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Zeitung << 2/2005 << Interview mit Dr. Ellen Tichy


Eine radfahrende DAAD-Lektorin
Interview mit Dr. Ellen Tichy

Autorinnen: Mariann Lovas, Anna Simon

Seit September 2004 können wir Frau Tichy auf dem Korridor der Universität treffen und ein Stück von ihrem freundlichen Lächeln bekommen. GeMa hat sie zu einem kurzen Gespräch eingeladen, um sie ein bisschen besser kennen zu lernen und vorstellen zu können.

Es ist Ihr zweites Jahr in Szeged. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, nach Ungarn zu gehen?
Ich war das erste Mal in Ungarn Anfang der 90er Jahre. Da bin ich von Wien nach Budapest mit dem Fahrrad gefahren. Über Gyõr, soweit es ging, immer an der Donau entlang. Dann ging es weiter nach Budapest mit dem Fahrrad. In Budapest habe ich auf einem Campingplatz fünf Tage verbracht. Zum Balaton bin ich dann mit dem Fahrrad gefahren und dann aber mit dem Zug wieder zurück nach Deutschland. Mir hat damals diese Fahrt sehr sehr gut gefallen. Sechs oder sieben Jahre später habe ich zwei Wochen an der Universität von Debrecen gearbeitet. Das hat mir auch sehr gut gefallen. Da habe ich gedacht, wenn es die Möglichkeit gibt, in Ungarn zu arbeiten, dann würde ich das gerne machen.

Haben Sie früher auch in anderen Ländern gearbeitet?
Ja. Ich bin drei Jahre von 1993 bis 1996 in Ägypten gewesen. Da habe ich an einer ägyptischen Universität auch als DAAD-Lektorin gearbeitet. Ich war fünf Wochen an einer amerikanischen Universität. Ich habe jeweils zwei oder drei Wochen an Universitäten in Schweden, in Portugal, in Polen, in Großbritannien und auf Malta gearbeitet.

Dann hatten Sie Gelegenheit, mehrere Fremdsprachen lernen zu können.
Ohne Fremdsprachen geht es wirklich nicht. Ich hatte in der Schule und im Studium die Gelegenheit, Englisch, Französisch, Spanisch und ein bisschen Türkisch und Arabisch zu lernen. Meine Ungarischkenntnisse sind leider immer noch sehr bescheiden. Aber ich habe vor, im Sommer wieder einen Ungarisch-Intensivkurs in Berlin zu besuchen.

Was ist Ihre Meinung über die ungarischen Studenten im Vergleich zu den Studenten in diesen Ländern?
Es fällt mir auf, dass die ungarischen Studenten im Vergleich zu den Studenten in vielen anderen Ländern, in denen ich gearbeitet habe, sehr gut Deutsch sprechen, sehr fleißig und sehr motiviert sind, etwas Neues zu lernen.

Sie haben in diesem Semester ein sehr abwechslungsreiches Angebot an Kursen. Wie haben Sie die Themen ausgewählt?
Ich habe die einzelnen Lehrangebote schon einmal gemacht. Ich hoffe, dass sie für die Studenten interessant sind.

Viele wissen nicht, was genau die Fachbereiche Interkulturelle Landeskunde und Kommunikation bedecken. Würden Sie darüber ausführlicher sprechen?
Zunächst muss ich sagen, dass ich aus einer interkulturellen Familie stamme. Mein Vater ist Österreicher, meine Mutter ist Deutsche. Ich bin in Deutschland aufgewachsen. In meiner Familie gibt es Deutsche, Österreicher, Amerikaner, Franzosen, Polen, also wir sind schon eine interkulturelle Familie. Ich habe mich ganz früh für Deutsch als Fremdsprache und Sprachwissenschaft interessiert. Später habe ich dieses Fach studiert und ich habe letztendlich meine Dissertation in diesem Bereich geschrieben. Da geht es um Intrapersonale Variation im Zweitsprachgebrauch in der Lernersprache Deutsch. Das war eine empirische Untersuchung mit türkischen Jugendlichen. Das war die erste größere Arbeit, die ich geschrieben habe, die in dem Bereich interkulturelle Kommunikation angesiedelt ist. Ich habe mich in erster Linie für das Sprachverhalten interessiert. Einer der Artikel, die ich geschrieben habe, heißt „Du bist ja Spaghetti oder Spanakel so was!“. Das stammt von einem türkischen Jugendlichen, der Deutsch gelernt hat. Ich habe das Sprachverhalten von türkischen Jugendlichen in Deutschland untersucht. Dann habe ich mich auch für Theater und Dramenpädagogik interessiert. Mit einer britischen Theatergruppe habe ich an der Universität von Oldenburg – wo ich auch gearbeitet habe – eine Theaterproduktion auf die Beine gestellt, und mit dieser Produktion ist dann die Gruppe in Deutschland, in Großbritannien und in Österreich aufgetreten. Interkulturell war, dass dieses Theaterstück von deutschen und britischen Studenten entwickelt wurde und in Deutschland, in Großbritannien und in Österreich aufgeführt wurde. Das Theaterstück hieß „Was für ein Hundeleben/It’s a dog’s life“ und beschäftigte sich mit dem Thema Ausländer. Ich war auch interessiert an der Textproduktion in der Lernersprache Deutsch. Man kann sehen, dass diese interkulturellen Kom­­ponenten immer wieder auftauchten. Ich habe Bildbeschreibung von ägyptischen und deutschen Studen­ten ver­glichen.
Ich habe untersucht, wie geschrieben wird und auch das, was geschrieben wurde. Dann habe ich im Bereich Theater mit Studenten in Rostock und Hamburg, aber auch mit Studenten aus Oldenburg einen theaterpädagogischen Workshop gemacht, wo wir das Fremde und das Eigene als Thema hatten und wo wir dann eine kleine eigene Theaterproduktion gemacht haben. Jetzt beschäftige ich mich mit dem Thema, wie in Lehrbüchern für Deutsch als Fremdsprache interkulturelle Kompetenz vermittelt wird. Da schaue ich z.B. wie in Texten und Dialogen auf der einen Seite Sprache vermittelt wird und auf der anderen Seite auch etwas gesagt wird über Deutschland und darüber, wie man sich in Deutschland bewegt, und ich schaue mir an, wie das die Autoren machen. Bei meinen bisherigen Untersuchungen habe ich festgestellt, dass viele Lehrbuchdialoge wenig au­thentisch sind.

Sie sind Betreuer der DAAD-Stipendien an unserer Universität. Wie können Sie den Studenten dabei helfen, ein DAAD-Stipendium zu bekommen? Was für eine Rolle haben Sie dabei?
Ich möchte ganz kurz von drei möglichen Stipendien be­richten, die für ungarische Studierende besonders interessant sind. Das eine Stipendium ist das Hochschulsommerkursstipendium. Dabei können sich die Studierenden um einen Aufenthalt in Deutschland für den Sommer für drei bis vier Wochen an einer deutschen Universität bewerben. Es gibt noch das Abschlussstipendium für Studierende der Germanistik. Wenn sie eine Diplomarbeit schreiben wollen und sie wollen sich in Deutschland an einer deutschen Hochschule unter Betreuung von einem deutschen Hochschullehrer auf diese Arbeit vorbereiten, dann können sich Studenten der Germanistik für ein Abschlussstipendium bewerben. Wenn jemand das Studium abgeschlossen hat, kann er/sie sich bewerben um einen Platz an einer deutschen Hochschule, wo man dann ein Aufbau- oder Master-Studium durchführen kann. Meine Aufgabe als DAAD-Lektorin ist, sie zu beraten, sie zu informieren über das Studium in Deutschland und über mögliche Stipendien, die sie beantragen können. Weitere Informationen über die Stipendien findet man unter www.daad.de und www.scholarship.hu

Sind die ungarischen Studenten daran interessiert?
Sehr viele Studenten sind interessiert, aber ich meine trotzdem, es könnten sich noch mehr Studierende der Germanistik z.B. für Sommerkurse interessieren und auch bewerben. Ich habe leider festgestellt, dass viele Studierende, die im vierten und fünften Studienjahr sind, noch nie in Deutschland waren. Und ich meine, wenn man Germanistik studiert, dann sollte man irgendwann Interesse daran haben, nach Deutschland oder nach Österreich zu fahren. Das würde ich mir wünschen, dass sich mehr Germanistikstudierende für einen Deutschlandaufenthalt interessieren.

Sie halten den Kurs „Stadtführer in Szeged“.
Wir bereiten diesen Stadtführer für das Internet vor. Diese Internetseite wird verlinkt. Wir hoffen, dass viele Deutsche neugierig auf Szeged werden und bemerken, dass diese Stadt sehr viel mit Deutschland zu tun hat. Wir haben insgesamt zehn Punkte im Stadtbild von Szeged gefunden, die mit Deutschland zu tun haben. In wenigen Wochen wird das fertig sein. Die Studenten waren sehr fleißig, haben sehr viel daran gearbeitet und haben auch sehr interessante Texte geschrieben.

Was sind Ihre Pläne für die Zukunft? Möchten Sie in Ungarn bleiben?
Ich würde sehr gerne einige Jahre in Ungarn bleiben, weil es mir hier sehr gut gefällt. Man kann auch ganz gut Fahrrad fahren. Das ist etwas, was mir sehr gut gefällt. Man kann hervorragend Fahrrad fahren. Ich liebe das.

Vielen Dank für das Gespräch!