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Zeitung << 2/2008 << Fassbinder-Universum


Fassbinder-Universum
Eine Woche Fassbinder im Grand Café

Autorin: Noémi Benedek

Wer könnte Germanistik­stu­dentIn sein, ohne den Namen von Fassbinder zu kennen? Vielleicht hatten die Organisatoren von Fassbinder-Universum ähnliche Gedanken im Kopf, als sie diese phänomenale Woche für uns veranstaltet hatten.

Diese besondere Woche wurde von dem Dozenten des Szegeder Instituts für Germanistik Attila Bombitz und von der Direktorin des Szegeder Studentenwohnheims Móra Ágnes Erdélyi mit sehr großem Einsatz organisiert. Das Goethe Institut Budapest unterstützte die Veranstaltung.
Im Grand Café konnten die Interessenten in Szeged von Montag bis Donnerstag acht von den größten Fassbinder-Filmen sehen, und dann am Freitag wurde ein Vortrag über Fassbinder organisiert und ein Dokumentarfilm über ihn gezeigt, beide waren faszinierend und unvergesslich. In dem Vortrag sprach der Dozent der Budapester Universität ELTE Balázs Varga über den neuen deutschen Film und die drei großen Regisseure, die zu dieser Kategorie gehören: Wenders, Herzog und Fassbinder.
Obwohl ich als Germanistikstudentin an dieser Film-Woche teilgenommen habe, habe ich mit einem kleinen Handikap begonnen, weil ich – wegen des Minorstudiums, das fast keine Seminare zum Thema Filmkultur enthält – weniger Vorbilder über den neuen deutschen Film hatte als die anderen. Deswegen war der Vortrag von Balázs Varga für mich besonders informativ.
Als ersten Film von Fassbinder habe ich Effi Briest gesehen, und ehrlich gesagt, ich habe ihn ein bisschen langweilig gefunden. Aber nach der Ehe der Maria Braun war ich schon sicher, dass diese Langweile nur daran lag, dass ich kein Vorwissen über Fassbinder-Filme hatte. Die Ehe der Maria Braun machte mir nämlich Lust und Laune zu diesem Fassbinder-Universum und auch zu den deutschen Filmen. Seitdem habe ich alle Filme gesehen, zu denen ich diese Woche keine Zeit mehr wegen des Unterrichts hatte. Und ich gab Effi Briest noch eine Chance, und so – beim zweiten Mal – war sie überhaupt nicht langweilig, sondern interessant und die schönste Geschichte, die ich in meinem Leben gehört hatte. Ich kann den Film nur allen empfehlen.
Ich möchte so den Organisatoren schönen Dank sagen, es war ein unvergessliches Erlebnis, in Ungarn vielleicht kaum gezeigte Filme von Fassbinder zu sehen.


Rainer Werner Fassbinder

Rainer Werner Fassbinder ist am 31. Mai 1945 in Bad Wörishofen (Bayern) geboren, und wuchs nach der Scheidung seiner Eltern bei seiner Mutter auf. Der 16-jährige Fassbinder brach das Gymnasium ab und zog zu seinem Vater nach Köln. In diesen Zeiten verfasste er die erste Gedichte, Kurzgeschichten und Filmtreatments. Schon in diesen jungen Jahren interessierte er sich für das Filmemachen, aber sein großer Traum, eine Film-Hochschule zu besuchen, ging nicht in Erfüllung. 1967 stieß Fassbinder auf das Action-Theater und wurde von der jungen Gruppe (Ursula Strätz, Peer Raben, Kurt Raab u.a.) als Regisseur und Ensemblemitglied aufgenommen, woraus kurz danach sein antiteater hervorging. In diesem Theater arbeitete er zuerst mit seiner sehr geliebten Schauspielerin, Hanna Schygulla zusammen.
Von 1970 bis 1972 war Fassbinder mit der Schauspielerin Ingrid Caven verheiratet, die sich über ihren ehemaligen Mann so äußert: „Ich glaube, Rainer hat sich die Leute einfach ausgesucht. Bei Hanna Schygulla wusste er ja schon sehr früh und sehr klar, dass sie seine Hauptdarstellerin sein würde. Und ich war dann sozusagen die Frau fürs Private.“ Neben seiner Frau hatte er eine Beziehung zu Günther Kaufmann, und von 1971 bis 1974 lebte er mit dem marokkanischen Schauspieler El Hedi ben Salem zusammen. Dann entwickelte er das Projekt, mit einer Gruppe gut aufeinander eingespielter Schauspieler und Techniker schnell hintereinander Filme mit geringem Budget zu produzieren und zu drehen: „Viele Filme machen, damit mein Leben zum Film wird.“ Seine zwischen 1971-1974 gedrehten Filme, wie Die bitteren Tränen der Petra von Kant und Angst essen Seele auf, und seine Arbeit an dem Bochumer und Frankfurter Theater brachte ihm internationale Anerkennung. Obwohl der Stil seiner Filme besser und das Budget der Filme immer größer wurde, blieb der Erfolg in den Kinos aus. Nur für seinen vorletzten Film gewann er den Goldenen Bären der Berlinale.
Fassbinder schuf weitere wichtige Frauencharaktere der Nachkriegsfilmgeschichte: Fontanes Effi Briest, Maria Braun und Lili Marleen, dargestellt von Hanna Schygulla. In dem Film Lola spielte Barbara Sukowa die Hauptrolle. Die dargestellten Frauencharaktere gingen in die Filmgeschichte ein, und ihre Darstellerinnen erlangten eine Bekanntheit, die es ihnen ermöglichte, eine von Fassbinder unabhängige Karriere zu verfolgen.
Seine Fernsehserie Berlin Alexanderplatz wurde nach der Novelle von Alfred Döblin angefertigt, und zurzeit wird sie bei Festivals und Retrospektiven gezeigt, wie in unserem Fall, im Grand Café am Wochenende.
Fassbinder starb am 10. Juni 1982 in München während der Arbeit bei der Fertigung seines letzten Projekts Querelle, im Alter von 37 Jahren an Herzversagen, herbeigeführt durch eine Mischung aus Kokain, Schlaftabletten und Alkohol.