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Zeitung << 1/2008 << Punk’s not dead


Punk’s not dead
Der deutsche und ungarische Punk

Autor: Gábor Szágos

Punk‘s not dead, sang die englische Band The Exploited un­ver­gesslich im Jahre 1981. Punk‘s not dead, ist auch der Titel eines Dokumentarfilms aus dem Jahr 2007. Ein Zeitabstand von fast 30 Jahren mit Generationswechsel, aber die Aussage ist noch immer stichhaltig. Der Punk war weder vor zwanzig Jahren noch heute tot. Viele Veränderungen kann man feststellen, trotzdem existiert die Gattung immer noch.

Die Geschichte des Punks – berühmte Bands
Der Punk ist ein systemfeindlicher Feldzug in der Rockmusik, der ungefähr 1974-75 aufgetaucht ist, lautet eine der vielen in der Musikgeschichte vorhandenen Definitionen. Das Attribut „systemfeindlich“ halte ich eher nur für die erste Generation der Punkströmung für gerecht, aber noch heute trägt der Punk den Begriff der Rebellion in sich. Auch die Festlegung des Beginns des Punk ist ein bisschen problematisch, weil schon früher Bands existierten, die mit dem Punk zu verbinden sind.
Beim Punk als Musik gibt es relativ wenige Kriterien. Wichtig sind die einfachen Strukturen und Lösungen. Die Instrumente sind formelhaft: Schlagzeug, Elektrogitarre, Bassgitarre und oft Trompete.
Das Wort Punk stammt aus dem Englischen und bedeutet „Anfänger“, „Minderwertiges“, „schund“. Im Deutschen wird das Wort für aufgedonnerte Jugendliche und für die Musikgattung verwendet. Die ursprüngliche Bedeutung betrifft die Einfachheit der Musik und die Bildung der Punkmusiker.
Da der Punk etwas sehr Neues war, haben die Jugendlichen natürlich großes Interesse daran. Der Punk als Gattung bedeutete damals, meiner Meinung nach, ein neues Lebensgefühl, wie z.B. bei der Hippiebewegung. Man kann genau sehen, in welchem Lebensalter der Fans der Punk die größten Erfolge hatte. Zumeist kreiste die neue Welle unter den Halbstarken und den Zwanzigern bzw. Zwanzigerinnen. Die pubertierenden Teenies und Gymnasiasten waren aufnahmefähig für die rebellischen Anschauungen.
Sowohl Deutschland als auch Ungarn konnten leider nicht mit einer normalen Lage in den 70er und 80er Jahren prahlen. Wenn wir die Geschichtsbücher durchblättern, tauchen die DDR-BRD Problematik und die Dummheiten des kalten Krieges in Deutschland auf. Die Situation in Ungarn war auch nicht alltäglich, der sowjetische Druck hat die ganze Regierung geprägt. Die systemfeindliche Eigenschaft des Punk konnte sich in solcher Umgebung leicht herausbilden. Die unzufriedenen, sich auflehnenden Jugendlichen wurden zu treuen Anhängern der Gattung.
Da in Ungarn die Regierung die Rebellion der Punks sehr ernst genommen hat, wurden die Bands oft verboten. Die deutschen Gruppen hatten größere Freiheit, die sich z.B. in den Plattenveröffentlichungen äußerte. Eine der berühmtesten und erfolgreichsten Punkgruppen Deutschlands, Die Toten Hosen, haben bis heute mehr als zehn Millionen Platten verkauft. Die Beliebtheit ist unzweifelhaft. Dagegen durften in Ungarn zahlreiche Alben gar nicht veröffentlicht werden, die Musikaufnahmen kreisten nur auf illegalen Kopien auf Audiokassetten. Auch mir kamen solche Aufnahmen in die Hand, aber sie hatten leider keine gute Qualität.
Wenn eine Band, nach der Meinung der Regierung, der Ordnung drohte, konnten die Mitglieder sogar mit Gefängnisstrafen rechnen. Präzedenzfall war die Gruppe CPG aus Szeged (Coitus Punk Group, später Come on Punk Group). Mit erdichteten und belachenswerten Klagen wurden sie zu ein- und zweijährigen Gefängnisstrafen verurteilt. Ehrlich gesagt, haben sie wirklich mit harten systemfeindlichen Texten gearbeitet, wie im Lied Áll egy ifjú élmunkás a téren: „Áll egy ifjú élmunkás a téren / Kommunista szombatról jött éppen [...] / Rohadt büdös kommunista banda / Mért nincsenek ezek felakasztva?“ (Ein Jungkommunist, ein Spitzenarbeiter steht am Platz/ Er kommt gerade vom Kommunistensamstag [...]/ Lumpiges, dreckiges Gesindel/ Warum sind sie noch nicht erhängt?“). Damals bedeuteten solche Aussagen fast eine Todsünde.
Die heute bekannten deutschen und ungarischen Gruppen wurden Ende der siebziger bzw. Anfang der achtziger Jahre gegründet. Neben den schon erwähnten Bands (Die Toten Hosen 1982, CPG 1979) sind viele Punkbands bekannt und im besten Fall auch erfolgreich. Zu den führenden Punkgruppen Deutschlands gehört vor allem die Band Die Ärzte (1982). Den ungarischen Punk vertreten u.a. die Gruppen Prosectura (1989), Hétköznapi Csalódások (1990), Aurora (1983). Die Band Aurora hat mehrmals mit den deutschen Punkgruppen Wizo und mit Antikörper zusammengearbeitet. Die Ergebnisse sind zwei tolle Alben: Mindhalálig punk (Wizo 1994) und Rukensturcli in Kukenstrasse (Antikörper 1998). Ich kann sie jedem empfehlen.
Eine der wirksamsten Waffen des Punk ist die Tatsache, dass die Punkmusiker keine Angst haben, die Wahrheit auszusprechen. Vermutlich hatten sie deshalb so oft Probleme mit der Regierung. Gnadenlos fallen sie die Regierung, das dumme als Schafe lebende Volk und zurzeit die Medien an. Meiner Meinung nach sind sie eine Art ‚Kämpfer’ für das Erwachen der Aufmerksamkeit. Die Kleidung, die Lebensform, die Musik, die Songtexte: alle dienen der Empörung. Und je größer die Entrüstung der Leute ist, desto zugkräftiger ist der Feldzug der Punkbewegung.

Die heutige Lage
Ich glaube, dass der heutige Punk kaum vergleichbar mit dem einstigen Punk ist. Ich denke vor allem an die neuen Punkgruppen, obwohl auch die alten Bands eine Art Wandlung zeigen. Immer mehr „Modepunks“ erscheinen auf der Bühne der Welt und immer mehr „Mutationen“ sind in der Gattung zu beobachten. So ist z.B. der Pop Punk entstanden, der meistens für den amerikanischen Punk charakteristisch ist. Bands wie Simple Plan, My Chemical Romance, Sum 41, Blink 182 sind aus dem eigentlichen Punk ausgebrochen. Leider verzichten immer mehr Gruppen auf den Punkrock-Stamm und wenden sich in die Richtung der populäreren Musik.
Auch die Songthemen haben sich verändert, was vorwiegend dem Umschwung in der Geschichte zu verdanken ist. 1989 war das Jahr der Wende, die Rebellion hat ihren Sinn verloren. 1982 sangen Die Toten Hosen im Lied Niemandsland (Reisefieber): „Ich bin der König aus dem Niemandsland / ich hab mich dazu selbst ernannt / Seit vielen Jahren regier ich schon / ohne Krieg und Revolution“. Diese Sehnsucht nach Frieden erscheint heute nur in den alten Songs. Seit der Wiedervereinigung Deutschlands beschäftigen sie sich eher mit den Problemen der modernen Welt, mit den Themen der Werbung, des Rechtsextremismus (Kauf MICH, Reich & Sexy 1993; Love, Peace & Money 1994). Später wurden Themen wie der Glaube, die Religion und die Psychologie dominierend, die auch heute im Alltag der Gruppen vorkommen (Opium fürs Volk 1996). In Ungarn ist die Lage der Punkgruppen ein bisschen anders. Wegen der erwähnten Härte der Regierung sind viele Bands zerfallen. Einige Bands überlebten die schweren Zeiten, aber über einen ungebrochenen weltweiten Erfolg, wie in Deutschland im Falle Der Toten Hosen, kann man leider nicht sprechen. Auch die bei uns berühmtesten Bands (Aurora, Hétköznapi Csalódások, Prosectura) veröffentlichen neue Alben, die sich mit globalen Problemen befassen. Aber zumeist treten sie nur auf „Nostalgiekonzerten“ auf.
Der ungarische Punk hatte also Hindernisse wegen der kommunistischen Regierung. Die ungarischen Punkbands sind weder weltberühmt noch in Ungarn in allen Kreisen bekannt, doch sind viele stolz auf sie. Obgleich sie immer für die Fortdauer kämpfen mussten und oft nur geheim auftreten konnten, vertreten sie Ungarn und die Belange des Volkes begeistert, wenn es auch nur auf ihre sonderbare Weise geschieht. Die ursprüngliche Punkbewegung hat sich verändert. Neue Bands sind entstanden, das Aussehen wurde solider, die Rebellion ist nicht mehr so auffällig. Für Anarchie wird nicht mehr gekämpft. Nicht mehr gegen die Macht leisten die Punks Widerstand, sondern gegen die gesellschaftlichen Normen und die Gewalt in den Medien. Der Punk existiert auch noch im Jahre 2008. Der Punk lebt. Punk’s not dead.