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Zeitung << 1/2007 << Mannheim


Mannheim
Die Stadt der Gegensätze

Autoren: Bertalan Fekete, Anikó Szabó, Ágnes Uglik

Als der Bürgermeister von Mannheim die Tagung des Instituts für deutsche Sprache (IDS) mit seinen Begrüßungsworten am 6. März 2007 eröffnete, machte er die folgende Aussage: „Mannheim ist dank des IDS die Stadt der deutschen Sprache. Ich lasse mir hier ein kleines Lächeln zu...“ Und das ein wenig spöttische Lachen der Gäste folgte auch, denn jeder verstand die lustige Ironie dieser Bemerkung.

Wie wir selbst schon sehr früh feststellen konnten, gehört das Deutsche in Mannheim zu den weniger verwendeten Sprachen. Dies ist der Tatsache zu verdanken, dass hier von einer Industriestadt die Rede ist. Nach dem zweiten Weltkrieg sind in Massen Ausländer eingewandert. Die Mehrheit dieser Gastarbeiter sind Türken, außer ihnen bekamen wir jedoch im Stadtzentrum eine bunte Mischung vieler Nationen zu Gesicht. Selbst unter den Verkäufern der verschiedensten Geschäfte haben wir in den paar Tagen kaum deutsche Muttersprachler getroffen. In der Bäckerei begrüßte uns der charmante Verkäufer auf Italienisch und im Lebensmittelgeschäft gab uns die Kassiererin auf Ungarisch Auskunft. Als ob wir uns gar nicht in Deutschland aufgehalten hätten, sondern in einer multinationalen Metropole. Aus den Boutiquen dröhnte türkische Popmusik, die Auswahl an chinesischen Kleidungstücken war riesig. Fast wie zu Hause.
Die Universität und das IDS stehen wie gut verschlossene Festungen in der Innenstadt. Als wir eintraten, schien es uns, als wären wir in einer ganz anderen Welt. Auf der Tagung konnten wir uns die Vorlesungen der anerkanntesten deutschen Linguisten anhören, in der Bibliothek die bekanntesten und seltensten linguistischen Fachbücher bestaunen. Wie ein Konzentrat des Hochdeutschen. Das alles im Zentrum der Stadt Mannheim, wo die Deutschen wohl zur Minderheit gehören. Eine wahre Ironie also, bei dem sich selbst der Bürgermeister ein kleines Lächeln nicht verkneifen konnte.
Die Stadt der Gegensätze: das spiegelt sich natürlich auch in der Stadt wieder, nämlich in der Architektur und im Aufbau Mannheims. Das liegt wohl daran, dass die Stadt während des Zweiten Weltkriegs fast völlig zerstört wurde, wegen ihrer Industrie und ihrer Fabriken, die um die Stadt niedergelassen waren. Der Unterschied zu Heidelberg ist in dieser Hinsicht sehr auffällig. In Mannheim findet man kaum ein Gebäude, das aus der Vorkriegszeit stammt. Das Schloss, das zur Zeit als Universitätsgebäude fungiert, ist die eine Ausnahme. Es ist beinahe so prächtig wie das Gebäude der Philosophischen Fakultät unserer Universität in Szeged. Es war interessant zu sehen, dass dieses Schloss ganz in der Stadt, unweit des Hauptbahnhofs zu finden ist.
Als weitere Ausnahmen gelten der Wasserturm und der kleine Platz, auf dem der Turm steht. Da hat man wirklich den Eindruck, in einer anderen Stadt zu sein. Die Gebäude dort sind alt und man spürt fast dieselbe Stimmung, die in dem alten und romantischen Heidelberg herrschte, ohne supermoderne Glasgebäude und Plattenhäuser. Hat man Lust, kann man auf den Turm klettern, aber selbstverständlich nur außen und nicht zu hoch hinauf. Da hat man die Möglichkeit, sich mit der Fußgängerzone im Hintergrund fotografieren zu lassen und das kleine Plätzchen besser ins Auge zu fassen.
Man kann aber auch nicht so hinreißende Teile der Stadt entdecken. Am anderen Ufer des Flusses Neckar stehen drei Wohnblocks mit ihren 25 Stockwerken. Wenn man in der Nähe herumspaziert, kann man ja bemerken, dass diese Häuser nicht von den Reichsten bewohnt werden. Das Wasser des Flusses stinkt und am Kai scheint alles verkommen zu sein. Am Stadtrand sind überall Industriegebäude zu sehen, das haben wir vom Zug aus betrachten können.
Die kleine Innenstadt wurde auf einzigartige Weise geplant und adressiert. Jeder Block hat eine Bezeichnung bekommen, aus einem Buchstaben und einer Nummer zusammengestellt, von A1 bis zu H9. Ähnlich, als ob man in einem Schachspiel wäre. Straßennamen als solche gibt es gar nicht. Im Zentrum befindet sich die Stadthalle mit ihrer sehr phantasievollen Bezeichnung: A1. Von hier ausgehend, innerhalb eines bestimmten Kreises, kann man sich ja gut orientieren, was aller Wahrscheinlichkeit nach einem verlaufenen Touristen von Nutzen ist, aber unserer Ansicht nach ist es superwitzig und zugleich überflüssig. Verlaufen kann man sich hier ja nicht, es ist einfach unmöglich. Falls so etwas doch passiert, kann man getrost jemanden auf der Straße ansprechen und ihn ohne weiteres um Hilfe bitten. In der Straßenbahn hat uns ein hilfsbereiter Rentner, er war ausgesprochen nett, geholfen, die Station zu finden, bei der wir aussteigen mussten.
Am 6. März gab es einen Begrüßungsabend im IDS, wohin unsere Gruppe eingeladen wurde. An diesem Abend haben wir im IDS sehr viele berühmte Germanisten und Wissenschaftler getroffen, vor allem Ulrich Engel und Christa Dürscheid. Es war für uns eine besonders große Möglichkeit, sich mit solchen berühmten Germanisten zu treffen, deren Namen wir vorher nur in Büchern lesen konnten.
Die ganze Studienfahrt und die Teilnahme an einer solchen interessanten linguistischen Jahrestagung war ein äußerst großes Erlebnis für uns.