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Zeitung << 1/2009 << „Ist es eine Komödie? Ist es eine Tragödie?“


„Ist es eine Komödie? Ist es eine Tragödie?“
Thomas Bernhard Symposium in Szege

Autor: Sándor Török

Erneut hatte der Kulturfreund die Freude, im neuen Semester etwas Weiterführendes aus dem Gebiet der österreichischen Literatur in gelöster Stimmung im multimedialen Rahmen des Cafés, das für derartige Ereignisse nicht nur unter Germanisten bekannt ist, und unter Teilnahme von international bekannten Bernhard-Forschern überreicht zu bekommen. Mit dem Titel „Ist es eine Komödie? Ist es eine Tragödie?“ wurde das Symposium zum Werk von Thomas Bernhard, nach seiner gleichnamigen Erzählung benannt, anlässlich seines 20. Todestages im Szegeder Grand Café am 15-16.03.2009 vom Lehrstuhl für österreichische Literatur und Kultur an der Universität Szeged in Zusammenarbeit mit der Thomas Bernhard-Privatstiftung Gmunden, dem Österreichischen Kulturforum in Budapest, im Gedenken auch an den Bernhard Forscher Wendelin Schmidt-Dengler, ins Leben gerufen. Wendelin Schmidt-Dengler starb am 07.09.2008, dessen Arbeiten bei den Bernhardkennern zur Basislektüre gehören.
Die Aufgabe dieses Symposiums war eine Auseinandersetzung mit dem Bernhardschen Lebenswerk, und mit den Allgemeinproblemen einer Bernhard-Lektüre. Es standen autonome Interpretationen auf dem Programm, von Kollegen unter anderem aus Tschechien, Rumänien, und Tunesien. Die Kino-Umgebung machte es auch möglich, sich mit den Dramoletten, und anderen Bühnenstücken von Bernhard beschäftigen zu können, wie es auch Eleonora Ringler-Pascu und Manfred Mittermayer direkt am Anfang gemacht haben.
Mit diesem Ziel waren auch bekannte Namen der Bernhard-Forschung in Szeged vertreten: Martin Huber, Leiter des Thomas Bernhard Archivs in Gmunden, die Monographisten Manfred Mittermayer und Hans Höller aus Salzburg. Die Studenten, die diesen Kurs besuchten, haben auch in großer Zahl an der Veranstaltung teilgenommen und ihren Nationalfeiertag geopfert, wie es Lehrstuhlleiter Károly Csúri in seiner Eröffnungsrede formuliert hatte. Ein Opfer war es allerdings nicht, sondern ein Ereignis, das sich auf jeden Fall gelohnt hat.


Thomas Bernhard

Thomas Bernhard wurde 1931 in Heerlen (Holland) geboren. Er starb 1989 in Gmunden (Oberösterreich). Eine zerstörerische Kindheit, vernichtende Studienzeit, Aufenthalte in Lungenheilstädten werden immer als grundsätzliche Lebenserfahrungen dieses Autors erwähnt. Bernhard, der Übertreibungskünstler, und seine Werke haben nach dem Zweiten Weltkrieg die österreichische Öffentlichkeit so polarisiert, wie keiner vorher. Er begann seine Kariere als Skandalschriftsteller, wurde aber am Ende so berühmt, dass er es sich noch vor seinem Tod, 50 Jahre nach dem Anschluss künstlerisch leisten konnte, mit seinem Bühnenstück „Heldenplatz“ (1988) dem österreichischen Staat ein letztes Mal einen Spiegel vorzuhalten. Literarische Preise und Skandale haben diese Erfolgsgeschichte begleitet. Lebende Personen haben sich in den Romanfiguren erkannt und den Autor wegen Verleumdung angeklagt, mit eher wenig Erfolg. Die Preisverleihungen waren auch nicht immer unproblematisch. Bernhard hatte oft den Drang, auf solchen öffentlichen Veranstaltungen seine persönliche – oft radikale – Meinung zu äußern. Seine kompromisslose Kritik ist noch mehr in den Werken zu spüren, der Staat, die Kirche, die Gesellschaft haben immer etwas von den Hasstiraden der Bernhardschen Protagonisten abbekommen. Viele werden in den Werken kompromisslos als ex-Nazis, oder nur als Nazis bezeichnet, wenn nicht, dann sind alle Stumpfsinnige. Die Polizei hat damals eines seiner Werke auch noch beschlagnahmt, aber derartige Eingriffe haben ihn noch mehr in der Überzeugung gestärkt, dass er mit diesem Staat, Österreich, „nichts mehr zu tun haben will“, wie es auch die berühmte Zeile seines Nachlasses eindeutig beschreibt. Die ersten großen Erfolge kamen nach dem Roman „Frost“ (1963), mit dem er den typischen Bernhardschen Protagonisten eingeführt hat. Der Maler Strauch hält immer große, übertriebene Vorträge über das Leben, die Kunst und den Geschmack in einem überaus kritischen Stil und geht am Ende verloren, und „naturgemäß“ zu Grunde, wie andere spätere Bernhardschen Figuren auch. Die Bernhardschen Werke haben mit der Zeit ihre eigenen, autonomen Qualitätsstandards aufgebaut, in diesem Sinne ist es schwer, sie mit den alltäglichen Kategorien der Literaturwissenschaft aufzufassen. Zu viele potenzielle Interpretationswege liegen um die Werke herum, um sich diesen zum Beispiel nur aus der Sicht des postmodernen Sprachspieles anzunähern, oder es nur mit den einzelnen Punkten des Lebens von Bernhard übereinstimmen zu lassen. Überaus charakteristisch ist aber in der Prosa von Bernhard eine sogenannte Mündlichkeitsfiktion, die den Rhythmus der gesprochenen Sprache darzustellen versucht. Mit ständigen Wiederholungen, mit mentaler Verwirrtheit, aber auch mit Aggression werden die Tiraden von den Figuren in die Welt gedrückt. Die fast unendlichen, verschachtelten Sätze haben auch oft einen paradoxen Kern in sich. Es ist ein System des „Einerseits und Anderseits“. Eine Aussage wird oft zurückgenommen und durch etwas anderes ersetzt, und so lesen wir diese Monologe als ein mögliches Denkverfahren der Figuren, indem sie hin und her, auf- und abgehen. Die Fachliteratur erwähnt oft den Ausdruck der Anti-Idylle im Zusammenhang mit der Textwelt der Bernhardschen Werke. Mit den Thesen der Postholocaustliteratur könnte vieles ebenso untermauert werden, aber zu viele Ideen und Richtungen können durch Textauszüge gültig gemacht werden, die mit einem anderen Textausschnitt wieder unbrauchbar gemacht werden können. Allgemeinprobleme einer Bernhard-Lektüre. Nach der Reihe der ersten Erfolgsromane, wie „Frost“, „Verstörung“ und „Kalkwerk“, kamen nach 1975 autobiographisch konzipierte Werke ans Tageslicht, bereits zu einer Zeit, in der unser Autor schon bekannt war, und deshalb ein allgemeines Interesse am Leben des Autors unter den Lesern und in der Presse bestand. Diese Werke, angefangen mit „Die Ursache – eine Andeutung“ (1975), beinhalten reale Ereignisse der schweren Kindheit von Bernhard (Bombardierung von Salzburg), aber es wäre falsch, diese als hundertprozentige Dokumente seines Lebens aufzufassen. Und es wäre noch unangebrachter, seine Werke als rein autobiographisch zu bewerten, dafür haben diese zu viele andere Bausteine in sich. Neben den Romanen und den Erzählungen hat dieser Künstler auch eine große Auswahl an Bühnenstücken hervorgebracht. Sein Bildungshintergrund, die Studienzeit im Mozarteum, der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Salzburg, kann uns die Wahl und den Umgang mit diesem Genre verständlich machen. Seine Stücke beinhalten auch viel Typisches, was die Sprache und die Figuren angeht. Ex-Nazis kommen vor, einige sterben immer am Esstisch, ein Stück beginnt mit aufgebahrten Särgen, oder ein anderes mit dem Satz: „Bochum soll mich am Arsch lecken…“, aber die Erfolge bei den Salzburger Festspielen blieben deswegen nicht aus. Ein kompromissloser Kritiker, dessen Prosa sich nicht ohne Schwierigkeiten behandeln lässt. Wir haben typische Figuren, die oft vieles aus dem Inneren des Autors an sich haben, eine unverwechselbare Sprache, oder Sprachspielsammlung, Protagonisten, die meist an ihrer Beschäftigung zu Grunde gehen. Staat, Kirche werden ständig beschimpft, eine herkömmliche Erzählstruktur der Werke wird oft in Frage gestellt, aber Bernhards Werke sind dann doch in mehr als 40 Sprachen übersetzt worden.