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Zeitung << 1/2007 << Das Parfum – Geschichte eines Mörders


Vom Buch zum Blockbuster
Das Parfum – Geschichte eines Mörders

Autorin: Emília Bata

Dieser Artikel beschäftigt sich mit dem Vergleich des Buches Das Parfum von Patrick Süskind mit dem Film, aber sein vorrangiges Ziel ist die Vorstellung des erwähnten Filmes. Die Geschichte ist bekannt: Jean-Baptiste Grenouille ist ein sensitives, geniales Wunderkind mit gefährlich wenig Moral. Um seine Ziele zu erreichen und das beste Parfum der Welt herzustellen, tut er alles, was er muss, tötet sogar unschuldige Mädchen.

Natürlich kann man einen Roman nicht Kapitel für Kapitel verfilmen, man muss oft längere Szenen auslassen oder andere verändern. Außerdem enthält Süskinds Parfum viele Duftbeschreibungen und wenige Dialoge, die Adaptation des Romans bildete sicher eine spannende Herausforderung – aber alle Probleme wurden mit dem Einführen eines Erzählers und mit einer schwebenden, traumhaften, oft über die Bilder dominierenden Musik gelöst.
Der Film beginnt mit einer Szene, in welcher der Protagonist Jean-Baptiste Grenouille (gespielt von Ben Whishaw) gefesselt in seiner Zelle auf das Verhängen seiner Strafe wartet. Diese Information bekommt man allerdings auch beim Anschauen des Trailers des Films. Die Bilder nehmen das Schicksal des Protagonisten vorweg, was für ein genialer, aber widerlicher Typ er ist.
Süskind beschreibt den scheußlichen Gestank der Welt, in der Grenouille geboren ist, mit meisterhaft ätzender Natürlichkeit; auf der Kinoleinwand wurde diese mit ähnlich grausamen Bildern von Ratten, verreckten Tieren, schmutzigen Menschen vorgestellt. Oft kommt es vor, dass man die wahre Natur dieser Zeit nur im Hintergrund erblickt, wie z.B. die Silhouette eines toten Pferdes unter dem Schnee. Was noch schockierender ist, dass die Pariser daran keinen Anstoß nehmen; den heutigen Zuschauern würde ich den Rat geben, diesen Film nicht beim Abendessen anzusehen.
Der kleine Grenouille hatte eine Amme, da seine Mutter gehenkt wurde. Im Roman dagegen hatte er fünf Ammen; die letzte ist Madam Gaillard, bei der der Protagonist acht Jahre lang bleibt. Ausgelassen wurde aus dem Film das Äußere des Jungen, seine Narben, seine Falten; und das Wichtigste, dass er keinen eigenen Duft hat, wird im Film erst später erwähnt. Jean-Baptiste erscheint im Film eher gut aussehend.
Interessant ist, dass der Film die ironische Beschreibung des Todes aller Personen, die der Junge loswerden wollte, übernommen hat. Grenouille begegnet den Düften von Paris und der Welt der Parfums durch eine Reise in die Großstadt. Im Roman dauert diese Phase nicht einige Stunden, sondern Wochen.
Das Erwerben neuer Düfte ist eine wunderliche Kombination von Bildern und Musik: Grenouille steht still, mit zugemachten Augen; die Kamera fokussiert auf seine Nase; sanfte Musik gibt uns das Gefühl, als würden wir schweben; die Kamera folgt dem Weg des Geruches; die Musik wird allmählich lauter und reicher, bis wir die Quelle finden: ein schönes Mädchen, das nicht älter als 15 ist. Der Beschreibung des ersten Treffens mit dem „absolut perfekten Duft“ folgt die Handlung des Buches bis ins kleinste Detail. Die Länge des Lernprozesses bei Parfumeur Baldini (gespielt von Dustin Hoffman) wurde im Film gekürzt, aber doch nachvollziehbar dargestellt, im Buch liest man die genaue Beschreibung der verschiedenen Präparate. Schauspieler Hoffman gibt seiner Figur eine komplexere Persönlichkeit, wie man im Roman lesen kann, er ist zugleich klug, narzisstisch, arrogant und kindisch, mit einem Wort lächerlich.
Schauspieler Whishaw schildert Grenouilles Obsession für die Welt der Düfte, er ist ewig von dem Gedanken besessen, das Aroma aller Dinge, vor allem aber die Quintessenz der menschlichen Körper zu konservieren. Deshalb begibt er sich auf die Reise nach Grasse, wo er mehr lernen kann, aber er findet sich in einer Gegend ohne Menschen, ohne fremde Gerüche wieder. Diese Szene des Filmes ist nicht nur dadurch ein Wendepunkt der Handlung, weil er hier sein persönliches Paradies findet, sondern stellt auch den Höhepunkt der Geschichte dar, er entdeckt in dieser duftarmen Welt, dass er absolut keinen Geruch hat.
Fast der ganze zweite Teil des Buches, in welchem Jean-Baptiste bei einem Marquis in Montpellier lebt und Parfums für seinen Gastgeber herstellt, fehlt im Film. Sein wahres Ziel ist, dass er den duftenden Menschengeruch herstellt und an sich selbst benutzt, damit er ein normales Mitglied der Gesellschaft werden kann.
Der Film geht mit dem dritten Teil des Romans weiter: bei Madame Arnulfi in Grasse erlernt Grenouille neue Tricks zur Konservierung der Düfte. Nur im Buch erscheint, dass er für sich eine Reihe von persönlichen Menschengerüchen hergestellt hat. Es wurde auch nicht gezeigt, dass der Protagonist zuerst Gerüche anderer Menschen sammelte, nicht ´nur´ ein Serienmörder schöner Mädchen, sondern ein genialer, doch feindseliger Sammler ist. Deshalb verliert leider sein Ich im Film einen wichtigen Teil seines Charakters. Als Grenouille entscheidet, dass er ein perfektes Menschenparfum, einen Duft der Liebe aus dem himmlischen Geruch der schönsten Jungfrauen herstellen möchte, weiß er aus einer Geschichte von seinem alten Meister Baldini, dass er 13 Komponenten braucht. Im Buch dagegen erfahren wir erst später, wie viel Mädchen er getötet hat.
Es gibt hier einen Teil des Filmscripts, in dem Antoine Richis (gespielt von Alan Rickman) eines Abends eine Party in seinem Garten hält, und ein schönes Zwillingspaar verschwindet. Dieses Ereignis kommt im Buch nirgendwo vor, doch ist es ein wichtiger Teil des Filmes, weil das Hauptopfer Laura Richis (gespielt von Rachel Hurd-Wood) fast von Grenouille empfangen wird. Deshalb ahnt der Vater, was der wahre Beweggrund des Mörders ist; Vater und Tochter fliehen aus Grasse. Während sie die Stadt verlassen, erfahren wir im Roman zum ersten Mal, dass Grenouille 25 Komponenten für sein Meisterwerk braucht – im Gegensatz zu den 13, wie im Film.
Grenouilles Hinrichtung (besser gesagt der Erfolg seines Menschenparfums, mit dessen Hilfe er nicht hingerichtet, sondern geliebt und für unschuldig befunden wird) im Film läuft parallel zur Geschichte des Buches. Richis bietet dem jungen Mörder an, sein Sohn und Erbe zu werden, aber der Protagonist beider Werke verlässt schnell Grasse und kehrt nach Paris zurück, wo er – als majestätischer Engelsmensch – von den Jammergestalten zerrissen und gefressen wird.


Marketing um das Parfum

Beim Diogenes Verlag wurden das bekannte Taschenbuch, eine Sonderausgabe, das Hörbuch und ein Buch zum Film herausgegeben. Außerdem gibt es auch eine Neuerscheinung des Buches, mit dem Filmplakat als Umschlag.
Thierry Mugler Parfums, Constantin Film und International Flavors & Fragrances haben ein Coffret aus feinstem rotem Velours zusammengestellt, das 15 Duft-Kompositionen und ein Booklet mit Szenenfotos aus dem Film enthält. Die 15 Duft-Kompositionen haben Namen wie ´Paris 1738´, ´Virgin N°1´, ´Amor&Psyche´, oder ´Orgie´.
Die offizielle Internetseite des Filmes enthält wunderschöne Bilder aus dem Film und von der Premiere, Beschreibungen der Charaktere und ´behind the screen´ Informationen. Hier kann man auch das ´Filmheft – Materialien für den Unterricht´ herunterladen, das die Nutzungsmöglichkeiten des Buches und Filmes im Unterricht in verschiedenen Fächern beschreibt.