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Zeitung << 1/2006 << Über den Sinn und Wahnsinn des Lehramtes


Über den Sinn und Wahnsinn des Lehramtes
Praxis lernst du selber!

Autorin: Barbara Horváth

Das Lehrpraktikum ist ein bedeutender Abschnitt des Germanistikstudiums mit Lehramt – damit sind alle meine Bekannten einverstanden, die dieses schon absolviert haben. Es weckt aber nicht nur gemischte Gefühle, sondern bringt auch Gedanken über die Wirksamkeit unseres Bildungssystems mit sich.

Im GeMa berichteten schon mehrere Praktikanten über ihre persönlichen Erfahrungen: die ersten selbst unterrichteten Stunden, Schüler und Gymnasium aus einer anderen Perspektive. Da man hier eine völlig neue Rolle einnimmt, ist es leicht zu verstehen, dass eine Menge von Eindrücken und Gefühlen in einem hochkommen. Doch es wird einem plötzlich bewusst: in der Theorie damals an der Uni sah das ganz anders aus. Und daraus ergibt sich die Frage, ob man an der Universität Szeged eine komplette pädagogische Ausbildung bekommt.
Unser auslaufendes altes System, das noch kein Kreditsystem ist, ist folgendermaßen aufgebaut: In den ersten sechs Semestern musste man sich mit der Geschichte und der Entwicklung des Schulsystems in Ungarn und mit den Theorien verschiedener Lehrmethoden beschäftigen. Daneben wird ein ebenso theoretischer Überblick der Psychologie gegeben. Es handelt sich um sechs Vorlesungen und vier Seminare. Diese Relation spricht für sich: Praxis spielt in den ersten drei Jahren des Studiums fast keine Rolle. Danach muss man ein Spezialkollegium, zwei Didaktikvorlesungen und zwei Didaktikseminare besuchen, die der Praxis schon näher stehen. Mit Hilfe dieser Lehrveranstaltungen kann man schon eine Unterrichtsstunde in einem Gymnasium besuchen und hat etwas von den Methoden des Fremdsprachenunterrichts gehört. Leider ohne Anspruch auf Vollkommenheit – die Zahl dieser Lehrveranstaltungen kann nur einen Überblick über den Unterricht und über die Methoden geben. Man steht also vor dem Beginn des eigenen Unterrichts und ist gar nicht davon überzeugt, dass man es schaffen kann.
Das Praktikum kommt erst im letzten Studienjahr an die Reihe und zwar in einem einzigen Semester, wo man 50 Stunden hospitieren und etwa 15 Stunden unterrichten muss. Nehmen wir an, dass der Praktikant ein Musterstudent ist, der schon alle seine Lehrveranstaltungen abgelegt, mit seiner Diplomarbeit schon im dritten Studienjahr angefangen hat und daher nicht die ganze Forschung neben dem Praktikum betreiben muss. Wenn man solch ein Student oder eine Studentin ist, dann kann man das Praktikum ruhig und gründlich absolvieren. Man kann den Unterricht so besuchen, dass man wirklich darauf achtet, wie gelehrt wird. Man kann anspruchsvolle Notizen machen, man hat genug Zeit, die Unterrichtsstunden der Lehrer und Lehrerinnen zu wählen, die entsprechend der kommunikativen Methoden lehren. Wenn man daneben einen guten Mentor hat, kann man sich Hoffnungen machen, dass man wirklich viel vom Praktikum profitiert. Es ist leider leicht zu erkennen, dass das nur ein Traum ist. In Wahrheit will man so schnell wie möglich alles hinter sich bringen, weil man noch vieles zu erledigen hat. Es gibt daneben Lehrerinnen und Lehrer in den Grundschulen und Gymnasien, von denen man erfahren kann, wie man NICHT lehren sollte.
Als Fazit kann festgestellt werden, dass die Universität Szeged einem, der aus vollem Herzen ein guter Lehrer werden möchte, meiner Meinung nach leider nicht die besten Möglichkeiten bieten kann. Trotzdem gibt es Hoffnung: Aus meinen persönlichen Erfahrungen muss ich betonen, dass das Praktikum einem viel geben kann. Meine beiden Mentorinnen, Ildikó Sóti (Frau Baráth) (Deák-Ferenc-Gymnasium, Deutsch) und Judit Streitmann (Ságvári-Endre-Grundschule, Französisch und Italienisch) haben sehr viel dafür getan, dass ich meinen Unterricht logisch aufbauen und sinnvoll durchführen konnte. Dank ihrer Hilfe und ihrer Ratschläge fühle ich mich fähig dazu, dass ich einer Gruppe Deutsch oder Französisch beibringe. Hiermit möchte ich mich bei ihnen dafür bedanken und kann allen Germanisten (bzw. Romanisten) vorschlagen, wenn möglich, bei dieser(/n) Lehrerin(nen) das Praktikum zu absolvieren.