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Aufklärung und Aufregung
50 Jahre Schwule und Lesben in der BRAVO

Autor: Krisztián Mányó

Die BRAVO ist zweifellos eine der beliebtesten Jugendzeitschriften Deutschlands. Im Jahre 2006 feierte sie ihr 50jähriges Jubiläum. Viele Prominente wurden aus diesem Anlass gebeten, ihre Gedanken über die Zeitschrift zu äußern. In diesem Rahmen wurden die Worte von Hella von Sinnen zitiert, dass sie „angetan sei von der Haltung des Beratungsteams, das vor allem zum Thema Homosexualität seit Jahren eine offene, akzeptierende Haltung an den Tag legt. Dafür Danke“.

Das Buch führt die Leser_innen durch die wichtigsten Momente der schwul-lesbischen Bewegung, die dazu beigetragen haben, dass gleichgeschlechtliche Paare im Jahre 2010 in den meisten Großstädten und zunehmend auch in ländlichen Gebieten Deutschlands fast konfliktlos leben können. Vom Jahre 1956, als das Bundesverfassungsgericht den noch aus Nazi-Zeiten existierenden Paragraphen 175 für „verfassungskonform erklärte“, in dem festgelegt wurde, dass homosexuelle Handlungen unter erwachsenen Männern (21 Jahre) strafrechtlich zu verfolgen sind, durch die Schwulen- und später auch Lesbenbewegung der 70er Jahre bis heute, wo gleichgeschlechtliche Paare sogar eine staatlich anerkannte Lebenspartnerschaft schließen können. (Die Verankerung des Schutzes der sexuellen Orientierung im Grundgesetz bleibt erfolglos. – Zur Verwirklichung wünsche ich den Lesben- und Schwulen-Organisationen viel Kraft und Ausdauer – der Verfasser.)

Sexuelle Aufklärung
Der größte Teil des Buches beschäftigt sich mit der Sexualaufklärung. Die Entdeckung der Sexualität in der Pubertät bringt viele Fragen mit sich. BRAVO versuchte von Anfang an, den Jugendlichen bei ihren Problemen zu helfen und ihre Fragen zu beantworten. Unter diesen Problemen erscheint auch die Homosexualität, obwohl sie früher als Erscheinung umstrittener war als heute und es schwieriger war über das Anderssein zu sprechen und offen lesbisch oder schwul zu leben. (Diese Aussage gilt für Länder wie Deutschland, England, Frankreich usw. Leider gehört Ungarn in dieser Hinsicht nicht zu den früher genannten Ländern – der Verfasser.).
BRAVO bekommt nach wie vor jede Woche Tausende von Leserbriefen. Die Jugendlichen bekommen zu ihren Fragen zu Hause keine oder wenige Informationen, weil die Sexualität in vielen Familien ein Tabuthema war und immer noch ist. Die Leserbriefe sind in Themenbereiche unterteilt: Bei einem geht es um Fragen der eigenen Homosexualität, bei einem andere um die Homosexualität anderer Personen. Außerdem sind die Fragen um Transves­titen, Transsexuelle, Transgender, Intersexuelle und sexuelle Belästigung, sexueller Missbrauch behandelt. In der Zeitung wurden die Begriffe schwul, lesbisch, transsexuell (transgender/intersexuell), bisexuell usw. während der Jahre behandelt und ausführlich erläutert. Es ist wichtig zu betonen, dass BRAVO versucht hatte die Parallelität – die auch heute teilweise noch zu spüren ist, wenn man über Homosexualität spricht – zwischen Homosexualität und Pädosexualität abzubauen. „BRAVO schilderte Missbrauch von Männern an Jungen nicht in einer Form, die zu mehr Vorurteilen gegenüber Schwulen führen konnte“, steht im vorliegenden Band.

HIV/AIDS
Seit 1985 befasst sich BRAVO mit dem Thema AIDS. Die Krankheit erscheint u.a. in Reportagen und Werbeanzeigen. In der Anfangsphase erschienen Artikel mit den Titeln „Bedroht AIDS auch junge Leute?“ oder „AIDS: Gefährlich auch für Liebespaare?“ Laut dieser Titel könnte man glauben, dass Jugendliche, die eine feste Beziehung haben, von der Infizierung mit HIV nicht gefährdet sind. BRAVO hat auch die Gefährlichkeit dieser Aussage erkannt, und hat ihre eigene Einstellung zum Thema geändert. Aber auch Anfang 1985 wurde über Kondome informiert, ohne HIV/AIDS zu erwähnen. BRAVO versuchte mit ihren Mitteln das Vertrauen zwischen den Partner_innen zu kommunizieren und „empfahl den Jugendlichen nie die uneingeschränkte Verwendung von Kondomen“. Die Ratschläge der AIDS-Hilfe wie z.B., dass immer Kondome benutzt werden und Sperma nicht geschluckt werden sollte, fehlen in der BRAVO auch bis heute.
Das Buch zeigt sexuelle Aufklärung über Schwule und Lesben chronologisch mit authentischen Leserbriefen. Neben dem Inhalt tragen dazu auch die Bilder bei. Es ist interessant zu lesen, wie sich die Aufklärung während dieser 50 Jahre geändert hat. Ich kann jedem das Buch empfehlen. Der BRAVO gratuliere ich zu diesem Buch und wünsche noch weitere 50 Jahre gute Arbeit.