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Zeitung << 2/2005 << Remember Dr. Zweig


Remember Dr. Zweig
Ein Theaterabend in Szeged als Einblick in die Welt von gestern

Autorin: Laura Simon

Heimtückische Unheilstifter, voneinander ge­trennte Verliebte, tragische Schicksale, komische Szenen – jedesmal, wenn man ins Theater geht, gerät man in eine zauberhafte Welt.
Meiner Meinung nach ist diese Zauberkraft nicht deshalb so stark, weil sie den Zuschauern etwas Neues zeigt; die aufgezählten Motive können wir ja in dem wirklichen Leben ebenso erfahren. Schon Shakespeare hat gesagt: ’All the world’s a stage’ – das heißt: die ganze Welt ist eine Bühne.
Diese Zauberkraft sehe ich viel mehr in der Art und Weise, wie diese Dinge auf der Bühne dargestellt werden. Die Schauspieler, die Szenerie, die Lichter, die Musik und noch viele andere kleine Elemente bilden zusammen eine solche Atmosphäre, von der man sich am Ende des Stückes schwer trennen kann. In diesem Mittel vollziehen wir nach, begreifen wir und denken wir über solche Dinge, über die unsere Aufmerksamkeit in der grauen alltäglichen Welt hinweggleitet. Aber wozu denn all das? Nun, ich versuche so irgendeine greifbare Erklärung für das schauderhafte Erlebnis zu finden, das mir die Theateraufführung Remember Dr. Zweig geboten hat. Um Missverständnisse zu vermeiden: das Attribut ’schauderhaft’ ist im positiven Sinn des Wortes zu verstehen.
Die Parameter: Zeit: 17. Oktober 2005, 17 Uhr. Ort: Kleiner Saal der Hochschule für Musik, Tisza Lajos Ring, Szeged. Organisiert von dem Lehrstuhl für Österreichische Literatur und Kultur, Eintritt frei. Der Titel: Remember Dr. Zweig – Brief einer Unbekannten/ Schachnovelle. Aufgeführt von mos – management on stage.
Die Benennung mos bezeichnet das Grazer Schauspielduo Barbara M. Simoner und Johannes Pump. Sie haben diesen Namen gewählt, weil Kreativität und Offenheit ihrer Meinung nach nicht nur in der Schauspielerei, sondern auch im Management wichtig sind. Theatertechniken dienen als Grundlage für Präsentationen und Teamarbeiten. Um erfolgreich zu werden, muss man üben und trainieren, man wird sich seiner eigenen Fähigkeiten und Talente bewusst, die auf der Bühne ausprobierbar sind. Nach einer Zeit wird man selbstbewusster, selbstsicher, was auch in anderen Berufen nützlich ist. Die beiden Schauspieler sind zugleich Kommunikations- und Präsentationstrainer; sie bieten Seminare und Einzeltraining an.
Mit diesem Stück sind sie schon durch die Länder Europas gereist, in denen es ein deutschsprachiges Publikum gibt, nämlich Deutschland, Tschechien, Slowenien, die Slowakei, Polen, Rumänien und jetzt Ungarn. Außerdem waren sie auch in Tel-Aviv, Jerusalem, Haifa und hatten überall großen Erfolg. Intensiv, beeindruckend, überzeugend, wunderbar – mit solchen Attributen wurden die Aufführung und die Leistung der Schauspieler von den Zuschauern belegt. Und warum? Nun, weil Johannes Pump nicht nur als Schauspieler, sondern auch als Regisseur hervorragend ist. Schnell schuf er und bis zum Ende behielt er den Kontakt mit dem Publikum, weil er nicht nur mit der Sprache, sondern auch mit dem Körper, mit der Gestik und mit der Mimik kommunizierte. Er ergänzte den Text auch mit einigen Liedern, u.a. mit ’Adieu, mein kleiner Gardoffizier’ von Robert Stolz, auf Deutsch und dann auf Englisch. Nicht nur die Stimme und das Klavierspiel von Barbara waren wunderbar; sie spielte die tragische Hauptrolle des ’Brief einer Unbekannten’ mit herrlicher Aussprache und mit voller Einfühlung. Diese Lieder, sowie die Kleider von Barbara (sie kleidete sich mindestens fünfmal während des Stückes um) beschworen die Atmosphäre der Zeit von Zweig vollkommen. Die Geschichte kurz gefasst: ein Schriftsteller erfährt an seinem Geburtstag durch einen Brief von einer großen, nie erkannten Liebe. Die Frau, die den Brief geschrieben hat, liebt diesen Mann seit mehreren Jahren, sie hatten eine kleine Affäre und sogar ein Kind zusammen, wovon aber der Schriftsteller nichts wusste. Am Ende stirbt die unglückliche Frau an Tuberkulose. In dem zweiten Teil, in der ’Schachnovelle’ bekam Johannes die Hauptrolle, wobei er, sowie vorher seine Kollegin, den Monolog originalgetreu vortrug. Die Handlung spielt auf einem Schiff, wobei ein Schachweltmeister seinen Meister in einem von der Gestapo monatelang festgehaltenen nervenkranken Mann findet. In der Pause zwischen den zwei Stücken ertönten Lieder von Marlene Dietrich, weil Stefan Zweig sich seinerzeit im Exil in Brasilien äußerte, dass er „sich wie Marlene Dietrich fühle.”
Erinnerung schafft Zukunft – dieses Motto verkündete das Meisterdoppel, das mit dieser Produktion dem Gedenken des Schriftstellers Respekt zollen und die Welt von gestern wiedererwecken wollte. Wie sie selbst sagen: „Eine Investition in die ’Alten’, das Vergangene wird so auch zu einer guten Investition in die Jugend, das Morgen.” Zweig war einer der bedeutendsten Schriftsteller der Österreicher, benannt auch als ’der große Europäer, der Weltbürger, der dem alten Österreich die Treue gehalten hat.’ Diesen besonderen Mann traf aber ein tragisches Schicksal: zusammen mit seiner Frau nahm er sich 1942 in Brasilien aus tiefer Depression über die Selbstvernichtung Europas das Leben. Die Premiere dieses Theaterstückes war genau an seinem 60. Todestag am 22.2.2002 im Grazer Robert-Stolz-Museum.
Der Erfolg ist seitdem ungebrochen – und das Erlebnis ist unvergesslich.