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Zeitung << 2/2005 << Gespräch mit Viktória Dabóczi


Doch die Heimkehr ist immer etwas Besonderes
Gespräch mit Viktória Dabóczi

Autor: Zsolt Kozma

Viktória Dabóczi hatte als Germanistikstudentin schon einige Male die Möglichkeit gehabt, nach Deutschland fahren zu können. Sie war auch diesen Sommer im Land der Dichter und Denker. GeMa hat sie zum Interview gebeten.

Wie ist es dazu gekommen, dass Du wieder nach Deutschland reisen durftest?
Ich habe mich um ein Stipendium beworben. Eigentlich wollte man das Programm streichen, doch unsere ehemalige DAAD-Lektorin Mathilde Hennig hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass es doch noch nicht gestrichen wird. Während meiner Studien war dies die letzte Möglichkeit, ein Stipendium bekommen zu können, deshalb habe ich es einfach versucht. Ich freue mich sehr, dass ich dieses Stipendium bekommen habe.

Was für ein Stipendium war es eigentlich?
Offiziell heißt es DAAD Abschluss-Stipendium. Man hat die Möglichkeit, für die Diplomarbeit in Deutschland Materialien zu sammeln, zu recherchieren und über eventuelle Probleme kann man mit einem Konsulenten diskutieren.

Wer ist Dein Konsulent gewesen?
Mathilde Hennig hat mir vorgeschlagen, Prof. Dr. Clemens Knobloch zu kontaktieren. Im Bereich meines Themas, Wortarten, ist er ein bedeutender Experte. Ich habe mit ihm per E-Mail den Kontakt aufgenommen und er war sofort bereit, mich zu empfangen. Die ganze Zeit über war er immer sehr nett und hat mir viel geholfen.

Wo genau warst Du und wie lange?
Ich war in Siegen. Das ist eine Stadt in Nord­Rhein-Westfalen. Insgesamt habe ich fast drei Monate dort verbracht, von Anfang Juli bis Ende September dieses Jahres.

Was für Eindrücke hattest Du nach der Ankunft? Haben Dir die organisatorischen Pflichten Schwierigkeiten bereitet?
Vor zwei Jahren war ich in Rostock, dort habe ich schon einige Erfahrungen gesammelt, wie so etwas läuft. Deswegen wusste ich, was wie gemacht werden muss. Natürlich hat unsere EU-Mitgliedschaft einiges vereinfacht.

Wie war Deine Unterkunft? Ist es ein großer Unterschied im Vergleich zu den Szegediner Studentenheimen?
Man kann auf den ersten Blick sehen, dass in Deutschland mehr Geld zur Verfügung steht. Die Studentenheime sind meist moderner, besser ausgestattet mit Technik und sind auch bequemer. Ich habe in einem Privatstudentenheim Unterkunft gefunden. Hier hatten die meisten Studenten ein eigenes Zimmer, doch prinzipiell gab es drei Möglichkeiten: als erste können wir die Einzelzimmer erwähnen. Man bekommt ein Zimmer für sich, doch Küche und Bad gibt es dazu nicht. 5-6 Zimmer teilen sich eine Küche und ein Badezimmer. Die zweite Möglichkeit wird Dublette genannt. In diesem Fall sind zwei Zimmer nebeneinander. Sie teilen sich eine Küche und ein Badezimmer. Mir hat diese Möglichkeit am besten gefallen, und ich habe mich für diese Möglichkeit entschieden. Als dritte Lösung war noch eine Art WG. In einer Quasi-Wohnung waren fünf Leute und jeder hatte ein Zimmer für sich. Darüber hinaus gab es ein großes Zimmer, das sie teilten. Hier konnten sie sich unterhalten und etliches machen. Dazu gab es eine Küche und ein Badezimmer. Überall ist ein Internetanschluss, was sehr hilfreich ist. In Deutschland hat fast jeder Student einen Laptop, so ist das Internet Teil des Alltages.

Könntest Du einiges über die Universität erzählen?
Das Unigebäude ist modern. Es wurde in den 70er Jahren gebaut, so ist es voll mit Metall. Ich finde das Gebäude zwar praktisch, jedoch nicht unbedingt schön. Was noch interessant ist, dass die Uni auf einem Berg, nämlich auf dem Hardter Berg zu finden ist. Der Name könnte ja auch für sich sprechen... Während des Studiums muss man manchmal Berge besteigen, aber auf der Spitze findet man das Ziel. Die Dozenten und die Studenten haben mehr Platz als wir hier in Szeged. Die Dozenten z.B. haben meist eigene Büros, oder sie sind höchstens zu zweit in einem Bürozimmer. Die Bibliothek hat fast alles, was ein/eine GermanistIn sich nur wünschen kann. Zeitschriften, Tagungsberichte, Lexika, Bücher aller Art und Sorte sind verfügbar. Falls etwas doch nicht erhältlich ist, funktioniert die Fernleihe einwandfrei. Die Germanistik ist in Siegen ein überaus bedeutendes Fach. Man kann es sich genauso vorstellen wie bei uns die Hungarologie: in Deutschland sind Germanisten „zu Hause”, bei uns die Hungarologen. Es versteht sich von selbst, dass jeder die Bücher und Zeitschriften für sich anschafft, die Priorität haben. Das bedeutet nicht, dass ich all die Bücher, welche in Siegen verfügbar sind, nicht sehr gerne hier in Szeged sehen würde, doch man muss die Tatsachen akzeptieren. Und übrigens besitzen wir in Szeged vielleicht die beste Universitätsbibliothek in Ungarn.

Wie war der Alltag?
Anfangs musste ich viel Zeit in der Bibliothek verbringen. Bücher ausleihen, kopieren, lesen, recherchieren war angesagt. Im August konnte ich dann viel reisen, aber im September arbeitete ich wieder in der Bibliothek. Ich musste noch einiges für meine Diplomarbeit kopieren.

Wohin bist Du in August gereist?
Als „Reiseenthusiastin” habe ich viele Orte besucht. Ich war meistens bei Bekannten: bei Jasmin Groß, unserer ehemaligen Bosch-Lektorin, in München, dann war ich in Mannheim bei Ágnes Túri, mit ihr bin ich nach Heidelberg gereist. Danach besuchte ich meine Freundin bei Aachen. Ende August war ich am Weltjugendtag in Köln und danach war ich bei Prof. Knobloch in Bonn. Ich war ganz überrascht, als er mich zu sich nach Bonn eingeladen hat. Das war wirklich sehr nett von ihm. Anschließend war ich in Kassel, wo ich unsere ehemalige DAAD-Lektorin Mathilde Hennig besucht habe. Hier konnte ich einige Vorträge über Kulturwissenschaft besuchen und in der Bibliothek Kuriositäten betrachten: z.B. die originale Hildebrandslied-Handschrift.

Hat sich in Dir das Bild von Deutschland im Vergleich zu Deinen früheren Erlebnissen etwas geändert? Hat Dir das Land ein anderes Gesicht gezeigt als früher?
Die Orte, an denen ich war, waren anders. Rostock ist in der ehemaligen DDR, doch Siegen in der ehemaligen BRD. Man sieht schon, dass die Menschen in Nordrhein-Westfalen wohlhabender waren und sind, aber grundsätzliche Unterschiede konnte ich nicht beobachten. Es ist immer dort am schönsten, wo man gerade ist. Ich war in Deutschland im Sommer dort, deswegen waren nur wenige Studenten anwesend, demnach konnte ich relativ wenig Menschen kennen lernen, dennoch habe ich neue Freunde gefunden.

Ende August war Deutschland im Wahlfieber. Wie hast Du das erlebt?
Es war recht interessant. Grundsätzlich interessiert mich Politik nur kaum, weder in Ungarn, noch anderswo, doch den Verlauf der Ereignisse habe ich von Anfang an verfolgt. Auf einmal war ich von mir selbst überrascht: mir ist klar geworden, dass diese ganzes Neuwahlfieber auch mich erreicht hat! Natürlich bin ich als Außenseiter keiner der Parteien verpflichtet, und die Ergebnisse haben kaum etwas in meinem Leben geändert, doch der Wahlkampf war echt spannend und überhaupt anders als bei uns. In Bonn, z.B. hatte ein CDU-Mitglied ein Wahlcafé. Hier konnte man umsonst Kaffee trinken, Archivaufnahmen ausborgen oder anschauen und sich mit anderen CDU-Anhängern unterhalten. Ich bin nicht hineingegangen, doch von außen betrachtet, war es schon recht merkwürdig, aber interessant. In Ungarn gibt es so etwas noch nicht. Die Plakate mit den Slogans waren auch echt witzig oder auch verblüffend. Man muss schon sagen: deutsche Politiker können auch viel versprechen... Der Wahlkampf lässt den Menschen selbst samstags keine Ruhe: auf dem Markt in Siegen sah ich z.B., dass einige SPD und CDU-Anhänger auf einmal erschienen sind und mit ihrer Kampagne anfingen.

Wie hast Du Dich in Deutschland gefühlt? Würdest Du gerne wieder nach Siegen fahren?
Natürlich, für eine kürzere Zeit würde ich gerne wieder dorthin reisen. Ich habe viele neue Bekannte, und Freunde besucht man gern. Doch die Heimkehr ist immer etwas Besonderes, und für immer würde ich Ungarn auf keinen Fall verlassen. Schließlich habe ich hier meine Heimat.