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Zeitung << 1/2007 << Wer sind die Ungarndeutschen eigentlich?


„Der erste hat den Tod, der zweite hat die Not, der dritte erst das Brot”
Wer sind die Ungarndeutschen eigentlich?

Autorin: Tímea Almási

In Ungarn leben schon seit Jahrhunderten Deutsche. Die Ursache können wir in der Geschichte suchen. Nach der 150jährigen Besatzung mussten die Türken 1686 aus dem Land ziehen. Die Bevölkerung ging in diesen 150 Jahren stark zurück, das Land verödete. Der Wiener Hof beschloss und unterstützte die Ansiedlung deutscher Einwanderer. Ungarn brauchte Bauersleute und Handwerker und auch die Krone, um das weitgehend brache Land nutzbar zu machen. Maria Theresia und Josef II. stellten Ansiedlungspatente aus, um viele deutsche Bauern nach Ungarn zu rufen. Sie versprachen ihnen verschiedene Vergünstigungen, z.B. zehn Jahre Steuerfreiheit, Häuser und Feld. Auch Großgrundbesitzer siedelten viele deutsche Bauern an, z.B. die Familie Zichy in der Budaer Gegend. Hauptsächlich ärmere Familien und Alleinstehende kamen dem kaiserlichen Werben nach, in der Hoffnung auf die Verbesserung der Lebensbedingungen. Aber eine wichtige Rolle spielte die Sehnsucht nach Abenteuer, eventuell die Möglichkeit des zukünftigen Reichtums. In die Matrikel in Deutschland wurde das Wort „Ausgewandert” nach den Namen gesetzt. Der Abschied und die Ansiedlung in der neuen Heimat schienen nicht einfach zu sein, wie auch das Volkslied zeigt:

„Alle Frühjahr kehren die Schwäbelein zurück,
Der Storch kommt wieder her,
Doch, die gegen Ungarn gezogen sind,
Die kommen nimmermehr”

Die Fahrt ins Blaue dauerte wochenlang unter Hundert Gefahren, sie fuhren mit dem Wagen oder mit dem Schiff, manchmal gingen sie einfach zu Fuß. Der Weg der Auswanderer führte aus der Rhein-Gegend und dem Schwarzwald über Ulm zur Donau. Die Ungarndeutschen werden oft als Schwaben bezeichnet. Das stimmt eigentlich gar nicht. Die meisten kamen aus Franken, aber viele stammten aus Bayern und nur wenige waren wirklich Schwaben. Sie bauten bei Ulm so genannte Ulmer Schachteln, diese sind eigentlich überdachte Holzflöße. Auf diesen fuhren sie die Donau abwärts nach Ungarn. Viele Schachteln wurden leider von der Donau zerstört. Die Überlebenden der gefährlichen Reise kamen aber in Ungarn an und stiegen in verschiedenen Häfen aus. So erreichten sie Buda, Kalocsa, Harta, Hajós, Mohács. Wenn ein Ort schon voll war, mussten sie weiterfahren oder gehen. Die wichtigsten Siedlungsgebiete sind das Donauknie (Buda, Budaer Bergland, Pilisgebirge), Baranya und der westliche Donaubereich, Sathmar-Theißgebiet, Batschka und Banat. Die Zahl der Siedler hat 200.000 überstiegen. An der Grenze stoppten sie natürlich nicht, am Anfang des 20. Jahrhunderts wurden rein deutsche Dörfer auch in Russland gefunden. Das verwüstete Land, in dem sie sich eine neue Heimat suchten, die fremde Sprache und die Bräuche machten ihre Lage schwer. Das Sprichwort aus dieser Zeit, das im Titel steht, weist auf diese Schwierigkeiten hin.
Viele bauten sich ein eigenes Haus, betrieben Acker- und Weinbau, und beschäftigten sich mit der Viehzucht. Sie waren fleißig und dadurch verbesserten sich ihre Lebensbedingungen, manche von ihnen sind bis zum Ende des 18. Jahrhunderts wohlhabend geworden. Im 19. Jahrhundert stieg ihre Zahl über zwei Millionen. Sie lebten meistens in Dörfern mit der Urbevölkerung zusammen. Die Nachbarschaft verursachte kein Problem, von Beginn an lebten sie friedlich miteinander. Sie waren beispielgebend, wie man durch eigene Initiative und durch Zusammenarbeit mit der Gemeinschaft vorwärts kommen kann. Die Siedler sprachen verschiedene alte Mundarten und manchmal verstanden sie einander nicht, sie mussten auf Ungarisch miteinander sprechen. Mischmundarten entwickelten sich gebietsmäßig, wie z.B. Fuldisch in Baranya, oder Pfälzisch-Fränkisch-Schwäbisch in der Batschka.
Nach dem zweiten Weltkrieg wurden viele Ungarndeutsche nach Deutschland zurückgesiedelt. Wenn jemand in Ungarn bleiben wollte, musste er seinen Namen ändern und sich bei Bekannten verstecken, wie das viele von ihnen taten. Diejenigen, die mit Transportzügen nach Deutschland abgeschoben wurden, sahen ihre neue alte Heimat zum ersten Mal. Die zu Hause Gebliebenen mussten alles von neuem anfangen, sie kauften ihre Häuser und Felder zurück. Damals waren schwierige Zeiten, aber sie verfügten über eine große Lebenskraft. Ihr Wahlspruch wurde an die Wand der Museen geschrieben und ist auch heute noch wahr: „Wenn auch der Hoffnung letzter Anker bricht, verzage nicht”.