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Zeitung << 1/2005 << Ungarische Regensburger Praktikantinnen in Szeged


Ungarische Regensburger Praktikantinnen in Szeged
Möglichkeiten für Ungarn an den deutschen Universitäten

Autorin: Györgyi Turóczi

Zwei ungarische Studentinnen aus Regensburg waren drei Wochen lang bei uns in Szeged, wo sie ihr Praktikum an unserer Universität absolvierten. Was für Erfahrungen sie bei uns machten, wie sie unser Bildungssystem sehen und wie sie eigentlich nach Regensburg gekommen sind, haben sie mir erzählt.

Barbara Somogyi ist in dem 5. und Marta Kõszegi in dem 2. Studienjahr und studieren beide Germanistik und Pädagogik an der Universität Regensburg.
Barbara kam vor sieben Jahren nach Deutschland ohne Deutschkenntnisse. Sie wollte zwar in Ungarn studieren, wurde aber nicht aufgenommen. Da die angehende Studentin auf keinen Fall ihren Eltern zur Last fallen wollte, überlegte sie sich Alternativen. Für Barbara war es eine große Herausforderung, als sie nach Deutschland ging, wo sie zuerst zwei Jahre lang als Babysitterin arbeitete und nicht studieren wollte. Sie konnte auch nur ein wenig Bairisch. Die Familie, bei der sie arbeitete, war hochgebildet und nahm Barbara zur Universität mit. Sie schlug vor, dass ihr Babysitter studieren sollte, und das war guter Rat. Barbara begann, an der Universität Deutsch, Italienisch und Pädagogik zu studieren. Das Studentenleben ist nicht so anstrengend, wie man es bei uns gewohnt ist, man kann sogar sehr viel reisen, und das tat auch Barbara. Das dazu nötige Geld können die Studenten durch Arbeit in Restaurants und in Lokalen als Kellner oder Kellnerin verdienen. Wenn man kein Geld von zu Hause bekommt, muss man arbeiten. Die Arbeit ist nicht erniedrigend, wie die Mädchen erzählten, sie macht den Studenten sogar Spaß.
Marta spricht auch sehr gut Deutsch. Sie begann ihr Studium hier in Ungarn, aber da sie Grundkenntnisse in Deutsch hatte, dachte sie, für eine kurze Zeit in Deutschland als Babysitter zu arbeiten. Daraus wurde aber eine längere Zeit. Marta hat Barbara und andere ungarische Mädchen kennen gelernt und auch das deutsche Studiensystem. Da die Verhältnisse günstig waren, blieb sie dort und immatrikulierte sich an der Universität Regensburg. Die Studenten können sowohl in Untermiete als auch in einem Studentenheim wohnen, abends hie und da arbeiten. Beide Mädchen haben einen deutschen Freund und denken gar nicht daran, nach Hause zu fahren und hier in Ungarn zu leben. Die Ungarinnen fühlen sich also in Deutschland nicht ausgegrenzt. Barbara wollte ihr Praktikum hier in Ungarn absolvieren und Marta begleitete sie. Barbara hatte die Möglichkeit, die Stadt für ihr Praktikum auszuwählen, und entschied sich für Szeged, weil sie noch nie hier war. Beide hatten Lehrveranstaltungen besucht und sogar gehalten und konnten so einige Unterschiede zwischen dem Unterricht an deutschen und ungarischen Universitäten feststellen.

Das Studium in Deutschland
Ausländische Studenten können sich an der Universität Regensburg leicht immatrikulieren. Es existiert keine Aufnahmeprüfung, allerdings gibt es eine Studiengebühr.
Die Atmosphäre in Deutschland ist viel lockerer und freundlicher, nach Meinung von Barbara und Marta. Die Professoren sind nicht so streng, die Studenten selbstbewusster und arbeiten selbständiger. Der Teamgeist funktioniert in Deutschland besser, die Ungarn dagegen sind Einzelkämpfer. Die Studenten bei uns äußern ihre Meinung kaum, „sie haben Angst frei zu sprechen“ – meinten die Besucher aus Regensburg. Das ist kein Wunder, da wir viele schriftliche und theoretische Aufgaben haben und sehr wenig Möglichkeit zu sprechen, obwohl wir Stilübungen sowie Sprachübungen im Studienplan haben. „Zu der Sprache gehört auch die richtige Intonation“ – sagte Marta – „aber darauf wird in Ungarn kein Wert gelegt“. Wir sprechen mit relativ vielen Fehlern. Die Praktikantinnen bemerkten auch, wie schon viele andere ebenfalls, dass wir Ungarn zu höflich zu Professoren sind. Wir haben z.B. Angst beim Klopfen an die Türen der Professoren oder wir sprechen mit ihnen in einem ganz anderem Tonfall, ganz anders als mit Dozenten oder Assistenten. Es wurde auch festgestellt, was auch schon mehrmals kritisiert wurde, dass wir zwar eine Meinung haben, diese aber nicht äußern. Es fehlt den Ungarn an Offenheit.
Das Kreditpunktsystem funktioniert in Deutschland ganz anders. Dort bekommt man differenzierte Kreditpunkte laut Leistung. Das ganze Jahr sammelt man die so genannten Scheine und wenn man davon genug hat, kann man zur Zwischenprüfung antreten. Man muss nicht an 15-30 schwere Thesen denken, wie es bei uns der Fall ist, es ist nur ein Prüfungsgespräch. Die Leistungen, die in Form von Modulen während des Grundstudiums erbracht wurden, ergeben die Zwischenprüfung. Die Note setzt sich aus dem gewichteten Durchschnitt der Modulnoten zusammen. Module sind Studienbausteine, die sich aus verschiedenen, aufeinander bezogenen Veranstaltungen zusammensetzen. Die Modularisierung an der Universität Regensburg wirkt sich positiv aus. Sie kann zur Flexibilität im Studienaufbau und zur Freiheit in der Wahl der Studieninhalte führen. Nicht nur leichtere, sondern auch weniger Prüfungen hat man an der Universität. Es gibt nur sehr wenige mündliche Prüfungen, es überwiegen die schriftlichen Prüfungen (zumindest war es bei Barbara und Márta bisher nur so). In den Seminaren haben die Studenten die Möglichkeit, Referate zu halten. In den Seminaren gibt es keine Klausuren – erzählten die Mädchen -, nur am Ende von Vorlesungen. Es reicht, wenn man nur eine Hausarbeit schreibt. Außer einer einzigen Zwischenprüfung existiert keine andere Prüfung mehr, nur das Staatsexamen am Ende.
Ein weiterer Unterschied ist, dass es an der Universität Proseminare gibt, diese sind die obligatorischen und gleichzeitig die Vorstufe zu den Hauptseminaren. Es gibt zu diesen Seminaren Ringvorlesungen, die ebenfalls obligatorisch sind. Die Studenten in Regensburg haben die Möglichkeit, ein traditionelles Magister-Studium zu absolvieren. Man muss das Grundstudium (1-4. Semester) in zwei oder drei Fächern machen, dann kommt eine punktuelle Zwischenprüfung. Danach beginnt man das Hauptstudium (5-9. Semester) wieder in zwei oder drei Fächern. Am Ende steht die Magisterarbeit und eine punktuelle Magisterprüfung. Dieses Studium war bisher nur nach zwei Varianten möglich: Entweder belegt man zwei Hauptfächer, oder ein Hauptfach mit Magisterarbeit sowie ein erstes und ein zweites Nebenfach. Das zweite Nebenfach der zwei Praktikantinnen ist ein„Frei Kombinierbares Nebenfach“. Es setzt sich aus zwei Studieneinheiten zusammen (Grundstudium und Hauptstudium). Die Prüfungsnoten ergeben sich aus den Leistungspunkten. Die zwei jungen Studentinnen haben als frei kombinierbares Nebenfach DaF und Gender Studies. Die Fächer kann man aus einer Liste auswählen. Dieses Nebenfach verbindet Interdisziplinarität, wissenschaftliche Ausbildung und berufliche Praxis. Es dürfen keine Studieneinheiten aus einem einzigen Fachgebiet gewählt werden. Das, ergänzt mit einer DaF-Zusatzbildung und einem absolvierten Praktikum, bietet die Möglichkeit, Ausländer zu unterrichten. Es gibt aber eine Voraussetzung: In der DSH-Prüfung (Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang ausländischer Studienbewerber) und in der Test-DaF-Prüfung muss man eine ausgezeichnete Note erreichen, um unterrichten zu können. Für die Prüfung organisiert man an der Universität einen Vorbereitungskurs, für den man bezahlen muss.
Im Rahmen des Magisterstudiengangs kann der akademische Grad „Baccalaureus/Baccalaurea Artium“ erworben werden. Das Grundstudium im B.A-Studiengang ist mit dem des Magisterstudiengangs identisch. Nach dem Erwerb dieses ersten berufsqualifizierenden Abschlusses steht es Studierenden offen, den Magisterabschluss zu erwerben, ein Masterprogramm zu absolvieren.

Auf Grund von Barbaras und Martas Erfahrungen kann man den Schluss ziehen, dass es wirklich äußerst vorteilhaft ist, nach einem Germanistikstudium in Ungarn in ein deutschsprachiges Land zu fahren, um das eigene Wissen zu vertiefen und anzuwenden.