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Zeitung << 1/2009 << Französische Eleganz und akzentfreies Deutsch


Französische Eleganz und akzentfreies Deutsch
Gespräch mit Prof. Dr. Martine Dalmas

Autorinnen: Viktória Kóger, Anikó Mészáros

Martine Dalmas, Professorin der Universität Paris-Sorbonne, hat am 1. und 2. April 2009 zwei sehr interessante Vorträge über die Konstruktionsgrammatik und Diskusmarker an der Universität Szeged gehalten. Sie war besonders froh, als sich am Ende ihres Referates eine kleine Diskussion unter den Teilnehmenden entwickelte. „Die Aktivität und die Begeisterung der ungarischen Studierenden war für mich eine positive Erfahrung“ – sagte sie.

Martine Dalmas war nicht das erste Mal in Szeged. Als Leiterin der französischen, mit dem IDS (Institut für Deutsche Sprache) kooperierenden Forschungsgruppe des internationalen Projekts Eurogr@mm war sie schon 2007 im Rahmen einer dreitägigen Konferenz zu Gast bei uns (vgl. GeMa 2/2007). Die prominente Linguistin hat eine äußerst inspirierende, unmittelbare Persönlichkeit, und u.a. waren wir deshalb sehr dankbar, dass wir die Möglichkeit hatten, mit ihr ein angenehmes Gespräch zu führen.

Wie haben Sie damals als Studentin ihre wissenschaftliche Karriere angefangen? Sie sind ein gutes Vorbild!
Ich bin doch kein Vorbild. Ich habe sehr zufällig Deutsch gelernt. Ich habe nie gedacht, dass ich einmal Germanistik studieren werde, da es in Frankreich nicht so viele Leute studieren. Ich habe sehr viel gearbeitet und es dann am Ende geschafft. Ich denke, wenn man viel arbeitet, schafft man es doch. Es ist sehr wichtig, nie aufzugeben! Für Sprachwissenschaft habe ich mich immer interessiert, aber die Germanistik ist in Frankreich nach Literatur ausgerichtet und ich mag die Literaturwissenschaft nicht. Später habe ich die Prüfung abgelegt, um Lehrer zu werden. Das war für mich die Grundlage und die Voraussetzung, Geld zu verdienen. Nach der Prüfung habe ich weitergemacht, habe in der Sprachwissenschaft an der Universität Lyon II. promoviert und später an der Sorbonne habilitiert. Das war interessanterweise irgendwie der Anfang vom Ende.

Wo haben Sie so perfekt Deutsch gelernt?
Sprechen habe ich in Deutschland gelernt. Deutsch hatte ich in der Schule, wie auch Latein. Da in Frankreich die Sprachstunden in französicher Sprache gehalten wurden, musste ich bei jedem Satz 3-5 Minuten überlegen, welches Wort in welcher Form kommt. Das war eine Katastrophe.
Bis zum Abitur konnte ich gar nicht frei sprechen. Als ich anfing, Germanistik zu studieren, war ich noch nie in Deutschland gewesen. Ich konnte überhaupt nicht verstehen, wenn jemand Deutsch gesprochen hat. Ich war total deprimiert. Die Fach Germanistik hat wenig mit Sprechen zu tun.
In den ersten Monaten habe ich nichts verstanden, habe aber nach einiger Zeit festgestellt, dass die Vorlesungen für Fernstudierende im Radio laufen. So konnte ich alles aufnehmen. Jeden Abend habe ich neben dem Kassettenrekorder gesessen, die Texte gehört und sie auswendig gelernt. Manche Sätze musste ich zehnmal wiederhören. Nach einem Jahr war das Gerät kaputt. Es hört sich zwar blöd, aber doch interessant an, dass ich die Texte transkribiert und grammatisch korrekt umformuliert habe. Dann habe ich sie so eingeübt, als wenn ich Deutsch perfekt sprechen würde. Bei der Prüfung habe ich die besten Noten bekommen und von 100 Studenten war ich auf dem zweiten Platz gewesen.

Uns ist es aufgefallen, dass die Homepage des Instituts für Germanistik an der Sorbonne auf Französisch ist. Gibt es einen besonderen Grund dafür? Auf unserer Webseite in Szeged kann man zwischen zwei Sprachen wählen, zwischen Deutsch und Ungarisch.
Eine sehr gute Bemerkung, ich werde sie weitergeben, Sie haben recht. Es ist schade, dass es keine deutsche Version gibt. Wir Franzosen gehen davon aus, wenn die Leute sich in Frankreich für ein Studium interessieren, dann studieren sie auf Französisch. Aber dazu muss noch etwas hinzugefügt werden, nämlich unsere berühmte Sprachpolitik. Die Franzosen sind sehr stolz auf ihre Sprache, das hängt mit der blöden Kolonialgeschichte zusammen. Frankophonie spielt noch heute eine sehr wichtige, aber immer geringere Rolle in der Welt. Zum Beispiel nach dem Gesetz müssen die Doktorarbeiten in Französisch geschrieben werden. Wenn man sie in Deutsch schreiben möchte, muss es extra beantragt werden und wird nicht immer akzeptiert.

Wie hat es Ihnen hier bei uns in Szeged gefallen?
Szeged ist einerseits eine richtige Stadt, anderseits eine kleine, ruhige Stadt mit ruhigen Straßen, und da ich aus Paris komme, ist das hier eine ganz andere Welt. Es gefällt mir sehr gut. Was die gute Unterkunft betrifft, machen es einem die Kollegen immer angenehm. Hier an der Uni finde ich schön, weil es keinen Massenbetrieb gibt, es ist keine Massenuni. Ich würde gern jederzeit hier ein Blockseminar halten.