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Zeitung << 2/2006 << Ich denke oft an Piroschka


Ich denke oft an Piroschka
Filmklub mit deutschsprachigen Filmen – auch mit einem Film über Ungarn aus deutscher Sicht

Autorin: Tünde Markó-Boda

Der NSZK, der studentische Kulturverein des Instituts organisierte einen Filmklub für die Szegeder Germanistikstudenten im Wintersemester 2006. Wenn jemand ein Land besser kennen lernen möchte, und nicht nur anhand der Klischees, so lohnt es sich sein Kulturleben unter die Lupe zu nehmen: welche Filme die dort lebenden Menschen sehen, was sie lesen und wie sie denken über die sie umgebende Welt und was für einen Humor sie haben. Denn ”Humor ist eine ernste Sache” nach Kurt Hoffmann, der einer der größten und erfolgreichsten Regisseure der deutschen Filmindustrie ist. Er bekam auch den Golden Globe Preis für den Film „Wunderkinder”. Er stellte die Welt trotz aller ihrer Entsetzlichkeit freundlich und liebenswert dar und wollte damit auf seine Art die Welt glücklich machen. Ob es ihm gelungen ist oder nicht, ist leichter zu bestimmen, wenn wir den Film „Ich denke oft an Piroschka“ in Augenschein nehmen.
Dieser Film ist eine bezaubernde Komödie, einer der größten Erfolge des deutschen Nachkriegskinos. Wenn man nur an den Titel denkt, wird sofort unsere Phantasie in Bewegung gebracht, und wir blicken mit gespannter Erwartung den Ereignissen entgegen. Schon das erste Bild, das vor unseren Augen erscheint, dass ein junger Mann und eine junge Frau (Andreas, ein deutscher Austauschstudent in Ungarn, und Greta) in einer Budaer „Tscharda” an einem mit kariertem (rot und weiß) Tischtuch gedeckten Tisch sitzen, ist ganz typisch, könnte man sagen. Im Hintergrund ist die Stadt zu sehen, neben ihrem Tisch spielt ein Zigeuner Musik. Natürlich möchte er viel Geld bekommen und als das Paar ihn darum bittet, mit der Musik aufzuhören, beharrt er darauf, ihnen auch noch auch auf die Straße zu folgen. Sie würden mehr Geld bezahlen, nur … Wann wird er schon damit aufhören? Er bemerkt nicht, dass sie ein bisschen „allein” sein möchten. Dazu kommt noch die charakteristische Musik, die den Film begleitet, und uns an die alten Schwarz-Weiß-Filme erinnert, in denen berühmte ungarische Schauspieler wie beispielsweise Pál Jávor und Katalin Karády singen, während sie Schnaps trinken. Als Andreas im Zug fährt, ist der Zug voll mit lustigen, heiteren, lauten Ungarn, die sich amüsieren und „fressen”, Wurst mit Brot und Melone. Ein Huhn piept im Korb. Die Männer haben Schnurrbärte und Hüte, die Frauen rote Kopftücher. Sie freuen sich sehr darüber, dass Andreas Deutsch spricht. Sofort fallen sie ihm um den Hals. Sie sagen: ”Ein Deutscher in Ungarn”. Sie erklären ihm: „der schönste Ort von Ungarn ist der Plattensee!” und das Mädchenküssen. Die Mitreisenden bieten Andreas Wurst, Brot und Melonen an.
Die Station, die der Zug mit 20 Minuten Verspätung erreicht, heißt Hódmezõvásár­hely­kutasipuszta. Dieses Wort auszusprechen, ist eine schwierige Aufgabe für Andreas. Da treffen sich der würdige städtische Student und das ländliche Mädchen, Piroschka, das den jungen Mann ins Landleben einführt. Sie zeigt ihm, welche Sitten sie haben, wie zum Beispiel die Traubensitte, wobei er zeigt, was echtes „Mädchenküssen“ ist. Der Film stellt das Leben der Ungarn „realistisch” dar. Die Häuser, die von den aufgehängten Gewürzpaprikas fast komplett rot sind – wie die Backen der Frauen – und den Bauernhof, wo sie „Tschardasch” tanzen, ”Bogratsch-Gulasch” essen und die Haustiere im Gänsedreck hin und her laufen.
So ein schönes Landleben! Das idealisierte frohe Landleben steht der ungarischen Wirklichkeit gegenüber, trotzdem bilden sie eine Art Einheit. Wie Andreas und Piroschka. Sie unterscheiden sich voneinander in ihrer Mentalität, ihre Umgebung ist ganz anders, aber der Student kann der Anziehungskraft des Mädchens nicht widerstehen und bemerkt nicht, dass er sich langsam in sie verliebt.
Wegen dieser charakteristischen ungarischen Züge, die im Film zu entdecken sind, haben sie sich als Stereotypien in der Welt später verbreitet. Obwohl sie uns dabei helfen, uns in unserer chaotischen Welt zurechtzufinden, muss man immer danach streben, die Kultur eines Volkes aus mehreren Aspekten zu untersuchen.
Dabei helfen uns die Kinoabende der Szegeder Germanistikstudenten, wo solche Themen und Fragen erörtert werden, wie die gesellschaftlichen, sozialen und Jugendprobleme, um nur einige zu erwähnen. „Die fetten Jahre sind vorbei“, „Good Bye Lenin“, „Der Schuh des Manitu“ und natürlich „Ich denke oft an Piroschka“ waren solche Filme des Filmklubs, die einen Einblick in den Ursprung dieser Probleme geben und uns zum Nachdenken anregen konnten. Also, alle Germanisten auf zum Filmabend!