy volt?“, „A tengeribeteg bálna“) die berühmtesten. Er schrieb auch seine Autobiographie („Volt szerencsém“) nach den Gesprächen mit dem Journalisten Jaron London. Zu Kishons 80. Geburtstag erschien im vergangenen Jahr in Deutschland ein Sammelband mit seinen Prosaarbeiten. Dieser enthält seinen ersten Roman „Mein Kamm“ sowie „Der Fuchs im Hühnerstall“ (1962) und „Der Glückspilz“ (2003). In Ungarn erschien zur selben Zeit sein Band mit dem Titel „Hiszi a piszi – Fejesugrás a magas politika pocsolyájába“ im Akademie Verlag.
Im Laufe seiner langen Tätigkeit erhielt Ephraim Kishon zahlreiche Preise, etwa die Staatspreise von Deutschland, Österreich, Ungarn und Israel. Sein Humor weist Budapester Merkmale auf, aber zugleich ist es ein typischer jüdischer Humor, über den man sowohl in Deutschland als auch in Israel genauso tiefst lachen kann. Mit seinem Humor wollte er zur Versöhnung beitragen.

Ein paar Zeilen aus seinem Werk: „Interview mit mir selbst“ – um zu sehen, wie sein Humor war:
»Sie sind Ephraim Kishon, der Schriftsteller...?« 
»Ich bin kein Schriftsteller. Ich bin nur ein Humorist.« 
»Was ist der Unterschied?« 
»Es gibt keinen. Aber Humoristen werden im allgemeinen nicht als Schriftsteller bezeichnet.« 
»Entschuldigen Sie - die diversen Lexika und Enzyklopädien sind voll mit Namen von Humoristen.«
»Von toten. Erst wenn man stirbt, wird man ein Schriftsteller. Zu Lebzeiten ist man Humorist«  
»Und kann zu Lebzeiten ganz gut davon leben, oder nicht?«
»Habe ich mich beklagt? Ich habe nur Tatsachen festgestellt. Ein Schriftsteller gilt als seriös. Einer, der die Menschen lachen macht, kann doch nicht seriös sein. Stimmt‘s?«
»Es stimmt. « 
»Sie sind ein Idiot.« 
»Ich hab‘s nicht so gemeint. Ich meine ... er ist zwar seriös... aber er bringt die Leute zum Lachen ... nein, umgekehrt... « 
»Es wäre besser, wenn wir dieses Interview abbrechen.« 
»Seien sie doch nicht so empfindlich, um Himmels willen!. « 
»Wie sollte ich nicht empfindlich sein, wenn‘s um mich selbst geht?«
»Sie stehen im Ruf, auf die geringfügigsten Attacken - auch auf solche, die Sie sich nur einbilden - mit hemmungsloser Wut zu reagieren und alle Kritiker in Bausch und Bogen zu verdammen. Was sagen Sie dazu?« 
»Nichts.« 
»Warum nicht?«
»Weil Sie mich nicht verstehen würden. Ich habe Zahnschmerzen, nicht Sie. Über diesen Punkt könnten wir erst sprechen, wenn ich Ihnen die Zähne eingeschlagen hätte. Wir stehen in verschiedenen Lagern. Ich schreibe, Sie lesen.«