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Zeitung << 1/2008 << Zu Besuch in einem Märchenland


Zu Besuch in einem Märchenland
Das Schloss und die Fürstin von Liechtenstein

Autorin: Zsuzsanna Majoros

Sicher hat jeder davon gehört, dass Liechtenstein das höchste Bruttoinlandsprodukt pro Kopf hat oder dass dieses Land eines der bedeutendsten Steuerparadiese mit zahlreichen Banken ist. Aber haben Sie gewusst, dass Liechtenstein das Märchenland ist, wo Träume sich verwirklichen?

Es war einmal eine gütige Fürstin, sie hieß Marie. Sie ist die Frau von Fürst Hans-Adam II. Das Ehepaar hat vier Kinder: Erbprinz Alois, Maximilian, Constantin und Tatjana. Sie herrschen gerecht über das zwischen Österreich und der Schweiz liegende, 35.168 Einwohner zählende, 160 km2 große, bezaubernde Land und leben in Frieden. Eine Kindergruppe aus Ungarn hat die Ehre, von der Fürstin in ihr Zuhause nach Vaduz eingeladen zu werden. Sie, selbstverständlich von „Hauptberuf“ Märchenprinzessin, ist auch eine Vertreterin und Unterstützerin des roten Kreuzes und versucht beispielgebend Kleinkinder aus sozial benachteiligten Familien aufzunehmen und ihnen ein unvergessliches Erlebnis zu schenken und damit die größte Freude, die sich ein Kind vorstellen kann, zu bereiten. Leider kann die holde Fürstin kein Ungarisch, so bin ich als Germanistikstudentin eine Nebenfigur in dieser Geschichte geworden.
Mitte Januar 2008 machten wir uns, 16 Kinder und 4 Betreuerinnen, voller Neugier auf den Weg von Tokaj nach Liechtenstein. Was wir dort vorfanden, übertraf alle unsere Erwartungen. Wir haben im bevölkerungsreichsten Ort im Land, in Schaan Unterkunft und Verpflegung bekommen. Das Kinderheim Gamander ist für drei Wochen unser Zuhause, besser gesagt unser Märchenpalast, geworden. Das Haus war wie ein Spielzeuggeschäft mit unglaublich viel Spielzeug ausgestattet, mit kinderfreundlichen Einrichtungen und mit einem riesengroßen Garten, natürlich mit Aussicht auf die wunderschönen, schneebedeckten Berge. Die Kinder bekamen zahlreiche Geschenke, Kleidung, Schuhe, Spielzeuge und auch Süßigkeiten. Jeden Tag bereiteten unsere Gastgeber eine Überraschung für uns vor, wir wurden völlig verwöhnt. Wir wanderten viel in den Alpen und fuhren sogar Schlitten im Skiparadies Malbun. Die anspruchsvollen Spielplätze ernteten großen Beifall im Kreis der Kleinen. Sie hatten auch die Möglichkeit, für sie fremde, unerreichbare Sportarten auszuprobieren, z.B. wurde ihnen das Schwimmen beigebracht. Wir nahmen auch an verschiedenen Programmen teil, z.B. brachte eine 47-köpfige Musikgruppe uns eine Serenade vor dem Kinderheim dar. Zum Glück verbrachten wir diese drei Wochen gerade zur Faschingszeit dort, so konnten wir uns zwei Faschingsumzüge ansehen und auch daran teilnehmen. Wir hatten auch die Gelegenheit, einen lustigen, für uns unbekannten Faschingsbrauch kennen zu lernen. Am „Schmotziga Donnschtig“ (Schmutziger Donnerstag) vor dem Fasnachtssonntag steuert die Fasnacht auf ihren Höhepunkt zu. An diesem Tag sind die Leute besonders ausgelassen und schwärzen oder färben einander die Gesichter tra­ditionell mit Speckschwarten oder altem Korkzapfen ein.

Endlich kam es zu dem ersehnt erwarteten Besuch. Das Zentrum des Wunderlandes ist selbstverständlich das fast 1000 Jahre alte Schloss, der Wohnbesitz der fürstlichen Familie. Es ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich, man darf es nur aus gebührender Entfernung bewundern, deswegen waren wir als die „Auserwählten“ mit Recht stolz auf den Besuch. Dort konnten wir die Gastfreundschaft und Herzlichkeit der Fürstin in unmittelbarer Nähe spüren. Sie selbst begleitete uns durch das Schloss, erzählte dessen Geschichte, bot uns Kuchen und Getränke an. Wir bereiteten uns auch fieberhaft mit einer bescheidenen „Aufführung“ vor, worauf wir das Lob der Fürstin bekamen. Die Kleinen durften auch fragen und so erfuhren wir zum Beispiel, dass es im Schloss zu dem größten Bedauern der Kinder keine Geister und Geheimgänge gibt, wie viele Abendkleider dir Fürstin hat, oder warum sie keine Krone trägt.
An Abenteuern fehlte es uns auch bei der Heimfahrt nicht, wegen des ungarischen Eisenbahnstreiks, aber die mächtige Fürstin löste auch dieses Problem einwandfrei und wie wir alle wissen: Ende gut, alles gut. Zu Hause konnten die Kinder voller Begeisterung mit strahlenden Augen erzählen: „Glaub mir! Ich habe eine echte Prinzessin getroffen und zwar im Schloss! Ich war im Märchenland!“ Und wer es nicht glaubt, der zahlt einen Taler!