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Zeitung << 2/2008 << Opernwettbewerb in Szeged


Opernwettbewerb in Szeged
Ein Geschenk für das Theater zu seinem 125. Geburtstag

Autorin: Anita Arnold

2008 bekam „die Stadt der Sonne“ eine außergewöhnliche Möglichkeit, und konnte zwei Wochen lang (3.-17. November 2008) Gastgeber für das Finale des Opernwettbewerbs des Senders Mezzo werden. GeMa hatte die Möglichkeit bei Aufführungen der deutschen Regisseure und bei der Gala dabei zu sein. Die Veranstaltung war auch eine gute Werbung für die Stadt und das Theater. Dank Mezzo konnte die Sendung in mehr als 39 Ländern ausgestrahlt werden.

Das ganze fing noch 2007 an, als die Armel Produktion, das Freie Theater von Szeged, die Pannon Philharmoniker und Mezzo gemeinsam einen internationalen Wettbewerb ins Leben riefen. Das Ziel war einerseits, dem Publikum eine breite Palette an Stücken zu zeigen, unter anderem mit besserer Ausstattung. Der Wettbewerb ist andererseits deshalb so außergewöhnlich, da neben der Stimme auch bewertet wird, wie die Sänger damit umgehen können und über welche schauspielerischen Fähigkeiten sie verfügen.
Ihr Spiel wurde auch von einer professionellen Jury bewertet und der beste Sänger und die beste Sängerin wurden so ermittelt. Die Gewinner bekommen ein Engagement für einen selbständigen Abend. Dieser wird auf der Bühne der Szegediner Freilichtspiele vor dem Dom vorgetragen und am 21. August 2009 von Mezzo gesendet. Die fünf Partneropernhäuser waren: Dicapo Opera Theatre (USA), Balti Opera (Polen), Opéra de Rennes (Frankreich), Theater Bremen (Deutschland) und das Szegeder Nationaltheater (Ungarn). Folgende Aufführungen gab es beim Festival zu sehen: Francesco Cilea: Adriana Lecouvreur, Gershon Kingsley – Michael Kunze: Raoul, Robert Ward: Die Hexen von Salem, Benjamin Britten: Die Entehrung Lucretias, und Heinrich Marschner: Der Vampir.
Um zum Finale zu gelangen, mussten sich die Bewerber durch zwei Runden kämpfen. Die Jury, die neben den drei Direktoren der Gastopernhäuser (Michael Capasso, Alain Surrans, Jerzy Snakowsky), aus dem Direktor des Senders Mezzo (Philip de la Croix), aus der weltberühmten ungarischen Opernsängerin (Éva Marton) und einem russischen Regisseur (Anatoli Alexandrowitsch Vasiljev) bestand, hat die besten Sänger aus fünf verschiedenen Ländern ausgewählt, in New York, Gdansk, Rennes, Bremen und natürlich in Szeged. Für den ersten Durchgang meldeten sich rund 350 Opernsänger aus 23 Ländern und davon haben es nur insgesamt 77 in die zweite Runde geschafft.
Das Halbfinale fand in Szeged statt, im Rahmen des Festivals, wo bei den Wettbewerbsvorstellungen die fünf Regisseure (Michael Sturm, Julia Haebler, Róbert Alföldi, Péter Telihay, Zoltán Balázs) die 20 endgültigen Teilnehmer auswählten, und so konnte das Finale beginnen.
Vor den Aufführungen gab es immer ein Publikumstreffen, bei denen man die Regisseure, die Direktoren der einzelnen Theater, die Komponisten und andere Teilnehmer treffen und mit ihnen ein Gespräch führen konnte. Das ganze wurde von Tamás Pál, dem ersten Kapellmeister des Theaters in Szeged organisiert. Natürlich war die erste Frage immer: Warum sie gerade dieses Stück gewählt haben, worauf Michael Sturm eine ausführliche Antwort gab, die er so begann: „I don’t know …“. In den Gesprächen ging es auch um den Preis: „Für mich steht der Preis nicht an der ersten Stelle“, - betonte Sturm – „danach müssen die Sänger streben. Meine Aufgabe ist es, ein Stück neu aufzuführen.“ Damit war auch die andere Regisseurin, Julia Haebler, einverstanden. Weiterhin wurde auch darüber gesprochen, was wir am Abend sehen werden, wie das Verhältnis mit den Sängern war, und was sie von den Stücken erwarten. Auf die Frage des GeMa, ob sie sich eine weitere Zusammenarbeit mit dem Szegeder Theater vorstellen können, antwortete Kingsley und der Direktor des Theaters in Berlin: „Wir sind offen für eine Zusammenarbeit.“ Wir sind gespannt, wie es sich schließlich realisiert.

Zwei Opern mit deutscher Regie
Die erste Vorführung war das Stück von Arturo Canelli Adriana Lecouvreur, in der Inszenierung des deutschen Regisseurs Michael Sturm. Er schuf „ein Theater im Theater“, mit der Hilfe von Schauspielergarderobe als Hintergrund: In der Geschichte geht es um Adriana, die Schauspielerin, der der königliche Marschall Maurizio den Hof macht, aber der zugleich auch der Liebhaber der Herzogin Boullion ist, aber mit ihr wegen Adriana Schluss machen will. So ergibt sich ein Liebesdreieck, und es endet mit dem Tod der Schauspielerin: die Herzogin schickt ihr in Maurizios Namen einen vergifteten Blumenstrauß. Sie stirbt in den Armen ihres Geliebten.
In diesem Stück konnte auch die ungarische Wettbewerbskandidatin Marianna Bódi zeigen, was sie zu leisten vermochte, und spielte die Rolle der alkohol- und drogensüchtigen Herzogin Boullion. Mir gefiel das Stück, das Thema war traditionell, die Kostüme auch zeitgemäß, die Kulisse jedoch ganz modern: eine Umkleidekabine wurde als Hintergrund aufgestellt, was auch diesen Theater-im-Theater-Effekt betonte.
Als Nächstes wurde die Uraufführung von Gershon Kingsley (auch der Komponist vom Popsong „Popcorn“) und Michael Kunze Raoul auf die Bühne gebracht, auch von einer deutschen Regisseurin, Julia Haebler, inszeniert. Sie wollte betonen, dass „der Mensch in unmenschlicher Lage auch ein Mensch bleiben kann“. Sie führt die Geschichte in die Zeit der Judenverfolgung zurück, und bearbeitet das Leben des bekannten Judenretters Raoul Wallenberg. Das Ganze ist ähnlich wie im Film Schindlers Liste oder im Perlasca: In seiner Jugend wird der schwedische Händler Raoul Wallenberg Augenzeuge, wie deutsche Soldaten einen Judenjungen ermorden. Er erfährt von den Grausamkeiten des SS-Offiziers Eichmann in Ungarn, und infolgedessen fährt er nach Budapest, wo er versucht, die Verfolgten zu retten, indem er als schwedischer Diplomat Reisepässe und Papiere ausfüllt. So rettet er auch ein junges Paar, Rahel und Serge, der aber zuletzt sein Schicksal freiwillig mit den Genossen teilt und stirbt. Inzwischen kämpft Raoul weiterhin gegen die Methoden Eichmanns, und schließlich bekommt er Ärger: er wird beschuldigt, er sei ein amerikanischer Spion. Er rettete das Leben von mehreren hundert Juden, aber am Ende bleibt sein Schicksal offen: er wird nach dem Verhör abgeführt. Zum Glück, spritzte nicht das Blut, auf die Hinrichtungen deuteten mehrere Paar Schuhe, die vorne auf der Bühne, die aus einem Marmorstein bestand, aufgereiht wurden. Ich fand es sehr toll, dass der Chor eine große Rolle spielte, nur schade, dass die Akustik nicht so richtig funktionierte, da man oft den Gesang nicht hören konnte, als das Orchester spielte. Auch hier waren die Kostüme zeitgetreu, und was mir am besten gefallen hat, war eine Kamera, mit der man Raouls Gesicht verfolgte, so konnte man ihn immer mit einer Archivaufnahme sehen und damit auch seine Wirkung und Person betonen.
Adriana Lecouvreur wurde in italienischer, Raoul in englischer Sprache aufgeführt, trotzdem gab es immer ungarische und französische Untertitel. In beiden Aufführungen war das Symphonieorchester von Szeged für die gute Musik zuständig.
Das ganze Festival wurde am Ende mit einer Gala am 17. November abgeschlossen, bei der die Sänger aus anderen berühmten Opern einige Auszüge vorsangen, solo oder im Duett. Das Orchester des Festivals war das Pannon Philharmonic Orchestra, das man auf der Gala glücklicherweise auch auf der Bühne sehen konnte. Auf dem Programm standen unter anderem Figaros Hochzeit, Der Barbier von Sevilla und Don Giovanni. Im zweiten Teil der Gala wurden dann die Besten prämiiert. Der Preis für den besten männlichen Vortragskünstler – laut Jury – ging an Adam Diegel, für seine Rolle in Adriana Lecouvreur als Maurizio, und für die beste weibliche Schauspielerin bekam Janja Vuletic diese Anerkennung, die in Die Entehrung Lucretias die Hauptrolle spielte. Den Publikumspreis für die beste Aufführung des Festivals gewann Die Hexen von Salem, inszeniert von Róbert Alföldi. Den Publikumspreis für den besten Darsteller bekam Marcin Habela, der im Raoul Raoul Wallenberg spielte.
Obwohl man solche Aufführungen und Wettbewerbe nur selten zu Gesicht bekommt, war leider das Szegediner Theater nie voll, vielleicht auch wegen der – für uns Ungarn – teuren Karten und der niedrigen Zahl der Opernfreunde in Szeged. Für diejenigen, die sich jedoch die Stücke im Theater angesehen haben, war der Opernwettbewerb zweifelsohne ein großes Erlebnis. Man darf auf die Fortsetzung gespannt sein.