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Zeitung << 1/2010 << Blättern, berühren, hören und sehen


Blättern, berühren, hören und sehen
Ein interaktiver Besuch im Jüdischen Museum Berlin

Autorin: Anikó Mészáros

Während des Erasmus-Intensivprogramms „Berlin inter3“ an der Humboldt-Universität hatte ich im September 2009 viele Möglichkeiten, Museen zu besuchen. Berlin bietet wirklich eine Vielfalt an Museen und verschiedenen Galerien. So warten mehr als hundert Museen auf unseren Besuch in der Stadt, wie zum Beispiel DDR-Museum, Pergamonmuseum, Schwules Museum, Ägyptisches Museum oder Jüdisches Museum. Leider konnte ich mir wegen Zeitmangel nicht alle Museen ansehen, wofür ich Interesse gehabt hätte, aber eines von Ihnen wollte ich auf jeden Fall nicht nur von außen sehen. Das war das Jüdische Museum.
Ich habe mich immer für das jüdische Leben interessiert, und nicht nur wegen des Geschehens des zweiten Weltkriegs. Deshalb habe ich dieses Museum gewählt, das ich unbedingt besuchen wollte. Als ich mit einer der Teilnehmerinnen des Programms endlich das Museum gefunden hatte und vor dem Gebäude stand, wusste ich, dass jetzt etwas Besonderes kommt. Das Gebäude sieht selbst auch besonders aus: es ist grau, mit komischen Streifen, die eigentlich die Fenster sind. Ich habe auf einem Prospekt gelesen, dass das Gebäude einer der spektakulärsten Museumsbauten Deutschlands ist, und es hatte schon vor der Eröffnung viele Besucher, obwohl das Gebäude noch leer war.
Das Museum ist drinnen auch nicht alltäglich, am Anfang habe ich mich so gefühlt wie in einem Irrgarten. Aber wenn man das Konzept des Aufbaus des Gebäudes entdeckt, konnte man die Ausstellung genießen und am Ende des Ganges findet man sich vor einer Tür, die zum Exilgarten bzw. symbolisch zur Freiheit führt. In diesem ersten Teil gibt es noch ein Kino, wo verschiedene Kurzfilme über das Leben der Juden gespielt werden und einen Raum, wo es ganz dunkel ist und man kann sich so fühlen, wie die Juden damals, als sie eingesperrt waren. Natürlich war dies das Ziel mit dem Bau dieser Räume.
Weitergehend können wir noch drei Etagen finden, voll mit Gegenständen des Alltagslebens der Juden. Von Gabeln über Kleider bis zum Koffer, Bücher, Möbel und alles Mögliche, die von Juden benutzt wurden, natürlich chronologisch geordnet. Mit diesen Gegenständen wollen sie zwei Jahrtausende jüdische Geschichte von den frühesten Zeugnissen bis zur Gegenwart repräsentieren als Dauerausstellung. Manchmal finden im Museum auch Sonderausstellungen statt, die sich immer auf die einzelnen Themen deutsch-jüdischen Lebens konzentrieren. Aber nicht nur deshalb ist dieses Museum so interessant. Vielleicht kann man ähnliche Gegenstände in vielen Museen sehen. Aber hier ist alles interaktiv: die Fotos sind digitalisiert, so kann man sie mit der Hilfe eines Gerätes „durchblättern“. Ganze Räume sind eingerichtet, zum Beispiel wie in einer Schule. Ich konnte auf einer Bank sitzen und die da gefundenen Bücher berühren. Es gab einige Medienstände, die dazu dienen, Tonaufnahmen anzuhören und Kurzfilme anzusehen. Hier konnte ich zum Beispiel ein Teil der Nürnberger Prozess hören. Manchmal findet man bei diesen Medienständen auch ein Gerät, wo man auf bestimmte Umfragen antworten kann. Die Fragen sind immer bezogen auf den heutigen Zustand der Juden in der Gesellschaft. Eine Frage lautete zum Beispiel etwa so: Würden Sie eine(n) Jude/Jüdin heiraten? Was mir besonders gefallen hat, ist der Emanzipationsbaum. Und warum heißt er Emanzipationsbaum? Jeder Besucher, der Lust hat, kann kurz auf die Frage „Was heißt Emanzipation?“ antworten und den kleinen Zettel auf den Baum hängen lassen.
Obwohl das Museum sehr zeitaufwendig ist (es liegt auf 3000 qm Ausstellungsfläche) und man wenigstens 3-4 Stunden braucht, um alles ansehen zu können, lohnt sich ein Besuch sehr, weil man da wirklich nicht nur sehen, sondern auch blättern, hören und vieles berühren darf.