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Zeitung << 2/2008 << Vorsicht! Ausdauer und breite Toleranzgrenzen verlangt!
Vorsicht! Ausdauer und breite Toleranzgrenzen verlangt!
Ferienjob beim Roten Kreuz
Autorin: Olga Surinás
Alle Menschen träumen von einem Job, wobei man mit wenig Arbeit viel Geld verdienen kann. Aber meinen Erfahrungen nach existieren solche Dinge nicht. Ich hatte schon mehrmals einen Sommerjob in Ungarn, aber als Germanistikstudentin wollte ich im Sommer 2008 eine nützliche Tätigkeit in Deutschland ausüben. Einerseits, um meine Sprachkenntnisse zu verbessern, andererseits, um die Mentalität der Deutschen kennen zu lernen. Als meine Freunde mir über die Arbeit beim Deutschen Roten Kreuz erzählt haben, wollte ich vom ersten Moment mitmachen.
Ein großer Vorteil dieser Arbeit war, dass auch ein Infotermin und auch der Vertragsabschluss vor Ort, in Szeged waren, so hatte ich die Möglichkeit, meine Fragen an die Organisatoren zu stellen. Und davon hatte ich ziemlich viel. Beim Infotermin wurde den potentiellen Mitarbeitern deutlich erklärt, was man genau machen muss: man muss von Tür zu Tür gehen und Menschen gewinnen, fördernde Mitglieder beim Roten Kreuz zu werden. Für diese Mitgliedschaft bekommen die Mitglieder auch einige Dienstleistungen (z.B. Reiserückholschutz, wobei man bei irgendeinem Unfall aus dem Ausland nach Hause transportiert wird, oder man kann an einem Erste-Hilfe-Kurs teilnehmen). Für diese Mitgliedschaft bezahlt man einen freiwilligen Beitrag, hinsichtlich von Dauer und Summe, damit die Bedürftigen unterstützt werden. Für die Mitarbeiter sind die Unterkunft und die Beköstigung organisiert und vom Wochenlohn abgezogen. Das macht etwas mehr als die Hälfte der Bezahlung aus. Meine Fragen hinsichtlich der Sicherheit bei einer solchen Arbeit, wo man in Kontakt mit fremden Menschen steht, wurden klar beantwortet. Es gab keinen schweren Zwischenfall, die Menschen waren zum größten Teil höflich und (gast)freundlich. Den Vertrag habe ich klar und übersichtlich gefunden, was den Lohn und auch was die Arbeitszeit betrifft. So habe ich ihn unterschrieben.
Mit der Arbeit habe ich am 7. Juli 2008 angefangen, als wir in die Aalener Zentrale gefahren sind und da in Gruppen von 6-8 Personen eingeteilt wurden. Auf eigene Bitte konnte ich mit meiner Freundin in der gleichen Gruppe arbeiten, wir haben den Kreisverband von Karlsruhe bekommen. Schon am ersten Arbeitstag hatte ich Kontakt zu Menschen. Wir sind mit dem Gruppenoberen zusammen zu den Kunden gegangen, und wir haben praktisch gelernt, wie es funktioniert. Die Arbeitszeit dauerte von 11 bis 21 Uhr, mit einer halbstündigen Pause. Es war überhaupt nicht leicht, zehn Stunden täglich unterwegs zu sein, und danach für uns selbst zu kochen, aufzuräumen und uns den theoretischen Hintergrund der Arbeit anzueignen. Aber nach einiger Zeit hat man sich dieses Arbeitstempo angewöhnt und nach 3-4 Tagen habe ich es schon genossen, mich um mich selbst zu kümmern – finanziell und auch sonst. Doch das war nicht das Beste an der Arbeit. Das waren die Menschen.
Weil ich zur Vorsicht erzogen wurde, hatte ich Angst, ein fremdes Haus zu betreten. Als ich zuerst allein ging, am zweiten Haus, wo ich geklingelt habe, hat ein Mädchen, von ähnlichem Alter wie ich, die Tür geöffnet, im Büstenhalter, voll mit Rahm eingeschmiert, weil sie von der Sonne rot gebrannt wurde. Sie bat mich herein, und ich hatte bald die erste Kundin hinter mir. Meistens waren die Menschen wirklich nett und (gast)freundlich zu mir. Mit vielen habe ich lang geredet, besonders solche hatten einen Bedarf dazu, die allein lebten und selten einen Besucher hatten. Es gab auch einige, die mir gegenüber misstrauisch waren. In diesen Fällen habe ich meinen Ausweis gezeigt, aber das hatte auch nicht immer Erfolg. Meiner Erfahrung nach sind die Menschen, die auf einem höheren Niveau leben, nicht so motiviert beim Spenden, wie ihre Genossen, die schon mal auch selber bedürftig waren.
Sehr oft hatte ich Kunden, die Gastarbeiter waren, und um ihrer Integration willen das örtliche Rote Kreuz unterstützen wollten. Einmal versuchte ich ungarische Gastarbeiter zu überreden – in deutscher Sprache natürlich – und erst nach zehn Minuten kam es ans Licht, dass wir zur gleichen Nation gehören. Ich habe auch gemerkt, dass die Deutschen keine Probleme mit meinem Akzent hatten. Viele waren sogar neugierig und haben mich nach Ungarn gefragt. Heutzutage behandeln viele Menschen die Beamten, wie wir auch, als Mittel für ein bestimmtes Ziel. Aber in diesem Job, wo man in die Häuser auch ohne Absicht einen Einblick hat, ist die persönliche Beziehung unerlässlich. Ich wurde stärker von diesem Job, was die Zielbereitschaft und die Standfähigkeit anbelangt. Es ist doch klar, dieser Job passt nicht für alle, eine solche Arbeit verlangt eine ganz optimistische Einstellung und Ausdauer auch in Fällen, wo man stundenlang keinen Erfolg hat. Es eignet sich für Menschen, die gern und viel reden, sich gern mit Menschen beschäftigen, hart und auch im Team arbeiten können.
Kurzbericht meiner ehemaligen Kollegin, Marisa Marchl (19) aus Österreich, Steiermark
„Ich fand diese 5 Wochen unvergesslich, lehrreich und voller Erlebnisse!! Man lernt die Leute nämlich von einer ganz anderen Perspektive kennen, ganz anders, als man es immer im Fernseher sieht. Denn in den Medien wird der Großteil Deutschlands als asoziales, armes und arbeitsloses Volk dargestellt. Vor allem auch die Ausländer wie Türken, Russen usw. werden als Verbrecher abgestempelt. Doch ich habe zum Glück die Erfahrung gemacht, das alles von einer anderen Seite kennen zu lernen. Natürlich gab es auch sehr viele alte, kranke Menschen und arbeitslose Hartz IV-Empfänger (finanzielle Hilfe für Arbeitslose), doch das war immer noch die Minderheit. Der Großteil war Mittelschicht und konnte noch gut für die eigene Familie sorgen und hatte noch ein paar Euro übrig, um für das Rote Kreuz zu spenden. Manchmal musste ich auch leider des Öfteren hören, dass die Leute schon Mitglied beim Arbeitersamariterbund, Diakonie, Malteser, DLRG (Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft) oder sonstigen Vereinen dabei sind. Aber dabei merkt man dann wirklich, dass doch viele ein gutes Herz haben und gerne bereit sind, ein paar Euro für eine gute Sache zu spenden.
Die Arbeit an sich hatte mir sehr viel Spaß gemacht. Obwohl es am Anfang ganz und gar nicht einfach war. Doch mit der Zeit bekommt man dieses Fingerspitzengefühl, wie man die Leute richtig überredet, überzeugt oder auch hart gesagt manipuliert. Und wenn man diesen Dreh heraus hat, dann macht die Arbeit richtig Spaß, denn man ist den ganzen Tag an der frischen Luft, wird am schönen Tag sogar ein bisschen braun bzw. rot. Man hat viel Bewegung, lernt Leute kennen, erfährt Geschichten über den Krieg (was meistens ältere Leute erzählen), also, man hat sozusagen auch Geschichtsunterricht, aber auch Geschichten aus dem Alltag. Man bekommt auch hin und wieder Kaffee und Kuchen serviert, an heißen Tagen auch eine Flasche Apfelschorle und was Süßes, und nebenbei verdient man auch Geld. Also einen schöneren Arbeitstag kann man sich gar nicht vorstellen.“
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