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Zeitung << 2/2006 << Shenzhen – eine andere Welt


Shenzhen – eine andere Welt
Ein ungarischer Germanistikstudent in China

Autor: Soma Nádudvari

Ich bin hier schon mehr als drei Monate. Das ist eine andere Welt. Das Wetter, die Temperatur, die Menschen, die Gebräuche, das Leben. Ich könnte sehr viel erzählen, aber ich will nur ein paar Erfahrungen und Erlebnisse mitteilen. Möglicherweise will mich ja jemand besuchen.

Nachdem das Flugzeug in Hong Kong gelandet war, wollte ich das Flugplatzgebäude verlassen, aber als sich die Tür öffnete, konnte ich nicht atmen, weil die Luftfeuchtigkeit sehr hoch war. Hong Kong – große Gebäude, Doppeldeckbusse wie in London, viele Ausländer, hübsche Mädchen und Geschäfte! Was kannst du kaufen? Alles was du wünschst und noch mehr! Du brauchst aber viel Geld. Was Hong Kong noch interessanter macht, ist seine Geschichte: Die koloniale Geschichte von Hong Kong fing mit den zweiten Opiumkriegen von 1842 und 1856 an. Dieser chinesisch-britische Konflikt brachte England die Insel Hong Kong als Kolonie ein. Im Jahre 1997 lief die Zeit der Verwaltung von Hongkong durch Großbritannien ab, so dass die englische Regierung Hong Kong an China zurückgab. Damit endete die Zeit, in der Hongkong englische Kolonie war. Aber du brauchst noch deinen Pass, um die Grenze nach China zu überqueren!
Hinter der Grenze liegt Shenzhen, eine der reichsten Städte Chinas. Aber was hätten wir hier vor 1979 sehen können? Shenzhen war bis 1979 nichts als ein verschlafener Grenzort mit gerade 30.000 Einwohnern, ein bedeutungsloses Dorf. 1979 erhielt Shenzhen die Stadtrechte, ein Jahr darauf beschloss die Führung in Peking, die Stadt zur Sonderwirtschaftszone zu erheben. „Lasst den Westwind herein. Reichtum ist ruhmvoll“, war damals die Parole von Machthaber Deng Xiaoping. Dann kamen Millionen Chinesen aus allen Teilen des Landes in die aufstrebende Metropole. Heute leben offiziell 3,5 Millionen Chinesen in Shenzhen, hinzu kommen acht bis neun Millionen Bewohner ohne Dauerwohnrecht. Sie arbeiten auf den Baustellen, in den Fabriken und Werkstätten. Dreißig Jahre!
Das Verhältnis von Männern zu Frauen beträgt drei zu sieben. Wenn eine 26-28 Jahre alte Frau keinen Ehemann hat, ist das ein großes Problem. Das ist eine große Stadt, die Regeln sind nicht so strikt, aber ein Kind ist alles! Die Gründe dafür liegen darin, dass alle Familien nur ein Kind haben können, und es kein Ruhegeld gibt. Die alten Eltern brauchen die Hilfe des Kindes. Ein chinesisches Paar braucht das Zugeständnis von beiden Familien, wenn sie heiraten möchten. Es geht eher um das Geld und den Belang, weniger um die Liebe! Das ist einer der Bräuche, der uns fremd erscheinen kann. Noch etwas: die Chinesen spucken in den Straßen wie ein Wasserspeier, unappetitlich. Das ist eine große Stadt, ich möchte nicht in ein Dorf gehen! Du kannst dich an diese Gebräuche gewöhnen und als Ausländer wie ein ‚Halbgott’ in den Straßen spazieren! Alle starren dich an und sie sagen ‚Hello’ – ‚Hello’ – ‚Hello’! Es gibt nur ein Ding, das du machen musst: lächeln!
Zudem hat Shenzhen neben seiner modernen Architektur viele Attraktionen zu bieten, etwa den Lotus-Hill-Park mit einer Deng-Xiaoping-Statue. Das Einkaufszentrum Dongmen Circle ist eine Art Fußgängerzone aus zehn Straßen mit Geschäften, in denen das Preisniveau deutlich unter dem von Hongkong liegt. Im „China Folk Cultural Center“ einem großen Freilichtmuseum, werden die Minderheiten und Stämme des Landes einschließlich der aus dem annektierten Tibet mit ihren originalgetreuen Häusern ausgestellt. Auch „Windows of the World“ lohnt sich zu besuchen: Hier werden Sehenswürdigkeiten aus aller Welt in einer Miniaturversion gezeigt: von den Pyramiden über den Kölner Dom bis zu den Niagara-Fällen ist der komplette Globus vertreten. Zu den beliebtesten Fotomotiven zählt die nachgebaute Skyline von Manhattan, die vollständiger aussieht als das Original: In Shenzhen ist das World Trade Center noch vorhanden.
Das war nur ein Vorschmack von dem Ganzen! Ich hoffe und ich wünsche, dass alle in ihrem Leben diesen Teil der Welt sehen können und mit eigenen Erlebnissen nach Hause fahren können! Nützen wir die Zeit, sammeln wir Erlebnisse, lernen wir mehr von der Welt, damit wir der Mensch werden können, der wir möchten! 30 Jahre – wofür ist das genug?

08. Dez. 2006