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Zeitung << 2/2007 << Der moderne Mensch


Der moderne Mensch
Gedanken anhand des Werkes „Homo faber“ von Max Frisch

Autorin: Anita Ráczné Romsics

Ich denke oft an Homo Faber. Dieses Buch muss man lesen. Der Homo faber ist ein sehr provokativer Menschentyp, über den man gut diskutieren kann, denn er kann als Phänomen nicht neutral betrachtet werden. Entweder pro oder kontra, aber alle seine – egal, ob ehemaligen oder zukünftigen – Leser haben darüber eine sehr charakteristische Meinung. Als Empfehlung möchte ich ein paar Szenen aus seiner Welt zitieren:
„Er zündete sich eine Zigarette an, und war inzwischen in seinen Gedanken vertieft… ‚Ich hätte Hanna gar nicht heiraten können…Eine Heirat kam damals nicht in Frage…Wenn ich eine Halbjüdin heiraten würde…Sie erwartete damals ein Kind… Sie selber war es, die nicht mehr davon sprechen wollte… Ich hatte gesagt: Dein Kind, statt zu sagen: Unser Kind. Das war es, was mir Hanna nicht verzeihen konnte. Es ist mir heute schon ein Rätsel, wieso Hanna und Joachim geheiratet und wieso sie mich, Vater des Kindes, nie haben wissen lassen, dass dieses Kind zur Welt gekommen ist.’, schüttelte er seinen Kopf und rauchte weiter.“
„Die Tür des Krankenzimmers wurde von jemandem geöffnet. Sabeth, sein „Hermeskind” ist gestorben. ‚Ich war nicht verliebt in das Mädchen mit dem rötlichen Roßschwanz, sie war mir aufgefallen, nichts weiter…Wieso Fügung?’“
„ Hanna nochmals fragte: Walter, was hast du mit Elisabeth gehabt? Komm sag’es!”
Zuerst wollte er darauf nicht antworten, und danach sagte er nur so etwas wie, dass er damals mit einer verheirateten Frau, namens Ivy, eine Beziehung führte. Er hat natürlich gelogen. Diese Lüge ist bei ihm schon so typisch, aber er lügt nicht die anderen an, sondern sich selbst. Wer ist er eigentlich? Er ist „der Homo faber”, der moderne Mensch, namens Walter Faber. Ein hochgebildeter Mann mit gutem Job, wohnhaft momentan in New York, über 50. Trotz seines Alters sieht er noch immer gut aus, und ist zum Teil ein Fatalist. Er möchte alles wissenschaftlich erklären, seine Karriere ausbauen, sowohl im Privatleben als auch im Alltagsleben. Er braucht seine Freundin nur zum Sex, wegen seiner „tierischen Seite”. Eigentlich ist es gut, mit Ivy zu reden, ihr Körper ist auch fantastisch. Aber die Liebe? Nein, danke. Das ist etwas anderes. Sex ist Sex, und Liebe ist Liebe. Nach seiner Weltauffassung existiert die Liebe nur wegen der Hormone, man kann sie nur einige Momente lang erleben. Faktisch ist sie unerreichbar, unerkennbar, also fast wie eine Legende.
„Liebe ist nur ein Wort”. Heutzutage ist diese Meinung sehr verbereitet, sowohl unter Frauen als auch unter Männern. Man kann sagen, dass sie wortwörtlich gegen die Liebe kämpfen, weil man nicht fühlen will oder kann, woran wir nicht glauben möchten, und was wir nicht akzeptieren können. Das Phänomen der sogenannten „klassischen” Liebe verliert ihre Aktualität. Die mit dieser Weltauffassung zusammen lebenden, meist jungen, beziehungsweise sehr selbstbewussten Damen und Herren leiden vielleicht wegen der selbst markierten „Grenzen” nicht so viel wie die anderen. In diesem Fall würde ich diese andere Gruppe die Gruppe der „Wildromantiker” nennen, die noch an die Liebe glauben. Diese extreme Theorie von Homo faber scheiterte. Walter Faber ist ein typischer Antiheld, am Ende des Werkes „muss er sterben”. Diese Geschichte, beziehungsweise diese Theorie finde ich sehr interessant. Dieses Werk muss man lesen und darüber diskutieren. Homo faber gehört zur Pflichtlektüre in Deutschland, und es könnte eine sehr komplizierte Aufgabe sein, wie wir den zukünftigen LehrerInnen dieses Werk im didaktischen Sinne erklären würden. Meiner Meinung nach gehört der Homo faber trotz aller Perversitäten und Extremitäten – oder gerade umgekehrt, ganz genau wegen dieser Eigenschaften – zur Kategorie der „Spezialaufgaben”.
Zum Schluss möchte ich ein persönliches Beispiel erwähnen. In Stuttgart habe ich ein Graffiti gesehen: „MUT ZUR LIEBE!” Auf den ersten Blick dachte ich, dass es ein typisches, sinnloses „Etwas” ist. Aber nach meinem Abenteuer mit Walter Faber habe ich darüber ein bisschen nachgedacht. Es stimmt: MUT braucht man zur Liebe. Also, meine lieben Wildromantiker, künstlerischen Seelen oder revolutionären Herzen! Die Hoffnung lässt sich nicht zuschanden werden!
Mit dem „Homo faber” muss man aber auch aufpassen. Man kann sagen, dass er uns auch zur „Epidemie” führt. Unter „Epidemie” verstehe ich die Weltauffassung des modernen Menschen. Ich versuchte in diesem Buchtipp sowohl für als auch gegen das Buch zu argumentieren, obwohl mich die Hauptaussage lockte.