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Zeitung << 2/2007 << Gastaufführung der Deutschen Bühne Ungarn in Hódmezõvásárhely


Gastaufführung der Deutschen Bühne Ungarn in Hódmezõvásárhely
Interview mit Ildikó Frank, Intendantin der Deutschen Bühne Ungarn in Szekszárd

Autorin: Réka Bányai

Einen Ausflug zu machen, lohnt sich immer – mag es auch örtlich oder bildlich in der Zeit gemeint sein: man sieht, hört, lernt dabei immer etwas Neues kennen. Am 2. Oktober 2007 habe ich auch einen kleineren Ausflug gemacht: im Bethlen Gábor Reformierten Gymnasium Hódmezõvásárhely hat die Deutsche Bühne Ungarn eine Gastaufführung gegeben.

Das Erlebnis war unvergesslich schön und zugleich von maximalem Niveau: das kurze Fastnachtsspiel von Hans Sachs, Das Kälberbrüten haben die drei Schauspieler mit erstaunlich einfachen Requisiten und Kulissen, mit äußerster Professionalität, und nicht zuletzt mit überzeugender Lust vor dem Schulpublikum des Gymnasiums gespielt. Mit Ildikó Frank, der Intendantin der Deutschen Bühne Ungarn, haben wir uns nach der Aufführung in der Bibliothek des Gymnasiums unterhalten.

Seit wann existiert die Deutsche Bühne?
1983 wurde sie in Szekszárd offiziell gegründet. Davor gab es aber auch schon Experimente und Initiativen der Stadt. Seit 1983, also seit vierundzwanzig Jahren, läuft die Arbeit im Theater ununterbrochen.

Im Stück Das Kälberbrüten habt ihr nur zu dritt gespielt. Ist das häufig so, dass ihr mit so wenigen Schauspielern arbeitet? Wie viele Schauspieler gehören zum Ensemble?
Wir haben momentan acht festangestellte Schauspieler und einige Gastschauspieler. In diesem Jahr haben wir es noch besonders gut, weil wir unter diesen acht Schauspielern vier Muttersprachler haben, aber auch die anderen haben sehr gute Sprachkenntnisse. Wir Nichtmuttersprachler sind auch fast alle Ungarndeutsche.

Wo kommen eure Schauspieler her? Kann man überhaupt in Ungarn so eine Ausbildung machen – Schauspieler in deutscher Sprache?
Entsprechende Ausbildungen gibt es in Ungarn – soviel ich weiß – leider keine. Wir haben versucht alles Mögliche durchzusetzen. Vielleicht wird es jetzt aber gelingen; wir sind gerade mitten im Versuch, an der Pädagogischen Hochschule in Szekszárd ein solches Fach einzuführen. Mal sehen, was daraus wird; es ist ja so schon nicht leicht, in diesem schon ziemlich geschlossenen Schulsystem in Ungarn etwas Neues zu gründen. Was allerdings hier in der Nähe existiert, ist eine Bildungsakademie für deutschsprachige Schauspieler in Temeswar, Transsylvanien. Diese Akademie vergibt auch Universitätsdiplome; ich selbst habe dort meine Ausbildung absolviert.

Acht feste Schauspieler sind in einem städtischen Theater wirklich wenig. Ist es nicht schwer mit der Erweiterung der Gruppe?
Ziemlich fließend, kann man sagen. Dieses Jahr verpflichteten sich zum Beispiel zwei junge Schauspieler aus Temeswar zu uns zu kommen. Da es dort diese Schule gibt, hoffe ich, dass diese uns auch helfen kann, zwischen den zwei Städten den Kontakt weiterhin aufrecht zu erhalten.

Diese Aufführung fand in einem ländlichen Gymnasium statt - wie oft geht ihr auf Tournee? Wer ist hauptsächlich euer Zielpublikum?
Lokal gesehen ist Transdanubien auf jeden Fall ein Schwerpunkt wegen des Schwabentums und Ungarndeutschtums; aber diese Herbsttournee wurde zum Beispiel schon zum dritten Mal veranstaltet. Wir haben mit einer Schiller-Tournee im Jahre 2005 begonnen, danach folgte ein Brecht-Programm 2006, und im Herbst 2007 nun dieses kleine Stück von Hans Sachs. Ich möchte diese „Gewohnheit” als Möglichkeit für eine Regelmäßigkeit verwenden – es ist nämlich deswegen sehr gut, weil wir an den schon besuchten Stellen schon fast wiedererwartet werden. Wir gelangen im Rahmen einer solchen Tournee an Orte, an die wir sonst nicht gelangen könnten. Es sind so kleinere „Reisestücke”.

Geht ihr zu anderen Theatern „zu Besuch” bei einer Tournee oder eher zu Schulen, wie auch jetzt?
Dieses Stück ist ausgesprochen für SchülerInnen und als eine „Schultournee” gedacht – wie man sieht, sind die möglichst einfach gehaltenen Kulissen überall leicht aufzubauen. Sonst spielen wir auch oft in Theatern: in der IBS (International Buda-Stage) planen wir Aufführungen, im Pécser Nationaltheater und im Dritten Theater sind wir mehrmals aufgetreten.

Wie viele Stücke habt ihr in einer Spielzeit?
Wir haben meistens vier-fünf Premieren pro Saison, und wenn wir auch die kleineren Projekte mit dazuzählen, auch sechs; dazu kommen noch die Stücke aus den früheren Spielzeiten, die wir weiterhin in unserem Spielplan halten. Jetzt haben wir ungefähr zehn Aufführungen im Repertoire.

Nach welchen Kriterien wählt ihr die Stücke aus, die ihr spielt? Folgt ihr dabei irgendeiner Thematik?
Diese ist die erste sogenannte „thematische” Spielzeit, die wir als „klassische Spielzeit” benannt haben. Sie fing mit Max und Moritz an, dem beliebten Kindermärchen, diesem folgte Das Kälberbrüten von Hans Sachs, und im November wird dann Kabale und Liebe von Schiller vorgeführt. Bislang war diese thematische Einstellung im Bezug auf eine ganze Spielzeit bei uns nicht gewöhnlich, aber ab dieser Saison möchten wir es nach und nach einführen – zuerst mit einer „zwanzigstes Jahrhundert”-Saison, dann mit einer zeitgenössischen Saison usw. Der Spielplan gestaltet sich sonst hauptsächlich aufgrund der Ideen des Regisseurs oder eines besonderen Anlasses – 2004 zum Beispiel, zum Beitritt Ungarns in die EU, haben wir das absurde Drama von Mrozek, Das Haus auf der Grenze vorgeführt. Eine Art Thematik gab es schon immer bei den einzelnen Stücken, aber ab dieser Saison fangen wir schon an, den Spielplan etwas bewusster zu machen.

Mittelalterliche oder überhaupt ältere Stücke sind meistens – wahrscheinlich wegen des großen zeitlichen Abstands von der heutigen Epoche – gedanklich nicht so leicht zu verstehen und werden nicht so häufig gespielt. Wie kam euch die Idee Hans Sachs zu spielen?
Wenn ich mich recht erinnere, ist Hans Sachs der früheste Autor, von dem wir bislang gespielt haben. Ich persönlich habe ihn sehr lieb (sie spielte die Rolle des „zickigen Frauenzimmers” im Stück – die Aut.), ich freue mich sehr, dass wir ihn entdeckt haben. Es ist wirklich so, dass die Ideen meistens in der Luft einfach nur so herum fliegen; man muss nur rechzeitig und überhaupt anfangen! Auch diesmal entstand die Idee so, dass ich einmal gefragt wurde, ob wir nicht Hans Sachs spielen wollen…und da hab’ ich geschwind’ Hans Sachs gelesen und fand ihn einfach toll!

Hat euch der ältere Sprachstil keine Probleme bereitet?
Um ehrlich zu sein, ist es doch auch für die Schauspieler nicht so problemlos, diese ältere Sprache zu benutzen und zu erlernen; wir sprechen ja auch alle das heutige Hochdeutsch. Die Wortstellung ist ziemlich anders, und man muss es trotz aller Schwierigkeiten so aufführen, dass das Publikum das Stück auch so mitbekommt, wie eins auf späterem Sprachzustand. Wir versuchen es, und ich glaube, wir erreichen unser Ziel; die Schüler verstehen das Stück schon ganz gut.

Wie ist die Rezeption des Stückes?
Die Premiere hatten wir am 27. September 2007 in Szekszárd zu Hause, dort kam alles sehr gut an, und gestern waren wir in Baja; diese Stadt war der erste Ort der Tournee. Unser Publikum war bis jetzt immer empfänglich.

Ihr seid in Szekszárd einheimisch und ihr spielt dort am meisten – was mag das dortige Publikum am liebsten?
Ehrlich muss ich sagen, zum Glück hatten wir bis jetzt noch kein Stück, das nicht gut rezipiert wurde. Die musikalischen Stücke sind heutzutage bei allen sehr beliebt. Es ist eine ausgesprochene Unterhaltungsgattung – und man muss wirklich darauf achten, dass man das jeweilige Publikum immer auf hoher Qualität unterhält.

Wie oft spielt ihr moderne Stücke? Was ist zum Beispiel deine Lieblingsepoche?
Ich denke, wenn ein Stück dramaturgisch gut und gut spielbar ist, lohnt es sich allemal, es zu spielen. Letztes Jahr hatten wir zum Beispiel ein Drama aus dem Jahre 2002, Creeps von Lutz Hübner; die Schüler haben auch das gut rezipiert. Wie schon gesagt, ich denke, wenn man damit etwas vermitteln will und kann, so lohnt es sich alle Stücke aufzuführen.

Seid ihr eher für musikalische oder für reine Prosaspiele oder eher für die Vermischung der beiden Gattungen?
In diesem Fall ist das Hans Sachs-Stück ein reiner Text, den wir mit thematisch passenden Liedern sozusagen aufgepeppt haben. Aber Anfang 2007 hatten wir eine Musicalpremiere, ein ebenfalls zeitgenössisches deutsches Stück, namens No Sex – der Titel ist schon mal witzig und Aufmerksamkeit erregend! Dazu hat es auch eine einprägsame Musik und bearbeitet interessante Themen. In der Tat ist es so, dass wir zu solchen großen Musicals, wie Cats oder Das Phantom der Oper auch nicht genügendes Personal und Ausstattung haben, aber Stücke – sowohl musikalische, als auch Prosastücke – sind immer zu finden, die auch für solch ein kleines Ensemble geeignet sind, wie unseres es ist.

Ildikó, ich danke dir für das Gespräch. Wir hoffen, dass die Deutsche Bühne Ungarn bald wieder zu uns nach Hódmezõvásárhely, Szeged oder irgendwohin in die Nähe kommt – mit der nächsten genussreichen Aufführung natürlich.