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Zeitung << 1/2007 << 6:3 oder die Vor- und Nachteile der Psycholinguistik


6:3 oder die Vor- und Nachteile der Psycholinguistik
Bericht über ein Vorlesungserlebnis

Autorin: Emília Bata

Wie schon der Name Psycholinguistik verrät, war diese Vorlesung eine Kombination von Psychologie und Linguistik, die den Germanistikstudenten im letzten Studienabschnitt im Sommersemester 2007 angeboten wurde. Auf den ersten Blick mag das für viele trocken klingen – wie die meisten linguistischen Lehrveranstaltungen, die man als Student ertragen muss. Linguistik ist also etwas für die Wissenschaftler in ihren Elfenbeintürmen und voll von Theorie und Abstraktion. 0:1 für Psycholinguistik. Auf den zweiten Blick war es immer noch trocken genug, falls man den Titel des Buches zur Vorlesung liest: „Arbeitsmaterialien zur germanistischen Linguistik I.-II. von Erzsébet Forgács“. Frau Forgács, die diese Vorlesung hielt, stellte das Buch 2001 in Klagenfurt als Hilfsmittel für Studenten zusammen und testete es mit ihren damaligen österreichischen Studenten. Ihr Ziel war, dass die Zuhörer ruhig dem Inhalt – ohne mitschreiben zu müssen – folgen können. 1:1 für Psycholinguistik auf den ersten und zweiten Blick.
Die Vorlesungen begannen immer einige Minuten nach 14 Uhr, da Frau Forgács auch an der Hochschule unterrichtete, und endeten erst um 16 Uhr, da die Vorlesung im April ausfiel. Keine Stunden im April, hurra! Aber zwei Stunden lang sich auf Linguistik konzentrieren – besonders nach einem guten Mittagessen – ist nicht leicht, aber keine Stunden im April ist toll. 2:2 für Psycholinguistik nach der ersten Stunde.
Eine Woche später hatten wir die erste richtige Vorlesung über die Herkunft der Sprache – mit einem Blitzkurs in Biologie über Gehirne und Kehlköpfe. Ich war so froh, dass ich mit dem Gymnasium die Biologie hinter mir hatte! Immerhin mussten wir in Lehramtveranstaltungen auch biologische und psychologische Hintergründe des Lernens lernen – falls man das Lehramt wählte; also wir sollten nur unsere Erinnerungen erfrischen. 3:3 für Psycholinguistik.
Die Themen der Vorlesungen waren inter­essant und oft bekannt: Phasen des Sprach­erwerbs, Kommunikation der Tiere, Sprache und Denken oder Jugendsprache. Zum Glück gab es wenig Theorien – sie wurden verständlich erklärt – und viele, viele praktische Beispiele. Wie Frau Forgács erzählte, strebt sie immer danach, den goldenen Mittelweg zwischen Theorie und Praxis zu finden, damit die Studenten ihre linguistischen Kenntnisse auch im Alltagsleben, beim Kindererziehen sowie im Unterricht verwenden können. Wer weiß zum Bespiel, dass das so genannte erste Wort des Kindes – wie mama oder papa – gar nicht bewusst produzierte Wörter sind, sondern nur Lautverdoppelungen? 4:3 für Psycholinguistik! Frau Forgács versuchte auch etwas nicht Themenbezogenes zu unterrichten, nämlich dass man nicht alles glauben darf, was geschrieben ist. Man sollte Texte – linguistische wie auch andere – immer kritisch betrachten. 5:3 für Psycholinguistik.
Das Schlüssel der Verständlichkeit ist – meint Frau Forgács –, dass man Linguistik kontrastiv anwendet; man kann die Erscheinungen der Grammatik, Morphologie, Lexikologie oder Phraseologie in verschiedenen Sprachen (Ungarisch, Deutsch, Englisch zumindest) vergleichen und in der Sprache der Zuhörer erklären. Es lohnt sich nicht mit barocken langen, trockenen, zu wissenschaftlichen Zitaten um sich zu werfen, wenn man den Akzent auf das Verstehen legt. 6:3 für Psycholinguistik! Das Thema der Vorlesungen konnte man nicht interessanter machen, aber falls man statt der Psycholinguistik-Vorlesung das Psycholinguistik-Seminar hätte, könnte man die Themen besser besprechen. 7: …ah, das ist aber etwas für die Zukunft.

Forgács, Erzsébet: Arbeitsmaterialien zur germanistischen Linguistik I.-II. Ein Studienbuch für ungarische Germanistikstudenten, JGYF Kiadó, Szeged, 2002