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Zeitung << 2/2005 << Interview mit Frau Dr. Erzsébet Forgács


Kochen und Wissenschaft
Interview mit Frau Dr. Erzsébet Forgács

Autorinnen: Tímea Polereczki, Éva Borda

Frau Dr. Erzsébet Forgács ist die Leiterin des Lehrstuhls für deutsche Sprache und Literatur an der Juhász-Gyula-Hochschulfakultät der Universität Szeged. Das GeMa hatte nun endlich die Möglichkeit, mit ihr zu sprechen.

Wann hatten Sie die Idee, Deutsch zu studieren?
Ich kann nicht sagen, dass ich "schon immer" Deutsch studieren wollte oder Lehrerin werden wollte. In der Grundschule wollte ich eine lange Zeit sogar Schauspielerin werden. Meine damalige Klassenleiterin hat diesen Wunsch ernst genommen. Damals waren die Klassen mit erweitertem Russisch-Unterricht die sogenannten Elite-Klassen, so habe ich ab der dritten Klasse schon Russisch gelernt, und zwar mit Erfolg, bei vielen Wettbewerben habe ich den ersten Preis geholt. Es hat mich von Anfang an fasziniert, dass ich meine Gedanken auch in einer anderen Sprache ausdrücken kann. Es kam dann eigentlich automatisch, dass ich auch im Gymnasium Russisch gelernt habe, d.h. in erhöhter Stundenzahl. Als zweite Fremdsprache kam noch Englisch dazu, und Deutsch habe ich privat gelernt. Im Gymnasium habe ich aber auch in Deutsch die Prüfungen abgelegt.

Wollten Sie schon immer unterrichten? Wo und vor allem was haben Sie studiert?
Im Gymnasium hatte ich schon fest das Ziel, Lehrerin zu werden. Zum Fach Ungarisch habe ich Russisch gewählt, da ich (damals noch) sehr gut Russisch gesprochen habe, und das schien eine geglückte Wahl zu sein. Ich dachte, Ungarisch, d.h. unsere Muttersprache wird sowieso immer ein Pflichtfach sein, und Russisch war damals noch eine obligatorische Fremdsprache, besser gesagt "die" Fremdsprache, in den Grundschulen die einzige... Ich wurde an der Attila-József-Universität (JATE) zum Studium zugelassen und so bekam ich mein Diplom – im Jahre 1983 – als Oberschullehrerin für Ungarisch und Russisch.

Wo haben Sie gearbeitet, bevor Sie an der Hochschule hier in Szeged angefangen haben?
Mit diesem Diplom habe ich dann gleich eine Stelle bekommen in der Fachmittelschule "István Vedres" in Szeged. Ich hatte Glück, ich habe nämlich die Stelle als Frau nur deshalb bekommen, weil es keinen männlichen Bewerber gab. Ich habe meine beiden Fächer unterrichtet, und zwar in solchen Klassen, in denen mehr als dreißig Jungs und nur einige wenige Mädchen waren, das war ja eine Schule für Bauwesen. Aber mir hat die Arbeit dort sehr viel Spaß gemacht: Ich hatte einen wunderbaren Schuldirektor, der leider schon gestorben ist, und ich hatte nette Kollegen. Wie ich dann die Idee hatte, auch Deutsch zu studieren? – Im Jahre 1988 hat mein Mann eine Stelle als Lektor für Ungarisch an der Georg-August-Universität in Göttingen bekommen und wir sind für einige Jahre nach Deutschland gezogen. Das war eine großartige Möglichkeit, meine Deutschkenntnisse aufzufrischen, zu verbessern, und da man die politische Wende im Voraus sehen (oder wenigstens erhoffen) konnte, dachte ich, "es schadet nicht", wenn ich nicht nur einfach Deutsch lerne, sondern auch richtig studiere. So habe ich mich hier an der JATE wieder immatrikulieren lassen und in Göttingen habe ich als Gasthörerin den Unterricht besucht. Das war – wie gesagt – ideal. Ich konnte alles, d.h. die Primärliteratur im Original lesen, ich konnte leicht die Sekundärliteratur besorgen, und ich hatte auch Zeit für das Studium. Als wir zurückkehrten, habe ich eine Stelle als wissenschaftliche Assistentin bekommen am Lehrstuhl für deutsche Sprache und Literatur der damals noch selbstständigen Pädagogischen Hochschule "Gyula Juhász". Ich arbeite hier schon seit dreizehn Jahren.

Was war das Thema für Ihre Dissertation und warum haben Sie es gewählt?
Das Thema meiner Dissertation war Phraseologie: Ich habe die Werke des Schriftsteller-Predigers Gáspár Heltai untersucht. Seine Werke eignen sich besonders gut für Untersuchungen im Bereich Phraseologie, da die Reformation als "das goldene Zeitalter" der Phraseologismen gilt. Damals hatten auch die Sprichwörter eine ganz andere Funktion gehabt: Man hat an ihren Wahrheitsgehalt geglaubt, sie dienten als Wegweiser im Alltag, in der Kindererziehung, sogar in juristischen Fragen. Ich bin natürlich nicht allein auf diese Idee gekommen. Ich hatte eine Professorin, Velcsovné Kati néni, von der ich das Thema bekommen habe, und die dann auch meinen ganzen wissenschaftlichen Werdegang – bewusst und auch unbewusst – wesentlich bestimmt hat. Sie war und ist immer noch mein Vorbild.

Woran arbeiten Sie zur Zeit?
Ich habe jetzt ein Buch beendet mit dem Titel "Nyelvi játékok. Kreativitás a viccekben, a reklámnyelvben és irodalmi szövegekben" [Sprachspiele. Kreativität in Witzen, in der Werbesprache, in der Pressesprache und in den literarischen Texten]. Ich versuchte jegliche Arten der Sprachspiele systematisch darzustellen, auf Grund vieler Beispiele ihren Wirkungsmechanismus zu erschließen. Das Buch habe ich zwar in ungarischer Sprache verfasst, aber es kommen sehr viele Sprachspiele aus dem Deutschen vor, und sogar englische und russische Beispiele. Das Buch empfehle ich Ungarisch-Lehrern und Fremdsprachenlehrern, aber es eignet sich auch fürs Selbststudium. Ich bin fest davon überzeugt, dass Sprachunterricht effektiver ist, wenn auch kreative, spielerische Aufgaben und Texte eingesetzt werden. Das Erkennen der Kreativität, bzw. die Reflexion darauf fördert das sprachliche Bewusstsein. Da im Buch auch viel Printwerbung vorkommt, können es auch evtl. Werbefachleute mit Erfolg verwenden. Die andere Arbeit, die ebenfalls noch im Dezember erscheint, trägt den Titel "Deutsche Stilistik. Arbeitsmaterialien für den Unterricht des Deutschen als Fremdsprache". Neben einigen Aufsätzen und Rezensionen, die ich bald abgeben muss, möchte ich im Januar, wenn ich für einige Wochen mit einem DAAD-Stipendium nach Deutschland fahre, an meinen Materialien zum Thema "Interkulturelle Kommunikation – Stereotype, Vorurteile und Volkscharakterologie" arbeiten.

Haben Sie Kinder, was machen sie?
Ja, ich habe Kinder, und ich freue mich immer, wenn man nach ihnen fragt, weil ich sehr stolz auf sie bin. Beide studieren in Budapest an der Wirtschaftswissenschaftlichen Universität. Angéla wird in einigen Tagen schon 21, manchmal muss ich selbst nachrechnen, weil ich das gar nicht fassen kann. Sie spricht fließend drei Sprachen: Deutsch hat sie noch in Deutschland gelernt, das ist eigentlich ihre zweite Muttersprache. Sie spricht viel "schöner" als ich, d.h. ohne Akzent. Sie will auch in Deutschland studieren, es gibt nämlich die Möglichkeit, ein sog. Doppeldiplom, d.h. neben dem ungarischen auch noch ein deutsches, zu erwerben. Sie spricht daneben noch Englisch und auch Französisch. Sie ist schon im dritten Studienjahr und als wissenschaftliche Hilfskraft unterrichtet sie Statistik an der Uni. Ich habe mich zuerst sehr gefreut darüber, jetzt meine ich allerdings, dass sie "zu tüchtig" ist und sie arbeitet eigentlich ohne Bezahlung. Sie studiert und arbeitet so viel, dass ihr dann keine Freizeit mehr bleibt, daran sollte man dringend etwas ändern. Ádám ist 19, er studiert auch Wirtschaft, genauer Finanzwesen, er spricht auch drei Sprachen, allerdings noch auf Mittelstufen-Niveau. Er ist ebenfalls sehr tüchtig, interessiert sich sehr für die Politik, kann auch so viel und so "diplomatisch" reden wie ein Politiker. Er ist ständig sehr gut informiert, was die aktuelle wirtschaftliche Lage betrifft, investiert auch an der virtuellen Börse. Da beide Kinder sehr beschäftigt sind und selten nach Hause kommen, koche ich manchmal bis spät in die Nacht hinein, und da mein Mann oft nach Budapest fährt, schicke ich so den Kindern den Proviant. Mein Leben besteht also nicht nur aus Wissenschaft.

Was ist das Geheimnis eines guten Lehrers?
Es gibt zwei Möglichkeiten, diese Frage zu beantworten: Entweder sagt man: "Das ist eine schwierige Frage", und man fängt an, stundenlang darüber zu philosophieren oder man antwortet kurz und bündig, evtl. so, dass man sein Vorbild nennt. – Ich nehme jetzt diesen zweiten Weg. Der gute Lehrer verfügt über zwei Sachen: über Wissen und über Seele. So wie meine Professorin, von der ich bereits erzählt habe.

Frau Dr. Forgács, wir danken Ihnen für dieses Gespräch!