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Zeitung << 2/2009 << Eine Berliner Institution, die ungarische Interessen vertritt


Eine Berliner Institution, die ungarische Interessen vertritt
Das Collegium Hungaricum Berlin

Autor: András Horváth

Während des Journalistenworkshops im November 2009 hat den Teilnehmern das Collegium Hungaricum Berlin (CHB) einige wunderschöne und komfortable Apartments als Wohnraum zur Verfügung gestellt. Die zentral gelegene Unterkunft in Berlin Mitte hat uns ermöglicht, leicht zu den Veranstaltungen fahren und uns nach jedem anstrengenden Tag erholen zu können.
Es wäre aber eine Leichtsinnigkeit, das Collegium Hungaricum mit einem Hostel gleichzusetzen, auch wenn viele Leser das Wort ‚Collegium’ wegen seiner ungarischen Bedeutung als Wohnheim interpretieren könnten. Das CHB ist ein ungarisches Kulturinstitut in Berlin, das schon seit mehreren Jahrzehnten besteht und das multikulturelle Leben der deutschen Hauptstadt färbt.
Anlässlich unseres Aufenthaltes in Berlin haben wir den Direktor des CHB, Herrn János Can Togay, aufgesucht und mit ihm ein Gespräch über das Institut geführt.

Interview mit János Can Togay

Könnten Sie kurz die Schwerpunkte der Arbeit des ungarischen Kulturzentrums zusammenfassen?
Ich habe gerade ein Buch vor mir, zusammengestellt von der Kulturmarken GmbH. Ich zitiere: das Collegium Hungaricum Berlin ist ein interdisziplinärer Kulturort für Kunst, Wissenschaft, Technologie und Lebensart im Berliner Diskussionsraum, gefördert durch den ungarischen Staat. Das CHB engagiert sich mit seinem Know-how, seinem Anspruch auf Qualität, sowie seinen infrastrukturellen und technischen Gegebenheiten für die Erarbeitung relevanter Inhalte und dem kreativen Einsatz neuer Medien und Vermittlungstechniken. Das CHB versteht sich als aktiver Partner in der Berliner und deutschen Kulturlandschaft und steht stets offen für neue Impulse und Zusammenarbeit.

Im Jubiläumsjahr 2009 dreht sich in Deutschland alles um den Mauerfall. Durch welche Programme war das CHB bei den deutschen bzw. Berliner Feierlichkeiten 2009 vertreten?
Unser größtes und wichtigstes Programm in diesem Jahr war die Ausstellung „Deutsche Einheit am Balaton“. Natürlich hatten wir aber um den 9. November herum noch verschiedene Veranstaltungen, unter anderem „Transitland Europa“. Es ging hier um Videoarbeiten über osteuropäische Migration in den vergangenen zwanzig Jahren.

„Deutsche Einheit am Balaton“ ist eine Ausstellung besonderer Art. Im Mittelpunkt stehen nämlich gegenüber den Vorstellungen über eine traditionelle Ausstellung keine Gegenstände, sondern Erinnerungen, und zwar in Form vom Fotos und kurzen Filmen. Erinnerungen von Ossis und Wessis, die in DDR-Zeiten Urlaub am „ungarischen Meer“ gemacht haben. Oft war der Plattensee für getrennte Familien der Ort der Begegnung, des Wiedersehens. Wie kam die Idee dieser einzigartigen Ausstellung?
Wir wollten nicht unbedingt nur das Happy End der Geschichte darstellen, sondern wir wollten auch die ganze Vorgeschichte, die Details und vor allem die persönliche Ebene der Zeitgeschichte untersuchen.

Aufgrund welcher Materialien bzw. Dokumente haben Sie die Ausstellung zusammengestellt?
Wir untersuchten ostdeutsche und westdeutsche Geschichten, familiäre, freundschaftliche Begegnungen, die sich in den 60er bis 80er Jahren am Balaton abgespielt haben. Wir haben etwa 18 Stunden privates Filmmaterial gesammelt, über 36 Interviews geführt, und viele hundert Seiten von Stasi- bzw. ungarische Geheimdienstakten durchsiebt. Aus diesem Material haben wir für die Ausstellung acht Schicksale ausgewählt. Mit diesen Geschichten werden die Besucher der Ausstellung konfrontiert.

Das CHB ist nicht das einzige ungarische Kulturinstitut im Ausland. Es gibt noch viele andere Collegia Hungarica, zum Beispiel in Rom und Wien. Außerdem gibt es weltweit zahlreiche verschiedene ungarische Kulturinstitutionen. Hat das CHB Beziehungen zu diesen Instituten?
Diese Institutionen gehören eigentlich unter den Schirm des Balassi-Instituts in Ungarn. Inhaltlich sind wir aber sehr frei. Der jeweilige Institutsdirektor trifft die strategischen Entscheidungen, und im täglichen Leben macht jeder seine eigene Arbeit. All diese Institutionen haben aber die gemeinsame Aufgabe, Ungarn in dem gegebenen Land, wo man ist, ein Image zu verleihen. Ich möchte hier hervorheben, dass wir kein ungarisches Kulturinstitut im deutschen Kontext sein wollen, sondern wir wollen eine Berliner Institution sein, die ungarische Interessen vertritt.

Sie sind seit 2008 Direktor des CHB. Mit welchen Plänen haben Sie die Leitung übernommen? Haben Sie davon schon einige verwirklicht?
In meiner Bewerbung habe ich ein offenes Institut angesprochen. Ich wollte innovativ sein, und dieses Haus der Stadt öffnen. Ich bin mir sicher, dass wir eine sehr gute Arbeit geleistet haben. Das Feedback aus Berlin über unsere Arbeit ist sehr positiv. Unsere Beliebtheit zeigt sich auch an der stets zunehmenden Besucherzahl: das CHB hatte in der letzten Zeit monatlich an die 2000 Besucher.

Hiermit möchten wir Ihnen zum einen für die freundliche Unterstützung durch das CHB, zum anderen für Ihre Bereitschaft für das Interview danken. Wir wünschen Ihnen und dem CHB eine weitere erfolgreiche Arbeit!

Der Artikel entstand in Zusammenarbeit von András Horváth und seinem Kollegen Botond Szabó, Redakteur der Studentenzeitung „Insel“ an der Péter Pázmány Katholischen Universität in Piliscsaba.


Collegium Hungaricum Berlin

Das ungarische Kulturzentrum CHB befindet sich in Berlin Mitte. Sein 2007 errichtetes modernes Gebäude steht gleich hinter dem Hauptgebäude der Humboldt-Universität in der Dorotheenstraße. Doch fängt seine Geschichte viel früher an: das CHB wurde 1924 gegründet, und ist nach einer Zwangspause nach dem zweiten Weltkrieg seit 1973 Teil der Berliner Kulturlandschaft. Das CHB engagiert sich für die Verbreitung der bildenden Künste, Literatur, Musik, Film und anderen Kulturformen mit ungarischem Bezug und unterstützt Künstler sowie Autoren durch die Präsentation ihrer Werke. Seine reichlich ausgestattete Bibliothek und Mediathek steht für alle Interessenten offen, die sich zur ungarischen Kultur hingezogen fühlen.
Seit 2008 wird das Institut von Herrn János Can Togay geleitet. Seine vielseitige Persönlichkeit (er ist unter anderem Drehbuchautor, Regisseur und Schriftsteller) spiegelt sich auch am facettenreichen Kulturangebot des CHB wieder. Wie er selbst zugibt, versucht er, alle vorteilhaften Möglichkeiten des hochmodernen Hauses zu nutzen, und dadurch immer mehr Besucher anzuziehen.