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Zeitung << 2/2006 << Wie wär’s, wenn jeder Mensch in China ein Auto besitzen wollte?


Wie wär’s, wenn jeder Mensch in China ein Auto besitzen wollte?
Die hundert wichtigsten Fragen der Welt

Autorin: Adrienn Polyák

Was bewegt dich? Was ist die Religion Gottes? Wer profitiert vom Terrorismus? Was kommt nach dem Kapitalismus? Wie sieht die von dir erwünschte Zukunft aus? Ziemlich einfache Fragen. Ich meine, es ist einfach, sie zu fragen, und es ist sehr schwer, sie zu beantworten. Es kann sein, dass sie überhaupt nicht zu beantworten sind. Sie klingen so selbstverständlich für die, die mindestens eine Minute mit dem Nachdenken über die gegenwärtigen Probleme der Menschheit verbringen. Man könnte sagen: trivial, langweilig, hundertmal gehört. Doch versuchte schon jemand, eine richtige Antwort auf sie zu geben? Oder überhaupt: Wollte schon jemand die wichtigsten Fragen der Menschheit sammeln? Dropping knowledge tat genau das.

Dropping knowledge (dk) ist eine non-profit Organisation, die in Deutschland registriert ist, und von deren drei Gründern zwei Deutsche sind. Ihr Ziel ist, eine Diskussion anzuregen, damit die Welt aus ihrer Apathie geweckt wird. An diesem Gespräch können alle Leute teilnehmen, ungeachtet der Nationalität, des Alters, des Geschlechts, der Religion oder der sozialen Klasse, da sie im Internet geführt wird.
Andrew aus Deutschland fragte auf der Internetseite: Wie wär es, wenn jeder Mensch in China ein Auto besitzen möchte? Andere fragten ähnliche, interessante Fragen, wie Elena Kloppenburg aus Italien: Was sind die drei Werte, die allen Kindern beigebracht werden müssen? Oder Glen aus Südafrika: Wie könnte der Einzelmensch die Regierung vom Krieg abhalten? Die Fragen häuften sich drei Jahre lang, zum Teil elektronisch, zum Teil „mechanisch“, als die Volontäre von dk um die Welt reisten, um Leute auf der Straße zu bitten, ihre eigenen Fragen zu stellen.
Warum richten wir nicht dieselbe Frage an die Europäer? Warum nur an die Chinesen? – lautete die Antwort auf Andrews Frage von einer Journalistin und Menschenrechtsaktivistin namens Sihem Bensedrine aus Tunesien am 11. September 2006. An diesem Tag organisierte dk den Table of Free Voices in Berlin auf dem Bebelplatz, wo 112 bedeutende PhilosophInnen, DichterInnen, SchriftstellerInnen, WissenschaftlerInnen und AktivistInnen aus aller Welt versuchten, die hundert wichtigsten der angehäuften Fragen zu beantworten. Die Frage von Andrew war ziemlich zynisch und bekam auch zynische Antworten, wie die von Sohrab Mahdavi aus Teheran: Dürften sie es doch nicht? Ich schaute mir an, was die chinesischen Teilnehmer dazu zu sagen hatten. Shaobin Yang antwortete, natürlich nicht ernst: Wie wäre es, wenn jeder Mensch in China ein Auto besitzen möchte? Dann sollten wir alle Deutschen in Autobetriebsarbeiter verwandeln, um Wagen für Chinesen herzustellen… Laut Mae Wang-Ho, Biologin und Biochemikerin, wäre es nicht so schlimm, falls man die Autos auf der ganzen Welt mit Methan antriebe, das aus biologischem Abfall produziert werden könnte. Dazu fügt sie noch hinzu, dass, wenn man den Bioabfall des Vereinigten Königreiches mit Aero-Technologie ersetzen würde, damit 11 Prozent des Energiekonsums des Vereinigten Königreiches abgedeckt sein würden.
Ist da etwas Besseres als Demokratie? – wollte ein anderer Deutscher, Alex, wissen. Die Demokratie ist die schlechteste Staatsform, ausgenommen alle anderen – hätte Churchill gesagt. Er hat zwar nicht am Tisch gesessen, seine Antwort scheint immer noch aktuell zu sein, da ihn eine große Anzahl der Teilnehmer zitiert haben, zum Beispiel László Ervin, ein ungarischer Schriftsteller, und Galsan Tschinag, Schriftsteller und Schamane, Sänger und Geschichtenerzähler aus der Mongolei und außerdem Häuptling des Volkes Tuvan, der deutsch schreibt, da die tuvanische Sprache keine Schrift hat. Die anderen Teilnehmer bleiben meist auch bei Churchill ohne ihn zu benennen. Sie behaupten, Demokratie funktioniere nicht, doch haben wir keine bessere Wahl. Der Tuvanhäuptling hat aber noch etwas zu sagen: er glaubt, dass ein Stammsystem mit den neuesten Ergebnissen der Wissenschaft und der Technologie besser umgehen kann als Demokratie. Mir ist aber die Antwort der Evolutionsbiologin Dr. Elisabet Sahtouris sympathischer, die als Demokratie bezeichnet, was im menschlichen Körper passiert. Das Problem dabei ist nur: was passiert, wenn der Körper krank wird?
Ich könnte noch andere Fragen erwähnen und einige Antworten dazu schildern, aber das Bild wäre nie vollständig. Die Idee ist wichtig, die Menschheit aufzuwecken und freies Wissen zu schaffen und zu verteilen. So habe ich die für mich interessantesten Fragen ins Deutsche übersetzt, da sie für sich sprechen. Daneben ist es ziemlich schwer, solche Antworten aus den 11 200 zu finden, die wirklich nützlich sind, weil die Teilnehmer doch auch Menschen sind und viel redeten anstatt zuzugeben, dass sie nichts zur Sache sagen können. Es gab auch Gegenbeispiele, die mir sehr sympathisch waren. Zum Beispiel Leung Ping-Kwan, ein Schriftsteller, Dichter und Übersetzer aus Hongkong, der auf die Frage „Was ist die Religion von Gott?“ das Folgende sagte: Ich weiß nicht.
Was noch sehr attraktiv bei dk ist, dass man die Fragen immer noch beantworten kann. Es ist möglich, die Fragen und Antworten zu bewerten und auch neue Themen zu empfehlen. Ein Besuch auf der Website lohnt sich, und vielleicht werden einige Antworten die Welt verbessern.