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Zeitung << 2/2008 << UNGARN liest ÖSTERREICH


UNGARN liest ÖSTERREICH
Aktion "Österreich liest. Treffpunkt Bibliothek"

Autor: Csaba Hegedûs

Am 21. Oktober 2008 fand in der Österreich-Bibliothek (ÖB) der Universitätsbibliothek Szeged eine spezielle Lesung statt, bei der fünf Germanistik-Studentinnen die Rolle hatten, für ein abwechslungsreiches und interessantes Programm zu sorgen.

Sobald das Publikum seinen Platz eingenommen hatte, sprach die Österreichlektorin Marion Rutzendorfer, die die Studentinnen auf die Veranstaltung vorbereitet hatte, eine kurze Einleitung. Die Aufgabe bestand darin, je einen Text aus Werken österreichischer Autoren vorzulesen: die Palette enthielt Alfred Polgars „Der Vorleser“, Alois Brandstetters „Von Odense bis Kastelruth“, Arthur Koestlers „Die Herren Call-Girls“, Daniel Kehlmanns „Kritik“ und Arthur Schnitzlers „Ich“.
Im ersten Text (Alfred Polgars „Der Vorleser“) – gelesen von Anna Angyalka Lukács – ging es um die Gefühle eines Vorlesers, der sich einige Gedanken über den idealen Vorleser macht und Ratschläge gibt. Zum Beispiel benutzt der Autor das Pronomen ‚Ich’ selten, um stattdessen die dritte Person Singular zu verwenden. Ein anderer Tipp ist, nicht lange zu schweigen während einer Vorlesung, und auf keinen Fall soll man sein Desinteresse am Thema zeigen. Um Lampenfieber zu überwinden und den Gedanken ,,dass man vielleicht nicht die geeignete Person zum Vorlesen des Textes ist“ wegzujagen, könne man mit dem ersten Satz ,,Ich lese heute zum ersten mal öffentlich.“ beginnen. Als nächstes Werk wurde „Von Odense bis Kastelruth“ von Márta Bogáts präsentiert. Hier erzählt ein Schriftsteller von seinen Lesereisen mit eher wenig Publikum. Aber je weniger kamen, desto mehr von ihnen haben sich für das Thema interessiert. In Kassel waren zum Beispiel fünf Zuhörer. Dieser Mangel wird oft durch andere Termine und Prüfungen der Studenten erklärt. Eine Frage war, ob es sich für einen Autor lohnt, eine sehr lange Reise zu machen, um für fünf Leute zu lesen.
Lenke Galambodi erlaubte uns einen Blick in den nächsten satirischen Roman zu werfen. Der handelt von zwölf Wissenschaftlern bzw. Aposteln, die die Welt retten wollen. Sie analysieren die Methoden des Überlebens: zum Beispiel sollte eine Weltsprache etabliert werden, aber wenn das schon nicht gelingt, dann wenigstens eine universelle Fachsprache für Wissenschaftler.
Viertens war ein Text mit zwei Personen, Karla Lality und Ágnes Uglik, an der Reihe, der wie ein Drama aufgeführt wurde – anhand der Geschehnisse, die beste Lösung. Der Protagonist, der Schauspieler Wagenbach, der auch eine Fernsehshow moderiert, sitzt in einem Flugzeug und sein Sitznachbar erkennt ihn, lästert über ihn und kritisiert ihn unaufhörlich. Die Stewardess war für einen Moment Frau Rutzendorfer, die das Drama sehr gefärbt hat. Als das Flugzeug ankam, standen die Protagonisten auf, nicht nur die Stimmen, sondern auch die Gestik und die Bewegungen waren toll.
Zuletzt las Éva Páli Schnitzlers Erzählung „Ich“ vor. Ein Mann um die Fünfzig fällt aus seinem Alltagsleben heraus, weil er plötzlich während eines Spaziergangs entdeckt, dass am Eingang eines öffentlichen Gartens auf einem Brett ,,Park“ geschrieben steht. Er wird im Laufe der Erzählung verrückt und beginnt, auf alles Namenszettel aufzukleben. Er glaubt, dass jedes Ding einen Namenszettel haben sollte. (Hier klebte die Studentin Lenke Galambodi in der Bibliothek Zettel auf alles um sie herum: auf die Gegenstände und Menschen.) Seine Frau entfernt diese Zettel (Zettelentfernung von Frau Rutzendorfer) und holt einen Arzt. Als dieser eintrifft, haben sich letztendlich sämtliche Protagonisten das Wort ,,Ich“ angeheftet.
Nach der Lesung sprach der Leiter des Lehrstuhls für österreichische Literatur und Kultur Károly Csúri die Schlussworte und erwähnte, wie schwer es für uns ist, uns eine andere Sprache anzueignen und professionell vorzulesen, aber das war eine darauf Lust machende Veranstaltung. Hoffentlich wird von nun an jedes Jahr so ein Kulturaustausch stattfinden.
Nach der Veranstaltung erzählte Frau Rutzendorfer dem GeMa, wie viel Arbeit in der Vorbereitung lag: drei Wochen intensiv üben und nur eine Probe in der Bibliothek selbst. Während Professor Csúri Organisation und Empfang gestaltete, übten die Studentinnen ihre Texte, die sie für sich aus der empfohlenen Skala ausgewählt hatten, mit Frau Rutzendorfer ein.
Die Aktion „Österreich liest. Treffpunkt Bibliothek“ ist ein österreichweites Literaturfestival, das vom Büchereiverband Österreich initiiert und vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, sowie allen neun Bundesländern unterstützt wird und zwar immer um die Zeit rund um den Nationalfeiertag am 26. Oktober. In diesem Jahr kam dann bei der Lektorenkonferenz in Szeged Anfang 2008 die Idee auf, die Aktion auch über die Grenzen hinaus zu tragen.
Warum nur Damen die Vorleser waren und warum nur Männer die Schriftsteller, ist eine interessante Frage, aber vermutlich ist der Grund dafür, dass Germanistinnen ,,weniger Publikumsscheu haben“ und das Fach selbst viel mehr weiblichen Zulauf hat.
Am Ende war Marion Rutzendorfer sehr zufrieden und hat den folgenden Personen noch ihren Dank ausgedrückt: ,,Neben den Studentinnen, Herrn Bombitz, Herrn Prof. Csúri und Frau Nagy-Némedi, deren anschließende Premierenfeier fast schon feudal genannt werden darf, gilt auch Frau Bogdány ein Riesenkompliment, die uns in ‚ihrer’ ÖB mit all der nötigen Technik ausgestattet hat.“