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Zeitung << 2/2008 << Kreativität, Literatur und Kunst unter einem Hut


Kreativität, Literatur und Kunst unter einem Hut
Ein Gespräch mit der Österreichlektorin Marion Rutzendorfer

Autorin: Krisztina Szilaski

Kunst, Wiener Sezession, Gustav Klimt, die Zeitschrift „Ver Sacrum” und ein kleiner Stadtrundgang in Szeged – so etwas erlebt man nicht in jedem Kurs als Studierende. Im Sommersemester 2008 besuchte ich den Kurs Gesamtkunstwerk und die Jahrhundertwende bei der Österreichlektorin Marion Rutzendorfer. Der Kurs war schon mit Literatur, Kunst und Kreativität überfüllt. Selbst die Referatsthemen waren interessant. Wir konnten über Gustav Klimt, über den Beethovenfries hören und ich selbst habe über die grafischen Darstellungsweisen gesprochen. Für diejenigen Germanistikstudierenden, die sich auch für Kunst interessieren, lohnt es sich wirklich einen ähnlichen Kurs zu belegen. Als Kunstliebhaberin freute ich mich sehr darüber, dass Frau Rutzendorfer uns so sehr in die Thematik Sezession vertiefte.

Wie fühlen Sie sich hier an der Uni Szeged als Österreichlektorin?
Überaus nette KollegInnen und StudentInnen sowie eine wunderbare Stadt mit vielen kulturellen Angeboten, die ein – scheint’s – gut gehütetes Geheimnis vorm unliebsamen Massentourismus ist, machen es einem unglaublich leicht, sich hier gut aufgehoben zu fühlen. Die Universität bzw. StudentInnen prägen die ganze Stadt und man spürt viel frischen Wind. Auch in der Germanistik ist immer was los, seien es Veranstaltungen, Konferenzen oder Partys. Es ist wirklich ein gutes Gefühl hier zu leben und an dieser Fakultät zu arbeiten.

Sind Sie mit der Aktivität der ungarischen Studierenden in den Seminaren zufrieden?
Diese Frage sollte wohl eher umgekehrt werden und den Studierenden gestellt werden. Von meiner Seite her kann ich nur sagen, dass ich sehr froh über ihre Offenheit, ihr Interesse und das an den Tag gelegte Engagement bin.

Sprechen die ungarischen Studierenden Ihrer Meinung nach oft genug in den Seminaren?
Die Scheu der ungarischen Studierenden davor frei zu sprechen ist völlig unbegründet. Es ist bekanntlich noch kein Meister vom Himmel gefallen und besser man nützt jede sich bietende Gelegenheit eine lebendige Sprache auch zu sprechen, als sich aus Angst vor Fehlern manchmal lieber in Schweigen zu hüllen. Aber das ist kein Spezifikum ungarischer Studierender. Ich weiß selbst, dass man nicht immer zu allem was zu sagen, bzw. die passende Antwort parat hat.

Ist Ihrem Eindruck nach die österreichische Literatur unter den ungarischen Studierenden beliebt? Welche Autoren würden Sie uns empfehlen?
Dadurch, dass sich in Szeged ein Lehrstuhl für österreichische Literatur und Kultur sowie eine eigene Österreichbibliothek befindet und dass es ein reichhaltiges Angebot an Wissens- und Lesenswertem aus allen Sparten gibt, ist Motivation und Interesse genug gegeben, dass die Studierenden auch zu den dort vertretenen AutorInnen greifen, die die gesamte zeitgenössische deutsche Literaturszene prägen. Leseempfehlung möchte ich aber keine abgeben, einzig die Anregung auch mal auf vielleicht weniger bekannte Autoren zurückzugreifen und in den Regalen zu schmökern um nicht nur für den Unterricht, sondern auch aus Spaß an der Freude zu lesen.

Haben Sie die Möglichkeit in irgendwelcher Form die ungarische Sprache zu erlernen?
Ich hatte bis dato keine großen Probleme meine Sprachkenntnisse in den Ländern, in denen ich längere Zeit zubrachte, zu vertiefen, aber das Ungarische gibt mir die eine oder andere harte Nuss zu knacken auf. Im Unterschied zu früher, hatte ich auch keinerlei Vorkenntnisse, aber als liebste Ausrede für den immer noch schleppenden Fortschritt schiebe ich gern mein hohes Alter vor (sie lächelt). Aber ich sehe schön langsam den Lichtschein am Ende des Tunnels: Letztes Semester begann ich mit einem tollen Einführungskurs hier in Szeged, der sich leider zeitlich manchmal mit meinen eigenen Kursen überschnitt. Neben dem Erweitern meines Passivwortschatzes mittels Radio und TV, das ich auch den Studierenden immer ans Herz lege, habe ich – was das Sprechen betrifft – in der Zwischenzeit auch mehrere Bekannte gefunden, mit denen ich sogenannte Sprachtandems mache (Deutsch-Ungarisch/ Englisch-Ungarisch). Und weil jeder in meiner Umgebung so von der Summerschool Debrecen schwärmt, werde ich auch bald diese austesten bzw. sie mich.

Sie halten auch Phonetik-Kurse in Szeged. Welche Erfahrungen haben Sie dabei?
Schon letztes Semester hatte ich Gelegenheit mich mit dem Phonetik-Labor einigermaßen vertraut zu machen. Ich hoffe in diesem Semester die Technik gleich von Anfang an auf meiner Seite zu haben und werde versuchen so viel authentisches Material wie irgend möglich in den Unterricht einfließen zu lassen und die Studierenden so gut als möglich die Scheu vor freiem Sprechen zu nehmen.

Sie haben an der Universität Wien Vergleichende Literaturwissenschaft als Studium gewählt. Waren Sie schon damals Sezessionsliebhaberin?
Auf mein Studium hatte die Sezession vor allem insofern Einfluss, als dass mein Kunstvermittler-Dasein selbiges finanzierte. Ansonsten habe ich mich inhaltlich – im Hinblick auf mein Zweitstudium Französisch – vermehrt auf die wechselseitige Einflussforschung literarischer Strömungen aus diesen beiden Sprachen konzentriert. Während meiner Tätigkeit in der Sezession (www.sezession.at) wuchs allerdings nicht nur mein Interesse an zeitgenössischer Kunst, sondern auch an Künstlern der Jahrhundertwende, die den Sezessionsstil mitbegründeten. Dieses Interesse ist noch immer so lebendig, dass ich mich im Rahmen meiner Dissertation mit den Auswirkungen der damals dort publizierten Kunstzeitschrift “Ver Sacrum” beschäftige.

2005-2007 waren Sie Assistentin des Dokumentarfilmproduzenten Kurt Mayer. Wie kamen Sie in Verbindung mit ihm?
Der Blick hinter die Kulissen einer Dokumentarfilmfirma war für mich ziemlich spannend. Wenn man so will, war ich einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Eine Kollegin hat mir von der Stellenausschreibung berichtet, schwupps war ich dran und bald war ich drin.

Und wie haben Sie es erlebt?
Was mir besonders gefallen hat, war die rasante Abfolge von immer neuen Ideen und Projekten. Während ein Film im Kino oder TV läuft, wird der zweite gerade gedreht und ein dritter ist geplant bzw. bei einer Förderstelle zu präsentieren. So verschieden die Themen sind, so verschieden sind auch die Aufgaben, die Drehorte, die Filmteams, und ich lernte ständig Neues. Die Kurt-Mayer-Film (www.kurtmayerfilm.com) ist kein unpersönliches großes Unternehmen, sondern eine kleine, feine Firma mit eher familiärer Atmosphäre. So war zum Beispiel das Herzstück und Besprechungszentrum der Firma ein wunderschön geräumiger Küchentisch und die Berlinale-Premiere des letzten Film-Projekts “Prater” fiel just auf meinen 30. Geburtstag, wodurch die Premierenfeier spontan um eine Geburtstagsfeier erweitert wurde. Filmfestivals waren natürlich ein besonderes Zuckerl, aber man glaubt kaum, wie viel Tages- und Nachtzeit im Durchschnitt von den verschiedenen Teammitgliedern in jede Phase eines (z.B. dort gezeigten) Filmes investiert wird. Und wenn ich vorhin schon das Wort Zuckerl in den Mund genommen habe, dann bleiben wir auch gleich bei der Zuckerseite des jetzigen Berufes, der es erlaubt, dass das Arbeiten an meiner Dissertation bzw. einem Forschungsprojekt nahtlos in den Beruf übergehen kann.

Planen Sie in der Zukunft auch an anderen ausländischen Universitäten als Österreichlektorin zu arbeiten?
Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Offen gestanden war weder mein Jobwechsel zur Österreichlektorin noch meine Bewerbung nach Szeged geplant und stellte sich doch als eine wirklich wunderbare Gelegenheit heraus nicht nur einer sehr spannenden neuen, sondern auch dem (Fremd)bild der eigenen Kultur näher zu kommen sowie neue Freunde zu finden und interessante Menschen kennen zu lernen. So etwas lässt sich nur schwer vorab planen und auf diese Weise macht einem das Überrascht-Werden wirklich großen Spaß.