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Zeitung << 1/2010 << Ein österreichischer Schmuck-Abend in Szeged


Ein österreichischer Schmuck-Abend in Szeged
„Die Luft ist wie Champagner – Amüsantes und Pikantes rund um die Liebe” von Arthur Schnitzler

Autorin: Krisztina Szilaski

[...]
SIE: Hab ich dich vielleicht, gestern zurückgehalten?- Und im übrigen hast du dich einfach verschlafen! --- Ja, von eins bis fünf hast du geschlafen, so ruhig!-Das heißt, ruhig kann ich nicht sagen,.....denn du hast geschnarcht.
ER: Das ist ein Unsinn. Ich schnarche nie.
Sie: Na ja, du hast’s gut, du schläfst dabei, da kannst du’s nicht hören. – Ich versichere dich, du schnarchst.
ER: Ah, das ist eine Erfindung von dir!-Ich kenne dich!-du willst mir das Schlafen verleiden. Noch niemand hat mir gesagt, daß ich schnarche. ..Und im übrigen...das von eins bis fünf---das ist auch so eine-
SIE: Na, ich lüge, wie gewöhnlich. .
ER: Ich sagte nicht: Lüge. Aber wenn du mich nur ein bißchen lieb hättest, würdest du dich vielleicht daran erinnern, daß wir um drei Uhr wach gewesen sind.
SIE: Ich allerdings;-du warst es nicht besondres.
[...]
(Halbzwei)

Ein Auszug aus dem Einakter „Halbzwei” von Arthur Schnitzler (1862-1931), mit dem sich ein charaktervoller Mann in schwarzem Anzug und eine zartfühlende Frau mit feiner Eleganz am 24. März 2010 im Grand Café in Szeged verabschiedet haben.

Der Schnitzler Abend war ein amüsantes Programm, das mit Liebe, Gspusi bzw. mit erotischer Stimmung und mit Liebesaffäre überfüllt war. Im Fokus stand die Liebe und die Beziehungen zwischen Mann und Frau in der Übertragung der österreichischen Gastschauspielerin Irene Colin und des Gastschauspielers Hannes Gastinger. Die beiden haben sechs Schnitzler-Einakter vorgelesen: „Der junge Herr und die junge Frau”; „Fräulein Else”; „Die überspannte Person”; „Sylvesternacht”; „Halbzwei”.
Beide Schauspieler mögen alle dieser Texte sehr, aber besonders den Einakter Halbzwei, was auch an ihrem brillianten schaupielerischen Vortrag zu erkennen war.
Die Lesung wurde auch mit etwas Musikalischem gewürzt: Der österreichische Musiker Richard Graf hat zu den einzelnen Szenen kurze musikalische Szenen für klassische Gitarre komponiert. Der feine Glimmer seiner musikalischen Kompositionen verlieh dem gesamten Abend einen angenehmen und eleganten Charakter.
Der Hauptorganisator, Prof. Dr. Károly Csúri, hat den Abend eröffnet und zugleich den Schauspieler und die Schauspielerin herzlich begrüßt.
Die Mehrheit des Publikums bildeten Germanistikstudierende aus Szeged. Sie schienen das Programm sehr genossen zu haben. Die einzelnen Gesichter im Publikum trugen Merkmale von großem Interesse und Aufmerksamkeit. Am Ende der einzelnen Einakter glühte der Satz in den Augen: „Ich will noch mehr hören!”. Während des Schnitzler-Abends war oft das gemeinsame Lachen der Besucher zu hören, was auf die Identifikation der Zuhörer mit den einzelnen Rollen hinweist. Die Lesung war wirklich spannend und zugleich auch lustig! Oft haben mich einzelne Szenen zum Nachdenken gebracht.
Vor einem Tisch mit dunkelrotem Tischtuch saßen der Gastschauspieler und die -schauspielerin. Auf dem Tisch lagen ihre Schnitzlertexte, die sie während des Abends vorgelesen haben. Die charaktervolle, dunkel-weiche Stimme von Hannes Gastinger und die feine, angenehme-farbreiche Stimme von Irene Colin zusammen mit ihrer gefühlsreichen, lebhaften Vortragsweise bildeten die schönsten künstlerischen Schmuckstücke der Veranstaltung. Meiner Meinung nach brachte vor allem die schauspielerische Vortragsweise ihrer Stimme den eigenartigen Geschmack und die Wirkungswelt der Texte zum Ausdruck. Dadurch haben sie dem Publikum auch die Schnitzler Texte näher gebracht.
Obwohl die vorgelesenen und durch die schauspielerische Stimme vorgetragenen Texte nicht in unserem heutigen 21. Jahrhundert geschrieben wurden, hatte ich während des Abends oft das Gefühl, dass diese Texte, die verschiedene Liebesverhältnisse und unterschiedliche charakteristische Rollen sowohl der Männer als auch der Frauen skizzieren, genauso auch auf unser 21. Jahrhundert zutreffen. Diese Verhältnisse und Verhaltensweisen zwischen Mann und Frau existieren auch bis heute: Sie sind zeitbeständig! „Als geborene Wiener haben wir ein Naheverhältnis zu der ´Temperatur´ der Szenen, zu Form und Struktur des Dialoges. Der Umgang von Mann und Frau miteinander ist und wird immer zeitlos sein, das Publikum kann sich mit den Figuren und den gesprochenen Sätzen wunderbar identifizieren”, erklärten Irene Colin und Hannes Gastinger dem GeMa.
Der Schnitzler-Abend war eigentlich eine Tournee. Sie begann in Österreich und wurde in zahlreichen europäischen Städten (wie Bremen, Zagreb, Lyon usw.) aufgeführt. Die Initiative zu diesem Abend kam von mehreren Personen. „Frau Irene Colin hat mir per E-Mail empfohlen, den Schnitzler Abend auch in Ungarn vorzutragen. Ich habe mir gedacht, dass es sich lohnen würde, die Veranstaltung in ganz Ungarn, zumindest an den größeren Universitäten, an denen es auch ein germanistisches Institut gibt, zu organisieren. Ich habe darüber mit den Kollegen aus Pécs, Debrecen und Budapest diskutiert und sie waren derselben Meinung. Danach habe ich das Österreichische Kulturforum Budapest (ÖKF Budapest) aufgesucht und gefragt, ob sie die Finanzierung dieser Abende übernehmen könnten. Die neue Direktorin, Frau Dr. Kornfeind, war sehr nett und entgegenkommend und sie hat meine Idee unterstützt und die Veranstaltung finanziert”, erklärte mir Károly Csúri, wie dieser literarische Kulturabend organisiert wurde. Er blieb aber nicht allein mit der Organisation, denn mehrere Personen haben ihm Hilfe geleistet: Marion Rutzendorfer, Judit Szabó und Attila Bombitz.
Über den Abend sind die Organisatoren derselben Meinung: „Der Abend wurde organisiert, um es Germanistikstudierenden, bzw. denjenigen, die Interesse an kulturellen Veranstaltungen in deutscher Sprache haben, möglich zu machen eine künstlerisch gestaltete deutschsprachige Lesung, aufgeführt von Muttersprachlern, zu erleben und sich mit Schnitzler zu amüsieren”, äußerte sich Marion Rutzendorfer.
Wie alle anderen Organisatoren, Organisatorinnen und Besucher/innen, habe auch ich von dem Abend nur positive und angenehme Impressionen. Die folgenden Formulierungen von Károly Csúri spiegeln auch meinen Gedankengang: „Meiner Meinung nach war der Abend sehr erfolgreich. Die Vorlesung machte Schnitzler genussreicher, als wenn man diese – anscheinend-einfachen und nicht sehr tiefen Texte nur lesen würde. Das feine Spiel, die Betonungen und Gesten der Schauspieler haben auch solche Schichten enthüllt, die dem einfachen Leser meistens verborgen bleiben. Die Veranstaltung hat mir gefallen. Endlich ist so etwas geschehen, dem zufolge der Schauspieler, der Zuhörer und der Autor – der Letztere im indirekten Sinne – gleichermaßen auf seine Kosten gekommen sind.”
Sowohl Frau Rutzendorfer als auch Herr Csúri würden sich auf weitere literarische Kulturabende freuen. Professor Csúri hofft darauf, dass ein Kafka-Abend, der jetzt noch in Vorbereitung ist, bald in Szeged veranstaltet wird. Frau Rutzendorfer freute sich schon sehr auf die Vorlesung von Verena Roßbacher in Szeged (am 28. April 2010).
Der gesamte Abend fand auch bei Herrn Bombitz großen Beifall. Einige Studentinnen, die sich zusammen mit Frau Rutzendorfer mit den gleichen Schnitzler-Texten beschäftigten, äußerten sich über den Abend sehr positiv, und auf meine Frage, ob sie sich in der Zukunft ähnliche Kulturabende anhören würden, überströmten sie mich ohne Pause mit ihren Antworten: Ja!!! Auf jeden Fall!
Irene Colin und Hannes Gastinger würden sehr gerne wieder in Ungarn auftreten, wenn sich die Möglichkeit und die Gastspieleinladung ergibt. Beide haben einen sehr positiven Eindruck von Ungarn. Vor allem unsere Universitätsstadt Szeged, die Kulturhauptstadt Europas Pécs und die Hauptstadt Budapest fanden ihren Beifall.
Wir können den Vortragenden zu ihrem großartigen Auftritt, mit dem sie das Publikum verzaubert haben, gratulieren, in der Hoffnung, dass sie bald wieder in Szeged auftreten. Den Szegeder Organisatoren und Organisatorinnen gilt ein besonderer Dank für dieses wunderbare Programm.