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Zeitung << 2/2008 << Die GeMa-Redaktionssitzung


Die GeMa-Redaktionssitzung
Ein Seminar einmal anders

Autorin: Anita Arnold

Schon wieder das gehasste Geräusch, der Wecker klingelt. Langsam öffne ich ein Auge und konstatiere die ernüchternde Wahrheit: es ist schon wieder halb neun, Zeit zum Aufstehen. Während des Frühstücks suche ich verzweifelt die Antwort darauf, warum ein Seminar so früh anfangen muss. Es wäre besser, erst ab 12 Uhr Unterricht zu haben. Doch dann fehlt mir ein, dass wahrscheinlich die Dozenten des Seminars auch diesen Standpunkt vertreten, da die legendäre Studentenzeitung, wo auch unsere Zeitung, das GeMa entsteht, nicht um Punkt 10, sondern erst um Viertel 11 anfängt.
Schnell überfliege ich noch mal den Stundenplan, und aus meinem Unterbewusstsein taucht plötzlich die schwere Gewissheit auf: ich habe die Artikel für die heutige Sitzung noch nicht gelesen. Ich suche schnell die Blätter, und dann wird mir klar, dass ich diese doch gelesen habe, aber keine Ahnung mehr von ihrem Inhalt habe. Keine Zeit, schnell zum Bus, worauf ich mich schon im Voraus freue, denn man hat selten die Gelegenheit, wie Heringe in der Konservenbüchse zu reisen. Während mindestens 6 Leute auf meinen Füßen stehen, kreisen meine Gedanken wieder um dieses Seminar, und was mich wohl heute erwarten wird: Um Viertel 11 sind schon alle da, die auch kommen wollen, wir unterhalten uns, und besprechen und lesen noch mal die Hausaufgaben durch, machen Wetten, wann wohl die Dozenten und die sich verspätenden Studenten eintreffen werden, oder wie oft der magische „das müssen Sie…“-Satz verhallen wird.
Nach diesen nervenaufreibenden Minuten werden wir auf das bekannte Rasseln des Schlüsselbundes aufmerksam, und bald erblicken wir unseren furchtlosen Generalkapitän und seine ständige Helfershelferin; jetzt gibt’s kein Zurück mehr…
Die Sitzung fängt wie gewöhnlich mit der Besprechung der wichtigsten Ereignisse an, nämlich über welche Tagungen berichtet werden muss, oder welche Interviews noch vor uns stehen, dann fahren wir weiter mit dem Kritiküben der Artikel fort. Inzwischen lohnt es sich sich umzuschauen, was alles man von den Gesichtern der anderen ablesen kann. Die Skala ist breit, sie fängt mit einem „wo bin ich überhaupt hier?“ durch „finde ich gut, hab’ nichts zu sagen, und hoffentlich muss ich auch nichts sagen“ bis „nee, das würde ich so und so machen, wann kann ich endlich dazwischenquatschen?“. Gott sei Dank, die­se sind fast immer in der Überzahl, und bald beherrschen diese die Atmosphäre der Sitzung, und aus den „Auseinandersetzungen“ kommt fast immer etwas Lustiges heraus.
Oft machen die anderen sehr gute Vorschläge, woraus man viel lernen und diese Bemerkungen auch in die eigenen Aufsätze einbauen kann. Außerdem können wir durch die Mitarbeit und Arbeit uns besser kennen lernen, wofür die anderen Interesse zeigen, eine breite Auswahl von verschiedenen Themen und Stilen bekommen, unsere Fähigkeiten und Meinungen besprechen und bewerten, und natürlich uns zu besseren Autoren ausbilden lassen. Und das alles umsonst!
So habe ich zum Beispiel gelernt, wann ein Artikel „zu dunkel ist“, wann er „gulaschgeruch-verdächtig“ ist, und wann er nur die „überkosmischen Kritiken“ der Chefredaktion bestehen muss. Es ist auch gut so, denn die (potenziellen) Leser erwarten von uns am Ende eine niveauvolle Zeitung, deshalb müssen wir versuchen, unser Bestes zu geben, was uns nur durch Mitarbeit, durch ständige Verbesserung gelingt, und durch den halben Erfolg, wenn unser Artikel alle Kritik überstanden hat.
Es ist schon toll, so eine große Aufgabe zu haben. Man fühlt sich fast außergewöhnlich, denn wenn es leicht wäre, könnte es vielleicht jedermann machen. Man kann sich zu einem guten Kritiker und Rhetoriker entwickeln, was ich heutzutage wichtig finde, und vor allem: die Atmosphäre ist unersetzbar.