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Zeitung << 2/2005 << Sportkommentar


Sportkommentar
Autorin: Noémi Tiszafalvi

Ich war nie ein großer Sportfan. Aber letztens bin ich bei einigen Basketballspielen gewesen. Auf das erste Spiel wurde ich eingeladen, danach wartete ich auf das nächste voller Begeisterung. Ich habe etwas entdeckt, was meine Neugier erweckte. Ich habe mir viele Filme aus Hollywood angesehen, die sich ausführlich damit beschäftigen, wie innerhalb der Mannschaften die verschiedenen persönlichen Konflikte zum Vorschein kommen und das Spiel beeinflussen. Aber ich habe noch keinen einzigen gefunden, in dem es darum geht, was die Zuschauer von diesem seelischen Handeln sehen können. Ein Mannschaftsspiel ist eine der besten und vollkom­menen Leinwände der menschlichen Gestaltentypologie.
Die Mann­schaf­­ten marschie­ren ein. Das Match beginnt. Die Mitglieder des ersten Teams haben alle weiße T–Shirts an, die anderen sind bunt bekleidet. In dem ersten Augenblick dachte ich gar nicht daran, dass das etwas bedeuten könnte. Und doch. Die Bunten kann man nicht in Schubladen stecken, sie sind ganz verschieden und haben eine breite Palette von Persönlichkeiten aufzuweisen. Aber die Weißen: Showman, Superman, Gentleman, Rainman, Invisible-man. Warum? Die Antwort ist einfach: Der Showman ist der Führer der Mannschaft. Er ist groß und großartig, seine Stimme können wir fast immer hören, er verachtet die Gegner, weil sie nicht so „super“ sind wie er. Er spielt nicht, weil er spielen mag, sondern um den Zuschauern zu gefallen. Wenn wir die Aufmerksamkeit einen Moment lang von ihm ablenken, er ist derjenige, der seine Mitspieler am lautesten lobt oder die Gegenspieler am schlimmsten beschimpft.
Der andere Teil des Zwillingsplanetensystems ist der Superman. Für ihn ist das Spiel ein Kampf, eine Schlacht, die man unbedingt gewinnen muss. Trotz seiner Erfahrungen und seines Wissens und wegen seines Temperaments macht er viele Fehler. Aber dann ist er derjenige, der der Wütendste ist, und diesen Zorn unterdrückt er nicht. Entweder beschimpft oder schlägt er den Gegner. Dann ist alles in Ordnung, und er spielt weiter.
Das vollkommene Gegenteil von ihm ist der Gentleman. Er ist der „leise“ Führer der Mannschaft, wenn er etwas sagt, gehorcht ihm auch der Showman. Er macht die wenigsten Fehler. Der Gegenspieler ist für ihn kein Feind, sondern ein Mitspieler. Nach einem verlorenen Match sagt er zu den anderen: „Es ist doch nur ein Spiel.“ Und die anderen glauben ihm.
Derjenige, der sich nur für das Spiel interessiert, ist der Rainman. Er spielt, weil er es mag. Er fühlt sich am besten, wenn er nur den Ball berühren kann. Wenn ihn jemand lobt, freut er sich unbeschreiblich.
Es gibt einen Spieler, den nie­mand bemerkt. Der Invisible–man kommt und wirft den Ball in den Korb – oder auch nicht. Aber es ist ganz egal, weil er niemandem auffällt, nicht einmal mit seinem Aussehen oder mit seiner Stimme. Er bleibt immer unsichtbar.
Wahrscheinlich hat meine Fantasie auch vieles zu diesen Beschreibungen beigetragen. Aber wenn jemand etwas gut und mit ganzem Herzen macht, ist es unmöglich das nicht zu bemerken.